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Nahrungsergänzungsmittel für Jugendliche: Sinnvoll oder unnötige Geldmacherei?

Sobald Teenies selbst entscheiden können, was auf ihren Teller kommt, greifen sie oft lieber zu Pommes und Co. statt zu gesundem Gemüse. Da ist es nachvollziehbar, dass manche Eltern ihren Kindern Vitamine und Spurenelemente als Nahrungsergänzungsmittel verabreichen wollen. Doch sind diese tatsächlich nützlich – oder können sie gar schaden?

Nahrungsmittelergänzung für Jugendliche
Der Wunsch, schnell Muskeln aufzubauen, kann Jugendliche zu einem unkritischen Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln verleiten. Bild: lulian Valentin/iStock, Thinkstock.

Der Markt mit Nahrungsergänzungsmitteln boomt. Produkte wie Vitamin-Tabletten, isotonische Sportgetränke, Protein-Shakes oder probiotische Milchdrinks sind vor allem unter Jugendlichen beliebt. Laut einer 2015 von der Gesundheitsförderung Schweiz durchgeführten Studie zum Thema Körperbild nehmen 13 Prozent der jugendlichen Jungen Nahrungsergänzungen zu sich.

Doch brauchen Jugendliche wirklich künstliche Vitamine und Mineralstoffe? «Nein», findet Sabine Oberrauch, Projektmitarbeiterin und Fachberaterin der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE). «Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung gewährleistet eine ausreichende Versorgung an Nährstoffen.» Als Nahrungsergänzungsmittel gelten laut dem Eidgenössischen Departement des Inneren (EDI) Erzeugnisse, die «Vitamine, Mineralstoffe oder sonstige Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung in konzentrierter Form enthalten und zur Ergänzung der Ernährung mit diesen Stoffen dienen». Diese Mittel sind als Kapseln, Flüssigkeit oder Pulver auf dem Markt erhältlich.

Nahrungsergänzungsmittel für Jugendliche nicht notwendig

Vor allem sportliche Jungen sind Punkto Notwendigkeit dieser Mittelchen oft anderer Meinung als die Expertin. Sie hoffen, mit Hilfe von Nahrungsergänzungsmitteln schneller Muskeln aufbauen zu können. «Zwar steigt bei intensiver sportlicher Aktivität der Energiebedarf. Doch dieser kann mit einer ausgewogenen Ernährung abgedeckt werden», sagt Sabine Oberrauch. Spezielle Sportlerprodukte wie zum Beispiel Eiweisspulver, Energieriegel, Vitamin- und Mineralstofftabletten seien nicht nötig. Im Gegenteil, sie könnten sogar eine unerwünschte Belastung für den Stoffwechsel darstellen. «Freizeitsportler brauchen auch keine spezielle Kost, wie zum Beispiel Produkte mit einer Extraportion Eiweiss.» Wichtig sei stattdessen, dass sich Jugendliche ausgewogen und abwechslungsreich entsprechend der Schweizer Lebensmittelpyramide ernähren.

Lebensmittelpyramide
Die Lebensmittelpyramide der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. Bild: pd/SGE.

Auch die Swiss Sports Nutrition Society (SSNS) hat eine spezielle Lebensmittelpyramide für Sportlerinnen und Sportler entwickelt. Die SSNS ist ein 2014 gegründeter Verein, in dem sich wissenschaftlich tätige Fachleute austauschen und Informationen zum Thema Sporternährung bereitstellen.

Lebensmittelpyramide
Lebensmittelpyramide für Sportlerinnen und Sportler. Bild: pd/SGE.

Wenn Jugendliche zu wenig Obst und Gemüse essen

Was aber, wenn Jugendliche wenig oder fast gar kein Obst oder Gemüse essen? «Alle Lebensmittelgruppen, nicht ausschliesslich Obst und Gemüse, liefern wichtige Nährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe», beruhigt Oberrauch. Eltern, die unsicher sind, ob ihr Kind alle Nährstoffe bekommt die es braucht, finden Hilfe bei einer Ernährungsberatung. Auch der Arzt kann über ein Blutbild herausfinden, ob das Kind gut mit Vitalstoffen versorgt ist.

Veganer brauchen unter Umständen Nahrungsergänzungsmittel

«Nahrungsergänzungsmittel für Jugendliche sind dann sinnvoll, wenn sie bei einem ausgewiesenen Mangel gezielt eingesetzt werden», erklärt Oberrauch. Wenig Sonnenlicht und eine vegane Lebensweise können zum Beispiel Ursachen für eine Mangelversorgung sein.

Vegane Ernährung:

Eine einschränkende Ernährungsweise wie bei Veganern gibt Nahrungsergänzungsmitteln eine Daseinsberechtigung. «Jugendliche, die streng vegan leben, nehmen mit ihrer Ernährung kein Vitamin B12 auf. Das muss zwangsläufig ergänzt werden», so Sabine Oberrauch.

Wenig Sonnenlicht:

Für Jugendliche, die im Winter nur wenig an die frische Luft kommen, kann eine Vitamin D-Ergänzung zum Beispiel mit angereicherten Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll sein. Vitamin D ist ein Hormon, das zu 80 bis 90 Prozent durch den Einfluss der UV-B-Strahlung im Sonnenlicht auf der Haut gebildet und nur geringfügig über die Nahrung aufgenommen wird. «Ob eine Ergänzung notwendig ist, muss im Arztgespräch geklärt werden», sagt Oberrauch. Denn komme es über längere Zeit zu einer anhaltenden Überdosierung, könnten gesundheitliche Risiken wie zum Beispiel Elektrolytstörungen durch einen erhöhten Calcium-Spiegel im Blut oder Nierensteine entstehen.

Nahrungsergänzungsmittel für Jugendliche können schaden

Das breite Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln kann Jugendliche zu einem unkritischen Konsum veranlassen. Die Swiss Sports Nutrition Society zitiert zu diesem Thema Ron Maughan, Direktor des Sports Nutrition Diploma des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Er sagt dazu: «Wenn ein Supplement wirkt, ist es vermutlich verboten. Wenn es nicht verboten ist, wirkt es vermutlich nicht.» Der Verein macht weiter darauf aufmerksam, dass

  • der versprochene Nutzen oft nicht wahr ist
  • die Mittel oft eine Verschwendung von finanziellen und zeitlichen Ressourcen ist
  • und dass die Supplemente aufgrund falschen Einsatzes leistungsmindernd sind.

«Die gesundheitlichen Konsequenzen sind noch nicht vollumfassend geklärt», sagt Sabine Oberrauch. Sie schliesst nicht aus, dass sich eine dauerhafte Überdosierung – je nach Nährstoff – negativ auf die Gesundheit auswirkt. «So kann ein dauerhaftes Zuviel an Proteinen die Nieren belasten», erklärt sie.

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