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Starke Babys: Selbstvertrauen von Anfang an

Schon Babys wissen ganz genau, was ihnen gut tut und was nicht. Sinnvoll ist es, sie aufmerksam zu beobachten und ihnen das zu geben, was sie benötigen. Buchautorin Rita Messmer ist überzeugt, dass Eltern, die den Signalen ihrer Babys trauen, massgeblich zu einem gesunden Selbstvertrauen beitragen.

Starke Babys: Selbstvertrauen von Anfang an
Wie Ihr Baby ein starkes Stelbstbewusstsein entwickelt, erfahren Sie im Interview mit Rita Messmer. Foto: iStock, Thinkstock

Frau Messmer, moderne Eltern wollen ihr Baby früh fördern, damit es optimale Startbedingungen hat. Wie können sie ihm genug beibringen?

Eltern müssen ihrem Baby nichts beibringen. Ein Baby hat von Natur aus alle Anlagen, die es braucht! Es entwickelt sich in den ersten drei Monaten seines Lebens umso besser, je weniger die Eltern sich einmischen. Deshalb reicht es zunächst, die natürlichen Entwicklungskräfte des Kindes zu nutzen. Jeder Säugling teilt seine Bedürfnisse mit.

Eltern sollen also darauf vertrauen, dass ihr Neugeborenes seinen Weg kennt?

Jeder weiss, dass ein Baby kurz nach der Geburt, wenn es auf dem Bauch der Mutter liegt, mit dem Mund die Brust erfasst und zu saugen beginnt. Genauso wird sich das Baby im ersten Jahr immer wieder naturgemäss verhalten. Es wird aufhören zu essen, wenn es genug hat. Es wird im Gesicht der Eltern forschen, wenn es etwas Neues auskundschaftet – es will schliesslich wissen, was sie davon halten. Sinnvoll ist es, das Baby aufmerksam zu beobachten und ihm genau das geben, was es wirklich benötigt.

Was ist es denn, was ein Baby von seinen Eltern braucht?

Ein Baby braucht von seinen Eltern Fürsorge und Zärtlichkeit. Eltern, die das Baby herumtragen, streicheln, massieren, liebevoll mit ihm sprechen und singen, vermitteln ihm die Software im allerbesten Sinne des Wortes. Das Baby speichert diese Software und kann sie jederzeit abrufen. Sie schafft eine gute Grundlage für einen kindlichen Weltbezug, der von Liebesfähigkeit, Intelligenz, Kreativität und Verständnis geprägt ist.

In ihrem Buch propagieren Sie die Möglichkeit, Kinder windelfrei aufwachsen zu lassen. Wie kann das funktionieren?

Es funktioniert! Völker in Afrika, Amerika und Asien, die ihre Babys traditionell auf dem Rücken tragen, lassen ihren Nachwuchs keineswegs auf den eigenen Körper pinkeln und suhlen. Das Baby signalisiert durch sein Verhalten der Mutter, dass es muss. Die Mutter schwenkt es schnell aus dem Tragetuch und hält es über den Wegesrand, wo es sein Geschäft erledigen kann. Der Grossteil der Menschheit braucht bis heute keine Windeln. Ich vermute aber, dass es der Westen eher schafft, unsere Windelkultur zu exportieren als von alten Völkern zu lernen.

Kann denn schon ein Baby seine Blase kontrollieren?

In vielen Elternratgebern wird darauf hingewiesen, dass frühes Reinlichkeitstraining unsinnig und schädlich sei. Ich gebe den Psychologen recht, wenn nicht rechtzeitig auf die natürlichen Instinkte des Kindes eingegangen wurde. Man sollte ein Kind nie zur Reinlichkeit zwingen! Aber es ist umgekehrt sicher falsch zu behaupten, ein Säugling könne seine Blase nicht kontrollieren. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir mit Windeln ein falsches Verhaltensmuster prägen und ein Baby geradezu trainieren und konditionieren, in die Windeln zu machen, was es dann später wieder mühsam umlernen muss.

Sollen Eltern also bereits ihrem Baby in vielen Lebensbereichen Selbstverantwortung übergeben?

Ja! Wir sollten aufhören, unseren Kindern im Weg zu stehen! Ein Baby braucht keine Windeln – es muss nicht so sehr bemuttert und umsorgt werden wie Eltern oft meinen. Kinder möchten eigene Erfahrungen machen und selbstständig sein. Schon Kleinkinder wollen, wenn sie hinfallen, selbst aufstehen. Sie haben es nicht gern, wenn man sie aufhebt und wieder auf die Beine stellt. Erst, was sie aus eigener Kraft und eigenem Antrieb schaffen, bereitet wirklich Befriedigung! Wenn wir unseren eigenen Beschützer-Instinkt und unsere Überbesorgtheit in den Griff bekommen, lernen Kinder, sich selbst durchzusetzen, stark zu werden und vertrauensvoll in die Zukunft zu schauen.

Dem Nachwuchs mehr zu vertrauen, bedeutet im Umkehrschluss, sich selbst weniger Sorgen zu machen.

Genau! Ein Baby kann mehr entscheiden als man denkt. Wenn es in der Nacht weint und man es beruhigen muss, empfiehlt es sich, ihm mitzuteilen: «Sag mir bitte, wenn du dich beruhigt hast und mich nicht mehr brauchst. Weisst du, ich bin auch müde und würde gern wieder zurück ins Bett gehen.» Diese Vorgehensweise fördert die Selbstständigkeit des Kindes von Anfang an. Gleichzeitig entlastet sie Eltern. Schon ein Säugling kann mit seinem Verhalten zeigen, dass er keinen Trost mehr braucht – er dreht sich oder seinen Kopf weg. Wer sich entschliesst, ihm zu vertrauen, kommt meistens schneller zurück ins Bett und wird nicht schon nach zwei Minuten wieder gerufen.

Geben Eltern damit nicht die Führung ab?

Auf keinen Fall! Die natürlichen Bedürfnisse von Kindern zu erfüllen und ihnen schon früh Verantwortung für viele Bereiche seines Lebens zu übertragen, entlastet Eltern keinesfalls von ihrer Führungsrolle. Im Tierreich gibt es kein einziges Beispiel, bei dem sich die Eltern nach ihren Jungen richten. Wieso sollten wir etwas anderes tun, als es im Tierreich der Fall ist, wo alles so überzeugend geregelt ist? Die Kleinen haben sich nach ihren Eltern zu richten und nicht umgekehrt. Eltern müssen ihren Kindern vorausgehen – Kinder wollen folgen! Gut also, wenn Eltern weniger durch Worte als durch Körpersprache einen Rahmen und Richtlinien vorgeben. Dann fühlen sich Kinder sicher und können sich voll entfalten.

Zur Person

Rita Messmer

Die Schweizer Therapeutin und Erwachsenenbildnerin Rita Messmer plädiert seit mehr als 20 Jahren in Seminaren, Kursen und Vorträgen für mehr Selbstbestimmung von Kindern. Mit der Windelfrei-Methode hat sie einen Ansatz entwickelt, der weltweit immer mehr Anhänger findet. Die Mutter von drei Kindern lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Bern am Murtensee.

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