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Fasnacht mit Jugendlichen: «Wir können nicht einfach das Trinken von Alkohol verbieten»

Fasnacht ist ein guter Anlass zum Feiern – das finden auch Jugendliche. Wie gern wollen sie sich mit Freunden ins Getümmel stürzen. Worauf Eltern achten können, damit der Spass nicht ausufert, hat uns Daniel Sollberger von der Jugendprävention der Polizei Basel-Stadt verraten.

Verkleidete Jugendliche liegen am Boden mit einem Glas Alkohol in der Hand und von Konfettis umringt.
Für viele Jugendliche ist Fasnacht ein Höhepunkt im Jahr. © DisobeyArt / iStock / Getty Images Plus

Gerade für Jugendliche ist die Fasnacht ein toller Anlass, um gemeinsam mit Freunden rauszugehen, die Kultur kennenzulernen und ohne elterliche Kontrolle zu feiern. Was man als Eltern tun kann, damit es bei einem schönen Anlass für die ganze Familie bleibt und welche Aufgabe die Jugend- und Präventionspolizei hat, haben wir beim Leiter der JPP  Basel-Stadt, Daniel Sollberger, nachgefragt.

Zur Person: Daniel Sollberger

Portraitfoto von Daniel Sollberger, Leiter Jugend- und Präventionspolizei Basel Stadt
© Daniel Sollberger

Daniel Sollberger leitet seit zwei Jahren das Ressort Jugend- und Präventionspolizei (JPP) in Basel-Stadt und ist bereits seit 20 Jahren im Polizeidienst. In seinem Alltag begegnen ihm viele Jugendliche, mit denen er viele Gespräche führt und sie über die Jahre hinweg begleitet.

Gerade die Jungen freuen sich auf die narrenfreie Zeit. Weshalb ist der Anlass so wichtig für sie?

Die Fasnacht ist ein Ort, an dem man frei unterwegs sein kann. Hier können die Jugendlichen aktiv an der Kultur teilnehmen und diese kennenlernen. Zwar gibt es kein spezielles Programm für sie, aber die vielfältigen Veranstaltungen bieten Gelegenheiten zum Treffen mit Freunden und Geniessen. Wenn sich das Kind für die Fasnacht interessiert, ist die aktive Teilnahme in einer Clique (Fasnachtsverein) eine tolle Möglichkeit, die Fasnacht in einem kontrollierten Rahmen zu erleben, da diese die Fasnacht geniessen wollen.

Einige Eltern befürchten, dass ihre Jugendlichen an der Fasnacht einfach an Alkohol gelangen können. Welche Tipps haben Sie für Eltern, dass ihre Jugendlichen sicher und verantwortungsbewusst an der Fasnacht teilnehmen können?

Das ist vom Kind abhängig und kann nicht an einem gewissen Alter festgemacht werden. Es gibt Jugendliche, die sind früher selbstständig und selbstbewusst, andere erst etwas später. Die Eltern sollten sich fragen, ob ihr Kind sicher genug ist, den Nachhauseweg kennt, und es bei brenzligen Situationen richtig reagiert – beispielsweise, wenn es von einer fremden Person angesprochen wird. Sehr wichtig ist, dass die Eltern den Dialog mit ihrem Kind suchen. 

Wie kann ein Gespräch mit dem Kind denn aussehen?

Der offene Dialog ist wichtig. Es ist ein Wechselspiel zwischen Vertrauen und Kontrolle. Die Regeln und Standards müssen bereits im Vorherein mit dem Kind zusammen klar definiert werden. Das macht es für Eltern und Kind einfacher. Wenn das Kind etwas will, ist es meistens auch bereit, Abmachungen gemeinsam mit den Eltern zu definieren. In dem Gespräch kann man auch darüber reden, welche Konsequenzen es gibt, wenn sich das Kind nicht daran hält. Eltern können das Kind fragen, wohin es gehen will. Für mich sehr wichtig ist die Frage: Mit wem bist du unterwegs – was ist das für eine Gruppe; darf ich das wissen oder ist es geheim? 

Die meisten Konflikte passieren wegen schlechten Gruppenkonstellationen.

Wieso ist es wichtig, mit wem das Kind unterwegs ist?

Die meisten Konflikte passieren wegen schlechten Gruppenkonstellationen. Denn wenn das Kind mit einer Gruppe von Freunden unterwegs ist, die es primär lustig zusammen haben wollen und aufeinander schauen, wird es keine Probleme geben. Die Gruppe wird dann auch zu einem Schutzfaktor. Will in der Freundesgruppe aber jeder cooler sein, als der andere, kann es passieren, das sich das hochschaukelt. So kann aus dem spassigen Werfen von Räppli (Konfetti), bei dem eine Orange nachgeschossen wird, die Situation schnell ernst werden, wenn die eine Person wütend wird und statt zu einer Orange zu einer Glasflasche greift – gerade bei erhöhtem Alkoholkonsum. 

Kommt das denn oft vor?

In Basel an der Fasnacht ist es lediglich eine kleine Gruppe Jugendlicher, die provozieren und Stress suchen. Auf die gesamte Menschenmenge ist dies ein sehr kleiner Teil. Wir haben zum Glück wenig Probleme mit Gewalt an der Fasnacht – obwohl es der grösste Anlass in der Stadt ist.

Wie reagiert man denn auf eine angespannte Situation am besten?

Auch wenn es gegen den eigenen Stolz geht: Am besten geht man dem Konflikt aus dem Weg. Denn in den Konflikt reingehen birgt immer ein Risiko. Die Polizei ist in der Stadt unterwegs, uns kann man jederzeit ansprechen. Wenn man Angst hat oder in Bedrängnis gerät, ist es wichtig die Polizei mit der Nummer 112 oder 117 anzurufen.

Welche Abmachungen können die Eltern mit dem jugendlichen Kind treffen, dass es sich sicher an der Fasnacht bewegen kann?

Das kann beispielsweise der Zeitpunkt für das Nachhausekommen sein, aber auch, wie und wie oft man mit dem Kind Kontakt haben möchte. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: Man kann sich darauf einigen, dass man sich stündlich kurz anruft oder auch auf dem Handy den Standort freigibt. Wichtig ist, dass man das mit dem Kind abspricht und es nicht heimlich überwacht. Wenn die Jugendlichen auch in der Nacht unterwegs sein möchten, ist es besser, wenn sie an belebten Plätzen sind. Die Eltern können auch anbieten, dass sie zu dieser Zeit gemeinsam unterwegs sind.

Kann man als Eltern denn auch Regeln bezüglich dem Alkoholkonsum festlegen?

Gegenüber Jugendlichen zu sagen, trink keinen Alkohol, ist nicht realistisch. Der richtige Umgang damit ist aber wichtig. Die meisten Eltern trinken selbst auch Alkohol und es ist in der Schweiz auch ein gewisses Kulturgut. Als Eltern soll man mit den Kindern offen über den Alkoholkonsum sprechen –  das ist zwar oft schwierig, denn die Kinder finden das nicht so toll. Neben der Vorbildfunktion ist das ein wichtiges Instrument, damit eine jugendliche Person eine Haltung entwickeln kann. 

Wie kann denn eine Abmachung bezüglich dem Alkoholkonsum aussehen?

Man kann zum Beispiel festlegen, dass die Jugendliche zwei oder drei alkoholische Getränke trinken dürfen, aber mehr nicht. Um den Grund verständlich zu machen, können Eltern erklären, was mit dem Körper passiert, wenn es zwei Shots innert kürzester Zeit trinkt und wie Alkohol wirkt. Auch die Vorbildfunktion spielt eine wichtige Rolle: Denn, wenn ich als Vater an die Fasnacht gehe und mich sinnlos betrinke und mich erbrechen muss, aber meinem Kind sage, es darf keinen Alkohol trinken, nehme ich diese Rolle nicht wahr. Wie sollen Jugendliche verstehen, wieso es bei mir OK ist, aber bei ihnen nicht?

Wie schaffen es Eltern, dass ihr Kind die Regeln ernst nimmt?

Beim Umgang mit Jugendlichen ist Fairness und die Kommunikation auf Augenhöhe mega wichtig. Das ist der Anspruch dieser Generation: Nur weil du älter bist und mehr Erfahrung hast, hast du nicht automatisch mehr Recht. Wenn man ihnen die Regeln und Verbote erklärt, verstehen sie diese auch. Mit einer Begründung, wieso sie beispielsweise keinen Alkohol trinken sollen, lernen sie auch zu verstehen und können bessere Entscheidungen treffen. Bei der heutigen Generation funktioniert die Erziehung der 1980er-Jahren, als noch autoritär bestimmt wurde, viel schlechter. Das fordert die Eltern heute viel mehr heraus.

Wenn man den Kindern die Regeln und Verbote erklärt, verstehen sie diese auch.

Sie arbeiten für die Jugendprävention – quasi die öffentliche Seite der Fürsorge. Was genau ist ihre Aufgabe?

Wir sind ein Team von acht Polizist:innen und alle drei Fasnachts-Tage in Zivil unterwegs. Das heisst aber nicht, dass wir inkognito sind, sondern wir sprechen die Jugendlichen direkt an und suchen den Austausch. Wir haben ein Auge auf sie, gerade auch auf Gruppen, die sich treffen und Seich machen – meistens mehr aus Leichtsinn und Blödsinn heraus. Wenn wir beispielsweise sehen, dass einer eine Larve (Maske) klaut, gehen wir der Person nach und sagen erst mal freundlich, dass das nicht geht. Wenn es die Situation aber erfordert, gehören auch Kontrollen und Repressionen dazu. Das heisst, dass wir den Fall der Jugendstaatsanwaltschaft melden.

Wie gehen Sie bei der JPP damit um, wenn Sie Jugendliche beim Alkoholtrinken sehen?

Gerade auf ganz junge Jugendliche haben wir einen besonderen Blick. Vom Gesetz her ist der Konsum von Alkohol zwar nicht verboten, doch wenn wir 12-jährige mit einer Flasche Vodka sehen, stellen wir diese sicher und verständigen die Eltern. Auch bei betrunkenen Jugendlichen werden die Eltern informiert und wir bringen die Jugendlichen nach Hause oder lassen sie abholen. 

Gibt es denn viele Jugendliche, die an der Fasnacht Alkohol konsumieren?

Meine subjektive Erfahrung zeigt mir, dass die Generation Z, aber auch die Alphas, die langsam in das Alter kommen, mit dem Alkoholkonsum vorbildlicher unterwegs sind, als es unsere Generation noch war. Vor etwa fünf Jahren musste ich öfters die Sanität anrufen, weil Jugendliche bewusstlos am Boden lagen. Heute gibt es das sogenannte Komatrinken viel weniger.

Wie gross sind die Probleme mit Drogen wie Marihuana?

Generell wird viel gekifft. Bei 13- und 14-jährigen beobachten wir zurzeit vermehrt das Vapen. Der Konsum ist nicht verboten, trotzdem informieren wir die Eltern darüber. Über den Zusammenhang zwischen psychischen Problemen und Medikamentenmissbrauch lässt sich nur spekulieren. Eine Pille kann schnell unbemerkt geschluckt werden – ihre Herkunft bleibt oft im Dunkeln. Generell ist der jungen Generation aber die eigene Gesundheit wichtiger geworden, was wir auch beim Konsum von Drogen und Alkohol sehen.

An der Basler Fasnacht fällt nur eine kleine Anzahl Jugendlicher negativ auf, was im Vergleich zur Gesamtmenge sehr wenig ist.

Was sollten Jugendliche an der Fasnacht sonst noch beachten, um Konflikte zu vermeiden?

Damit auch Jugendliche, die die Fasnachtskultur noch nicht so gut kennen, verstehen, müssen Eltern mit ihnen über deren Eigenheiten und Regeln reden. So wird man beispielsweise in Basel ohne Blaggedde (Plakette) gestopft – ohne Räppli kommt man sowieso nicht durch die Fasnacht. Was oft zu Konflikten führt, ist das fehlende Verständnis, dass während diesen Tagen die Strassen den aktiven Fasnächtlern gehören. Diese brauchen ihren Platz, um zu marschieren und sie reagieren teilweise sehr rabiat und schieben die Leute auf die Seite. Das alles gehört zur Basler Fasnacht dazu, weshalb Jugendliche nicht wütend werden sollten.

Was sind die schönsten Erlebnisse, die Sie mit der JPP an der Fasnacht erfahren durften?

Es gibt viele Kinder, die in dem Trubel ihre Eltern verlieren. Das sorgt für grosse Panik auf beiden Seiten. Wir helfen ihnen, ihre Eltern wiederzufinden. Doch es gibt auch schwierige Jugendliche, die an der Fasnacht unterwegs sind und diese eigentlich geniessen wollen. Sie lassen sich dann aber zu Dummheiten hinreissen. Wenn wir sie sehen, gehen wir in die Menge und sprechen sie an. Das wirkt ungemein und deeskaliert die Situation. Aus diesen Begegnungen entsteht über die Jahre eine Art Beziehung zu den Jugendlichen. So kam es schon öfters vor, dass Jugendliche, die üblen Seich gemacht haben, sich jetzt als Erwachsene bei mir bedanken. Da merke ich, da hat es sich gelohnt, Zeit zu investieren.

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