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Warum finnische Babys in Kartonboxen schlafen

Der finnische Staat schenkt seit bald 80 Jahren frischgebackenen Müttern eine Kartonbox. Diese Box ist eine Art Einsteigerpaket, die Kleider, Tücher und Spielwaren für das Neugeborene enthält. Die Babybox ist in der Finnischen Kultur mittlerweile ein fester Bestandteil des Mutterwerdens geworden.

Ein Kind schläft in der Kartonbox
 Ein für Schweizer Eltern eher ungewöhnliches Bild: Ein Neugeborenes schlummert friedlich in einer Kartonbox. Bild: The Baby Box Co.

Wer in Finnland ein Baby erwartet, bekommt eine Kartonbox vom Staat geschenkt. Darin hat es Strampler, Outdoor-Kleidung, Badeprodukte für das Baby sowie Windeln, einen Schlafsack und Bettwäsche. Die werdenden Mütter entscheiden, ob sie die Babybox oder Bargeld möchten – die meisten wählen die Box, da sie einen höheren finanziellen und emotionalen Wert hat als die ausgezahlte Summe.

Die Tradition der Babybox reicht bis in die 1930er-Jahre zurück. Die ursprüngliche Idee war, dass jedes Kind, unabhängig von seinem finanziellen Hintergrund, einen gleichberechtigen Start ins Leben erhält. In den Anfängen erhielten die Box nur bedürftige Familien. Die Bestimmungen wurden im Jahr 1949 geändert, um allen werdenden Eltern einen reibungslosen Start mit ihrem Säugling zu ermöglichen. Mit der neuen Gesetzgebung gab es aber eine Verpflichtung: Um die Babybox zu erhalten, mussten Mütter einem Arzt oder einer pränatalen Klinik vor der vierten Schwangerschaftswoche einen Besuch abstatten. Dadurch wurden Frauen nicht nur mit den nötigen Utensilien für ihr Baby versorgt, sondern auch für die Betreuung durch Ärzte und Krankenschwestern während der Schwangerschaft gesorgt.

Ein Schlafplatz der anderen Art

Die Kartonbox hat aber noch eine andere Funktion, als Strampler und Windeln zu transportieren: Das Paket enthält auch eine Matratze, die auf den Boden der Box gelegt werden kann. So verwandelt sich die Transportbox in einen kuschligen Schlafplatz für Neugeborene. Somit verbringen viele finnische Kinder aus allen sozialen Schichten ihre ersten Nächte in diesen vier Kartonwänden. Panu Paluma, Professor für Finnische und Nordische Geschichte an der Universität von Helsinki, erklärte in einem Interview gegenüber der britischen BBC, dass die Babybox dazu beigetragen hatte, dass Babys nicht mehr im gleichen Bett wie ihre Eltern schlafen.

In der 1930er Jahren war Finnland ein armes Land und die Kindersterblichkeit dementsprechend hoch – von 1000 Kindern starben im Schnitt 65. Nach der Einführung der Babyboxen verbesserten sich die Sterberaten von Säuglingen. Mika Gissler, Professor am nationalen Institut für Gesundheit und Sozialstaat in Helsinki, teilte dem BBC Magazin mit, dass er in der sinkenden Kindersterblichkeit mehrere Gründe sieht: Die entscheidenden Anfänge machten die Babybox und die ärtzliche Betreuung der Schwangeren vor der Geburt. Doch auch das damals neu eingeführte nationale Krankenversicherungssystem und ein zentralisiertes Spitalnetzwerk in den 60ern verbesserte die Überlebenschance für die Neugeborenen.

Andere Zeiten, andere Sitten

Inhalt einer Finnischen Babybox
  Babykleidung, Windeln, Bettlaken: Die Babybox enthält alles Nötige für ein Neugeborenes. Bild: zVg/ Finnish Baby Box

Der Inhalt der Box hat sich über die Jahre stark verändert: In den 30er- und 40er-Jahren enthielt sie Stoff, denn damals nähten viele Mütter die Babykleider selbst. Während des zweiten Weltkrieges jedoch hatte das Verteidigungsministerium einen erhöhten Bedarf an Baumwolle, deshalb wurde ein Teil des Materials durch Bettwäsche aus Papier und Wickeltücher ersetzt. 1968 fanden Eltern das erste Mal einen Schlafsack in der Babybox und ein Jahr später folgten wegwerfbare Windeln. Diese wurden aber aus Umweltgründen um die Jahrhundertwende wieder durch Stoffwindeln ersetzt.

Wie Panu Paluma weiter sagt, wollte der Finnische Staat Mütter vermehrt zum Stillen bringen und entfernte deshalb ab einem gewissen Zeitpunkt Babyflaschen und Nuggis aus der Box. Die Aktion war erfolgreich und erhöhte die Stillrate bei Müttern. Auch das Beilegen eines Bilderbuches habe einen positiven Effekt gehabt, da es den  Kindern einen erleichterten Zugang zu Büchern verschaffe und sie in späteren Jahren vermehrt zum Lesen anrege.

Die Box ist aus der finnischen Kultur nicht mehr wegzudenken und ist für viele ein Symbol der Gleichberechtigung und der Wertschätzung von Kindern geworden.

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