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Mit kleinen Schritten zum Erfolg: Frühförderung für Kinder aus sozial benachteiligten Familien

Die ersten Lebensjahre sind entscheidend für den Erfolg im Leben. Damit auch fremdsprachige Kinder aus sozial benachteiligten Familien einen erfolgreichen Start in die Spielgruppe, den Kindergarten und die Schule haben, wurde das Lern-und-Spielprogramm «schritt:weise» entwickelt. Wie diese Frühförderung umgesetzt wird, zeigt die Gemeinde Wallisellen.

Eine Hausbesucherin gibt Frühförderung im Programm schhritt:weise.
Das Programm schritt:weise fördert Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Die Winterthurer Hausbesucherin Sadije Latifi zeigt dem dreijährigen Jomar eine Übung mit Zeitungsseiten. Foto: a:primo und Stimme Q

Wenn Jana Vankova von den beiden Brüdern Leon* und Ben* erzählt, wirkt selbst sie überrascht: «Ich habe ihnen aus dem Buch „Das rote Töpfchen“ vorgelesen», erklärt die ehemalige Primarlehrerin, «sie waren sehr aufmerksam und haben sich in Ruhe die Bilder angeschaut.» Mit ebenso viel Geduld klebten sie anschliessend mit ihr blaue Papierschnipsel zu einer Collage zusammen. Dass die beiden so motiviert sind, ist nicht selbstverständlich für Jana Vankova. In manchen Familien muss sie mehr Überzeugungsarbeit leisten.

Jana Vankova ist eine von drei Hausbesucherinnen im Spiel- und Lernprogramm «schritt:weise» der Gemeinde Wallisellen bei Zürich. Jede Woche besucht sie den zweijährigen Leon und den vierjährigen Bruder Ben für eine halbe Stunde. Sie spielt mit ihnen, bastelt oder liest eine Geschichte vor. Die Mutter der beiden Buben ist immer dabei. Sie wird von der Hausbesucherin angeleitet, wie sie Spielsituationen mit ihren Kindern gestalten und die Entwicklung ihrer Kinder spielerisch fördern kann.

Jana Vankova und Marie-Therese Ettlin arbeiten für das Frühförder-Projekt schritt:weise.
Jana Vankova und Marie-Therese Ettlin besprechen regelmässig, wie sich die Familien entwickeln. Foto: Zimmerling

«Beim nächsten Besuch, solltest du die Mutter vorlesen lassen», empfiehlt Marie-Therese Ettlin, Koordinatorin des Projekts, während der wöchentlich stattfindenden Anleitungssitzungen Jana Vankova. Die Hausbesucherin dokumentiert ihre Beobachtungen nach jedem Besuch und bespricht diese regelmässig mit Marie-Therese Ettlin.

Frühförderung für sozial benachteiligte Familien

Das präventive Frühförderprogramm «schritt:weise» unterstützt Familien mit eineinhalb bis vierjährigen Kindern in der Erziehung. Ziel ist es, die Erziehungskompetenzen der Eltern zu stärken und den Eltern Möglichkeiten zu zeigen, ihre Kinder in der Entwicklung zu fördern. Der Verein «a:primo» hat das ursprünglich aus den Niederlanden stammende 18-monatige Programm 2007 in die Schweiz geholt, angepasst und bietet es nun Trägerschaften in Städten und Gemeinden an. Seither haben über 700 Kinder an 19 Standorten in der Schweiz teilgenommen.

In Wallisellen wird «schritt:weise» schon zum dritten Mal für Familien mit Kindern zwischen anderthalb und drei Jahren angeboten. Insgesamt 14 Familien nehmen diesmal teil. «Diese Familien leben häufig isoliert», sagt die Koordinatorin Marie-Therese Ettlin. Über Fachpersonen wie Kinderärzte, Mütter- und Väterberaterinnen, Spielgruppenleiterinnen und Kindergärtnerinnen wird die Sozialpädagogin auf die Familien aufmerksam. «Ohne die externe Unterstützung würden die Kinder zu wenig altersentsprechend gefördert und unterstützt.»

Hausbesuche sind das Herzstück

Das Herzstück des Programms sind die Hausbesuche. Sie finden jede Woche, später alle 14 Tage statt. Die Hausbesucherinnen haben selbst einen Migrationshintergrund. So wie Jana Vankova, die vor sechs Jahren aus der Tschechischen Republik in die Schweiz kam. Die Hausbesucherin bringt extra für das Programm entwickeltes Spielmaterial und dazu passende Anleitungen für die Familie mit. Dafür bezahlen die Familien einen monatlichen Beitrag von 15 Franken. Am Anfang spielt die Hausbesucherin mit den Kindern, nach neun Monaten übernehmen die Eltern die aktive Rolle.

Neben den Hausbesuchen, gibt es alle 14 Tage ein Gruppentreffen, bei dem die Familien zusammenkommen und soziale Kontakte knüpfen. Die Kinder können gemeinsam spielen, während die Eltern mehr über Erziehungsthemen wie «Grenzen setzen» oder Gesundheitsthemen wie «ausgewogene Ernährung» erfahren. Später wird ein gemeinsames Znüni zubereitet.

Gelungene Frühförderung

Mit dem Programm konnte die Gemeinde Wallisellen, die «schritt:weise» finanziert, viel bewegen. Die Eltern hätten weniger Angst, etwas spielerisch mit ihren Kindern auszuprobieren, hat die Hausbesucherin Jana Vankova beobachtet. Sie konnten darüber hinaus soziale Kontakte knüpfen. Zudem würden die Familien eher auf die Angebote der Gemeinde aufmerksam: Sie besuchen beispielsweise Elternbildungskurse oder die Begegnungs- und Bildungsangebote in Wallisellen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch das Marie Meierhofer Institut für das Kind, das das Programm zwischen 2008 und 2011 wissenschaftlich begleitete. «Die Niederschwelligkeit und Flexibilität des Programms scheint ein wirksamer Weg zu sein, weniger privilegierte Familien und ihre Kinder zu unterstützen und dadurch einen Beitrag zur Chancengleichheit zu leisten», heisst es in einem Zwischenbericht. Die Eltern konnten ihre Erziehungskompetenz verbessern, was wiederum einen positiven Einfluss auf die Eltern-Kind-Beziehung habe, bilanziert der Verein «a:primo». Die Mütter und Väter beschäftigten sich häufiger und teilweise auf eine andere, bewusstere Art mit ihren Kindern. Die Kinder würden durch das Programm «schritt:weise» in ihrer motorischen, sprachlichen, sozialen und emotionalen Entwicklung gefördert. Weil das Programm so erfolgreich läuft, wird es auch im nächsten Jahr in Wallisellen fortgeführt.

*Namen von der Redaktion geändert

Weitere Informationen zum Projekt «schritt:weise» gibt es unter www.a-primo.ch

 

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