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Tagesfamilie: Wie Tagesmütter den Alltag mit den Kindern erleben

Wie geht es in einer Tagesfamilie zu? Zwei Tagesmütter berichten aus ihrem spannenden Alltag mit den Kindern: Fabienne Rogenmoser aus dem kleinen Dorf Alosen in Oberägeri im Kanton Zug und Inga Küpfer aus Zürich.

Ein ganz normaler Familienalltag: Inga Küpfer und Fabienne Rogenmoser sind Tagesmütter.
Inga Küpfer und Fabienne Rogenmoser sind Tagesmütter und leben in der Tagesfamilie einen ganz normalen Alltag mit den Kindern. Bilder: Privat

«Begleiterin auf einem kleinen Stück Weg»

Inga Küpfer aus Zürich ist eigentlich gelernte Hotelbetriebswirtin, arbeitete als Hotelleiterin und als Bankettleiterin. Doch als frisch gebackene Mutter stellte sie schnell fest, dass es sehr schwer sein kann, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Mehr und mehr reduzierte sie ihre Arbeitszeiten und bewarb sich schliesslich bei der Stiftung GFZ, die Tagesmütter anstellt und vermittelt. Doch es dauerte, bis sie ein Angebot bekam. Erst seitdem vor zwei Jahren ihr zweiter Sohn geboren ist, arbeitet sie als Tagesmutter, eine Arbeit, die sie ganz besonders liebt.

Tagesfamilien: Ein Leben im Spielzeugladen

Wenn Inga Küpfer die Wohnung verlässt, springen oft viele Kinder um sie herum. Denn sie betreut neben ihren beiden Söhnen fünf Tageskinder. Die grosse Tagesfamilie stellt ihre Wohnung manchmal ziemlich auf den Kopf. «Mein Mann sagt immer: Juhuu, ich wohne in einem Spielzeugladen», lacht die 38-Jährige. «Zum Glück trägt er meine Arbeit voll und ganz mit.» Die Unterstützung ihrer Familie ist ihr wichtig. «Wenn mein grosser Sohn nicht so toll mit den jüngeren Kindern umgehen würde, könnte ich den Job nicht machen.» Er hat sein eigenes Zimmer, in dem er Chef sein darf. «Für die Kleinen ist das Zimmer ohnehin tabu, weil dort viele Spielzeug-Kleinteile sind.»

Ein natürlicher Lebensstil 

Einen grossen Teil des Tages verbringt Inga Küpfer ohnehin draussen, wo ein einladender Innenhof und ein weitläufiger Spielplatz auf die Kinder warten. Oft geht es auch zum Schrebergarten, wo Inga Küpfer Obst und Gemüse anbaut. Regen schreckt sie in der Regel nicht ab. Sie ist ein Naturmensch. «Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Ich weiss, wie es sich anfühlt, mit den Händen in der Erde zu wühlen.» Und so lernen die Kinder ganz selbstverständlich von Inga Küpfer, wie glitschig eine Schnecke über die Hand gleitet und wie kitzelig ein Tausendfüssler über die Hand krabbelt. «Und wir sammeln Stöcke und pflücken Blumen.» Ein natürlicher Lebensstil liegt ihr am Herzen. So kommen zum Mittagessen ausschliesslich Bio-Lebensmittel auf den Tisch.

Tagesmütter lernen von den Kindern

«Ich bin Begleiterin der Kinder auf einem kleinen Stück ihres Weges», so sieht Inga Küpfer ihre Rolle. «Und dabei gebe ich den Kindern einen Teil meiner Erfahrungen und meines Wissens mit.» Aber sie lernt auch von den Kindern. «Ich liebe es, jeden Tag mit ihnen etwas Neues zu erleben. Sie nehmen mich mit auf die Reise in die Welt. Sie machen mich auf Geräusche und Gerüche aufmerksam, die ich aus einer Höhe von 1,83 Metern schon gar nicht mehr wahrnehme. Tagesmutter ist ein vielseitiger, bereichernder und dankbarer Beruf.» Ihre Arbeit macht Inga Küpfer so viel Freude, dass sie beruflich weiter in die Richtung gehen will. Sie plant, sich in ein bis zwei Jahren zur Kindererzieherin HF (Höhere Fachschule) ausbilden zu lassen. Und sie ist froh, dass ihr Arbeitgeber, die Stiftung GFZ, sie dabei unterstützen will.

Eine herausfordernde Arbeit

Besonders wohl fühlt sich Inga Küpfer, wenn sie viele Kinder um sich herum hat. «Ab drei Kindern wird eine Tagesfamilie erst richtig interessant», findet sie. «Bei zwei Kindern flimmert manchmal die Luft. Ab drei Kindern bin ich oft recht beschäftigt.» Manchmal ist ihre Arbeit auch herausfordernd. Zum Beispiel, wenn die kleinen Gemüter sich nicht zusammenbringen lassen wollen. Oder wenn die Eltern besondere Wünsche für ihr Kind haben, die aber nicht in den Alltag der Tagesfamilie passen oder von anderen Kindern als ungerecht empfunden werden könnten. Oder wenn es gilt, ein Kind, das man ins Herz geschlossen hat, loszulassen. Wie zum Beispiel den kleinen Jungen, der bei Inga Küpfer viel Deutsch lernte, bevor er mit seinen Eltern nach Norwegen zog. «Du bist jetzt bereit für ein neues Abenteuer», hat Inga Küpfer ihm gesagt.

«Kinder müssen sich gebraucht fühlen»

Um 6.30 Uhr beginnt der Arbeitsalltag von Fabienne Rogenmoser, Mutter eines elfjährigen Sohns und eines siebenjährigen Pflegesohns. Dann empfängt die 39jährige die ersten Tageskinder zwischen drei Monaten und zwölf Jahren im kleinen Dorf Alosen in Oberägeri im Kanton Zug. «Wir frühstücken in Ruhe zusammen, anschliessend putzen wir die Zähne», so beginnt sie, den Tagesverlauf der Tagesfamilie zu schildern. «Und sobald die Grossen in die Schule gehen, mache ich mich mit den Kleinen auf den Weg mit dem Hund über die Felder und in den Wald.» Anschliessend steht Gartenarbeit an. «Dabei holen wir aus dem Garten, was wir für das Mittagessen brauchen», berichtet die Tagesmutter. Wer keine Lust hat, im Garten zu helfen, vergnügt sich während dessen im Sandkasten, auf der Rutsche, der Schaukel oder einem der vielen Kinder-Fahrzeuge. Am Nachmittag geht es ein weiteres Mal mit dem Hund hinaus. Darüber hinaus steht für Fabienne Rogenmoser Hausaufgabenbetreuung an. «Das ist mich die anstrengendste Zeit am Tag. Aber es ist schön, manches Wissen wieder aufzufrischen», freut sie sich.

Helfen in der Küche gehört dazu

Der Verlauf des Tages zeigt, was Fabienne Rogenmoser bei ihrer Arbeit als Tagesmutter wichtig ist. «Die Kinder durchleben in unserer Tagesfamilie einen ganz normalen Familienalltag. Und während wir zusammen diesen Alltag leben, lernen sie ganz selbstverständlich dazu.» So setzen die Kinder im Garten Karotten und Salate und schnibbeln in der Küche Gurken und helfen so aktiv im Haushalt mit. «Kinder müssen sich gebraucht fühlen!», findet Fabienne Rogenmoser. «Dann fühlen sie sich wichtig und wohl.» Zum Wohlfühlen gehört ihrer Meinung nach auch, viel draussen zu sein. «Ich sage den Eltern immer, zieht euren Kindern Sachen an, die dreckig werden und kaputt gehen dürfen. Bei mir können sich Kinder auch mal in eine Pfütze setzen. Kinder sollen ihre Erfahrungen machen dürfen!»

Immer Spielkameraden zu Hause

Den Beruf hat sich Fabienne Rogenmoser vor zehn Jahren ausgesucht, weil er die Arbeit zu Hause ermöglicht. Nach einem Einführungskurs und einem Kindernothelferkurs wurde sie Tagesmutter bei der Kinderbetreuung Zug, kurz «Kibiz» genannt. «So kann ich bei meinen Kindern bleiben», sagt sie. Dass sie mit ihrer Arbeit eher wenig Geld verdient, stört sie nicht, denn der Sohn und der Pflegesohn freuen sich über die grosse Tagesfamilie. «Jedes halbe Jahr frage ich nach, ob meine Arbeit für sie noch stimmt.» Bislang ist das der Fall. Sie geniessen es, zum Mittagstisch nach Hause kommen zu können – und zu Hause immer Spielkameraden zu finden.

Gemeinsam spielen macht viel Spass. Streit gehört dazu. Fabienne Rogenmoser: «Da darf es von mir aus auch ruhig mal laut werden, das wird es bei uns Erwachsenen ja auch, wenn wir Konflikte austragen.» Wird ein Streit aber doch sehr gross, kennt die Tagesmutter ein gutes Rezept. «Dann machen wir einen zusätzlichen Spaziergang mit dem Hund. Der freut sich immer über Bewegung. Und wenn die Kinder sich draussen ausgetobt haben, ist der Streit längst wieder vergessen.»

Tagesfamilie - eine Entscheidung für Jahre

«Im ersten Gespräch mit den Eltern ist es wichtig, über gegenseitige Erwartungen zu sprechen», weiss die Tagesmutter. So lasse sich früh herausfinden, ob die Chemie stimmt. Ein weiteres Kind in die Tagesfamilie aufzunehmen, sei schliesslich oft eine Entscheidung für Jahre. Dennoch treten manchmal Reibungspunkte auf. Zum Beispiel, wenn es unter den Kindern Streit gab. «Meist sind Nachfragen der Eltern schnell geklärt», berichtet Fabienne Rogenmoser. «Und wenn es ausnahmsweise gilt, etwas Grundsätzlicheres zu besprechen, hilft die Vermittlerin vom Kibiz eine Lösung zu finden.»

«Die Eltern schätzen die private Betreuung. Ich kann auf jedes Kind individuell eingehen», berichtet Fabienne Rogenmoser. «Nur wenn alle Kinder in unserer Tagesfamilie sind, wie zum Beispiel in den Ferien, muss ich mal sagen: Moment, jetzt bin ich hier, gleich komm ich zu dir.»

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