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Von der Hausfrau zur Familienmanagerin

«Familienmanagerin» ist ein schillernder Begriff. Für die einen, ist er blosses Schönreden, für die anderen, eine verdiente Anerkennung der allzu oft unterschätzten Familienarbeit. Eines scheint jedoch allen Deutungen gemein: Die Hausfrau und Mutter hat ein Imageproblem. Vor allem auf dem Arbeitsmarkt.

Hausfrau oder Familienmanagerin
Mütter müssen alles gleichzeitig im Griff haben. Kinder, Kochen und Kommunikation. Erfordert das nicht echte Managerqualitäten? © Kzenon - Fotolia.com

Der Begriff der «Hausfrau» beschreibt eine gesellschaftliche Rolle, die auf die meisten Frauen heute nicht mehr zutrifft. Sie sind durchschnittlich besser ausgebildet und unabhängiger als alle Frauengenerationen zuvor. Nach einer Heirat und dem ersten Kind, fallen Sie aber oftmals hinter ihre eigenen Vorstellungen zurück und folgen den vorgezeichneten Bahnen ihrer Eltern. Dabei sind nicht selten wirtschaftliche Überlegungen, die vor allem verheiratete Frauen dazu bewegen, für die noch junge Familie eine Auszeit im Erwerbsleben einzulegen. Familie kostet und Männer verdienen einfach immer noch wesentlich mehr. Wenn Sie dann nach etwa 5 Jahren Pause den Wiedereinstieg in den alten Beruf suchen, müssen Sie feststellen, dass der Arbeitsmarkt ihnen als Hausfrauen und Mütter wenig Chancen gibt.

Die «Hausfrau» verkauft sich eben nicht gut im Bewerbungsgespräch. Hinter dem jungen Begriff «Familienmanagerin» steckt allerdings mehr als ein geschickter Marketing-Schachzug. Dennoch ist seine Erfindung als Verkaufsargument einer umstrittenen Staubsaugervertreter-Firma aus Deutschland bezeichnend. Um ihr ramponierte Image aufzupolieren, bewirbt Vorwerk seit 2001 nicht mehr nur die eigenen Haushaltsgeräte, sondern auch die auserkorene Zielgruppe: vor allem Hausfrauen und Mütter. Nur das sie bei Vorwerk jetzt nicht mehr Hausfrauen genannt werden, sondern Familienmanagerinnen.

«Ich führe ein sehr erfolgreiches kleines Familienunternehmen»

Für den Werbespot zur Familien-Kampagne, hat Vorwerk ein Vorstellungsgespräch in Szene gesetzt. Der Personaler frägt: »Und was sind sie von Beruf? Oder sind sie nur…«Darauf antwortet sie: «Ich arbeite in der Kommunikationsbranche und im Organisationsmanagement. Ausserdem gehören Nachwuchsförderung und Mitarbeiterkommunikation zu meinen Aufgaben...Oder kurz, ich führe ein sehr erfolgreiches kleines Familienunternehmen.» Dies allein wäre vielleicht eine müder Dialog, würden im Werbespot nicht Rückblenden gezeigt, wie die Bewerberin kocht, staubsaugt, bastelt, bügelt oder mit der ganzen Family im Bett kuschelt. Endlich sagt mal jemand, dass der Spagat zwischen Haushalt, Kinder und Lebenspartner Managerqualitäten erfordert, haben sich daraufhin wohl viele Frauen gedacht - und der neue Begriff der Familienmanagerin machte die Runde.
 

Mit «Viel Arbeit, wenig Lob» beschreibt Vorwerk die Situation der Familienmanagerinnen und Familienmanager und weist zu Recht daraufhin, dass  Erziehungs- und Haushaltsarbeit offensichtlich ein Anerkennungsproblem hat, obwohl die Familienmanagerin bzw. der Familienmager, doch der «wichtigste Beruf» überhaupt sei. Seit 2005 vergibt die Firma Vorwerk einen Preis für die Familien-Managerinnen und Familien-Manager des Jahres. «Mit dieser Auszeichnung möchten wir Frauen und Männer ehren, die Außergewöhnliches für ihre Familien leisten.», erklärt Vorwerk. Die Familien-Managerin des Jahres darf sich dann über Ehrentitel und Equipment für die Führung des Familienunternehmens freuen: Also Staubsauger, Küchenmaschine oder ähnliches. Beim nächsten Vorstellungsgespräch wird ihr das aber wohl nicht viel bringen. Oder doch?

Eine Familie mit Kindern zu versorgen erfordert Managerqualitäten

In Anbetracht der vielfältigen Aufgaben, die auf eine Frau oder einen Mann in einem Haushalt mit Kindern zukommen, mag man mit gutem Grund von einem Management-Job sprechen. Es muss geplant, organisiert, geführt, motiviert, gecoacht und auch mal nachkontrolliert werden. Damit das Familienbudget nicht gesprengt wird, kommt es auch auf eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Ressourcen an. Bezahlt wird die FamilienmanagerIn trotzdem nicht. Als Familienmanager oder Familienmanagerin bekommt man offiziell kein Gehalt und auch keine Rente. FamilienmagerInnen müssen sich deshalb noch einen zusätzlichen Job suchen oder sagen wir wie es lange war und immer noch häufig ist: einen Mann heiraten, der besser und für alle zusammen verdient.

Wären Schweizer Hausfrauen übrigens leistungsgerecht angestellte Familienmanagerinnen, würde ihnen monatlich ein Lohn von 4500 Franken zustehen. Zusammen würden alle Schweizer Hausfrauen und Hausmänner einen Lohn von 110 Milliarden Franken pro Jahr verdienen. Das habe das statistische Bundesamt in einem Pilottest für das Jahr 2000 errechnet.

Quelle: Schweizer Radio DRS

 

Dass es vor allem Frauen, die für die Familie aus dem Erwerbsleben freiwillig ausscheiden, nicht sozial abgesichert sind und es beim Wiedereinstieg in das Berufsleben besonders schwer haben, ist nicht zuletzt das Ergebnis einer mit wirtschaftlichen Interessen und gesellschaftlichen Normen einhergehenden Familien- und Sozialpolitik, die sich nach dem so genannten Ernährermodell ausrichtete. Das typische Ernährermodell beschreibt Familienhaushalte mit einem männlichen Verdiener und einer Frau, die sich um Heim und Kinder kümmert. In den 1950er Jahren wurde die perfekte Hausfrau und Mutter als Ideal der gutbürgerlichen Familie von Pädagogen und Psychologen propagiert. Gleichzeitig stilisierte Werbung im Namen der Konsumgüterindstrie, die Weiblichkeit der Frau zum Mythos hoch. «Das Idealbild war die brave, attraktive Hausfrau mit schmaler Taille», schreibt der Tages Anzeiger über eine widersprüchliche Zeit, die zwar Autos, Kühlschränke und Rock’n’Roll brachte, aber Frauen kein Wahlrecht zugestand und den Nachwuchs von – tatsächlich sehr vielen - arbeitenden Frauen Schlüsselkinder schimpfte.

«Keine Sorge, niemand wird eine willige und billige Hausfrau entlassen»

Seit den 70er Jahren hat sich für die Rolle und das Berufsbildes der Hausfrau und Mutter jedoch einiges verändert. Was früher oft mit stolz erzählt wurde, ich bin «Hausfrau und Mutter», geht heute vielfach mit einem Minderwertigkeitsgefühl einher. Frauen, die sich bewusst für Familie und Haushalt als Vollzeitjob entscheiden, geraten häufig unter Rechtfertigungszwang. Bei Klassentreffen, auf Partys oder beim Wiedereinstieg in das Berufsleben wird die Frage nach dem Beruf förmlich zur Nagelprobe.
Deshalb kann man den Werbeclou der Familienmanagerin vielleicht auch als Diskriminierung verstehen. So fragt sich zum Beispiel eine Bloggerin auf dem Erfahrungsaustauschwebseite Hausfrauen.de  wie der Manager, der ja hauptberuflich Arbeit delegiere, zur Hausfrau passe, «die sich Tag und Nacht abrackert. Ihre Kinder oft verwöhnt im Hotel Mama und selber keine Freizeit und Freiheit hat. Die ständig für alles und jeden verantwortlich gemacht wird und sich selber verantwortlich macht. Die auch noch volle Leistung bringt, wenn sie krank und schwach ist. Die ständig ein schlechtes Gewissen hat, nicht alles geschafft zu haben - und dann auch noch hört: Du hast es ja gut, musst nicht arbeiten gehen.» Bekommt die Frau dann ab sofort der mehr Respekt, weil sie sich Familienmanagerin nennt? Zumindest brauche sie aber keine Angst vor dem Stellenverlust haben, spricht die Zynik der Bloggerin, denn «niemand wird eine willige und billige Hausfrau entlassen». Und einstellen?

Familie und Beruf zu vereinbaren ist Familienmanagement
Nach einer Auszeit steigen Mütter häufig über Teilzeit wieder in die Arbeitswelt ein. Doch das führt oft in eine Sackgasse. © Werner Hieber - Fotolia.com

Wenn man Stellenanzeigen durchforstet, sind eine ganze Latte an Zeugnissen, Berufserfahrungen, Kompetenzen und immer häufiger auch so genannten social skills verlangt. Frauen wie Männer, die zugunsten der Familie eine längere berufliche Auszeit nehmen, haben angesichts ihrer lückenhaften Erwerbsbiografie, auf dem Arbeitsmarkt oftmals das Nachsehen. Das Loch im Lebenslauf führt oft auch zu einem löchrigen Selbstbewusstsein und Zweifeln, ob man den Anschluss im gelernten Beruf wieder schafft. Minijobs und Teilzeitjobs, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf versprechen, können hier zumindest helfen den Kontakt zum Erwerbsleben nicht abbrechen zu lassen. Trotzdem gilt die Teilzeitarbeit vielen als Sackgasse, da sie eine geringere soziale Absicherung gewährt und kaum Auftstiegschancen bietet.

Im Interview mit Futura TV  rät die Managing Directorin des Personalvermittlers Randstad Schweiz, Simon Nijssen deshalb, die in der Familienarbeit erworbenen Kompetenzen als berufsqualifizierende Stärken zu verkaufen:« Als Arbeitsgeberin würde ich es sehr begrüssen, wenn man seine Qualfikationen als Hausfrau auch tatsächlich in einem Bewerbungsgespräch nach vorne bringen würde.» Dazu zählt Sie zum Beispiel Organisationstalent, Motivation, Coaching und das Führen einer Familie. Doch diese Ansicht wird vermutlich bislang noch von zu wenigen Personalern geteilt.
Um die Familienfrauen- und –männer besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, gründete die Berner  Personalberaterin und Mutter Annemarie Ladon 2004 den Berufsverband der Familien-Managerinnen (BMF-AGF) . Das Familienmanagement stellt «zahlenmässig die grösste Berufsgruppe – und sie wirkt im gesellschaftlichen Niemandsland», erklärte die damalige Verbandspräsidentin Ladon in einem Porträt des Projekts Fachausweis von 2007 mit dem Elternmagazin Fritz+Fränzi. Selbst habe die gelernte Personalerin erfahren müssen wie schwer der Wiedereinstieg in den Beruf sei. Die durch Familienarbeit erweiterten Sozialkompetenzen einfach zu benennen, reiche nicht aus. Im Berufsleben zählten eben nur anerkannte Fachausweise mit geprüften Fähigkeiten und Kenntnissen.

Eidgenössisches Diplom für Mama und Papa

Oberstes Ziel sei es deshalb, eine vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) anerkannten Berufsprüfung des Familienmanagements einzurichten, an dessen Anschluss der Eidgenössische Fachausweis Familienmanager/in stehe. Der Fachausweis solle FamilienmanagerInnen ermöglichen ihr meist privat erworbene Wissen und Können ins Erwerbsleben zu übertragen. Dabei qualifiziert sich jedoch nicht automatisch jede Mutter oder jeder Vater für einen Fachausweis. Nach dem Schweizerischen Berufsbildungsgesetz sind fünf Jahre Erfahrung, hier also in Familienarbeit, das Minimum für eine höhere Berufsbildung. Nach einer Einstufung der vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten werde der zusätzliche Bedarf an Familienmanagement-Kursen festgelegt, um zur abschliessenden Berufsfachprüfung zugelassen zu werden, so der Plan des BFM-AGF.

Noch aber steckt der Fachausweis für das Familienmanagement in den Kinderschuhen fest. Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie befand die Eingabe für einen Fachausweis für Familienmanagement bereits 2008 für nicht realisierbar und schlug als Lösung eine Zertifizierung des Berufsverbandes für Familien-ManagerInnen mit einer Anknüpfung an berufsähnliche eidgenössische Fachausweise vor. Als der Berufsverband diesem Vorschlage mit einem neuen angepassten Berufsbildungskonzept folgte, wurde aber auch dieses abgelehnt. Das mag nach euphorischen Anfangszeiten ein Tiefschlag zuviel gewesen sein. Seit 2010 liegt der Berufsverband für FamilienmanagerInnen faktisch auf Eis. Es klingt wie eine böse Ironie der Geschichte, dass der ausschliesslich weibliche Verbandsvorstand schliesslich auseinander brach, weil ihre Vertreterinnen neben Beruf und Privatem keine Zeit mehr fanden. 

Karrierefrau sucht Familienmanagerin?

Zwar ist die Familienmanagerin noch keine offizielle Berufsbezeichnung, dennoch gibt es heute scheinbar immer mehr Frauen, die unter und dank demselben Namen, ungestört Karriere machen. Gehe es nach Familien-Agenturen, die Personal für Kinderbetreuung und Hauswirtschaft vermitteln, sei die Familienmanagerin die «moderne Kinderfrau», schreibt DIE ZEIT. Denn die Familienmanagerin «hält der karriereorientierten Chefin den Rücken frei nicht nur in der Erziehung, sondern auch in zahllosen anderen Lebensbereichen. Ein Fulltimejob.»

Heute erwarteten insbesondere besser verdienende Eltern von ihren Nannys mehr als eine pädagogische Ausbildung. Deshalb geht die Berufsbeschreibung der Familienmanagerin weit über Erziehung hinaus. Kinderfrauen oder Nannys sollen Fremdsprachen beherrschen sowie über Zusatzausbildungen im Sportbereich oder musischen Disziplinen verfügen. Sie sollten zudem in der Lage sein einen Haushalt wie Hausangestellte zu managen.

 «Wie man mit dem Kinderwagen Rolltreppe fährt»

Da darf man aber doch fragen, warum es wieder die verschmähten Karrieremütter sein müssen, die sich nicht mit der «einfachen» Kinderfrau begnügen wollen. Haben Väter nichts mehr zu melden? Oder kommen die »karrierorientierten Chefinnen» und »Familienmagerinnen» längst ohne aus? Auf jeden Fall gehören sie zur zur Kaste der Spitzenverdiener. Dass die Wandlung der Kinderfrau zur Familienmanagerin auch eine Frage des Geldes ist, daraus macht die Familien-Agentur nanny4yourkid kein Geheimnis. Natürlich spielten Aufstiegschancen eine Rolle, erzählte Agenturchefin Birgit de Fries der ZEIT. Typische Bewerberin bei der Familien-Agentur seien selbstbewusste und ambitionierte Erzieherinnen, die dem Verwaltungsaufwand, dem Kinderansturm und dem bescheidenen Gehalt in Kindergärten und Kitas müde seien. Eine gutausgebildete und flexible Kinderfrau als Vollzeitangestellte kann sich nicht jeder leisten. In der Regel sind es Spitzen- und Doppelverdiener, deren Ansprüche offenbar durch das staatliche Betreuungssystem nicht befriedigt werden können. Zuletzt verdient wohl am besten die Familien-Agentur.

Viele Quereinsteigerinnen empfänden den neuen Familienmanagerjob als Sprung ins kalte Wasser, erzählt Agenturchefin De Fries in DER ZEIT. Es gäbe eine Reihe von Fragen wie »Wie man am besten mit dem Kinderwagen Rolltreppe fährt oder auf Reisen ein kindgerechtes Ausflugsprogramm organisiert? Viele müssen da erst mal ihre eigene Mutter fragen, darauf bereitet auch die Erzieherinnen-Ausbildung nicht vor.» Das war Grund genug für de Fries im Januar 2012 eine Akademie für zukünftige Familienmanagerinnen auszurufen. In der Akademie für Familienpersonal, die übrigens nicht family manager academy, sondern nanny academy heisst und bislang lediglich Stellen für Nannys und Haushälterinnen ausschreibt, wird im Familienmanagement-Kursmodul beispielsweise Reisebegleitung von Familien, Tagesstrukturierung, Stressbewältigung und Konfliktlösung gelehrt. Hausfrauen und Mütter bzw. nicht eidgenössisch anerkannte Familienmangerinnen wären hier sicherlich auch gute Ratgeberinnen gewesen, zumindest hätten Sie sich die rund 4500 Franken Kursgebühren auf jeden Fall schon mal gespart.

Weiterführende Informationen für den Wiedereinstieg ins Berufsleben

  • Berufsverband der Familien-ManagerInnen: bfm-agf.ch
  • Beratungs-Netzwerk für Familie und Beruf: plusplus.ch
  • Fachstelle für Familien- und Erwerbsarbeit: und-online.ch
  • Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen: maenner.ch
  • Familienfreundliche Unternehmen bewerten und finden unter: jobundfamilie.ch

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