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Ausstieg aus dem Machtkampf: Kommunizieren auf Augenhöhe

Wann hatten Sie das letzte Mal einen dieser kleinen Machtkämpfe mit Ihrem Kind? Als Eltern erzeugen wir schnell und unbewusst Druck. Das muss nicht sein. Familienberaterin Maya Risch erklärt, wie Sie solche Konflikte auch anders lösen können. Für mehr Familienfrieden und weniger Verlierer im Familienalltag.

Konflikte müssen nicht immer in Machtkämpfen enden, denn es geht auch anders.
Kommunizieren auf Augenhöhe bringt mehr Familienfrieden. Bild: MStudioImages, Getty Images

Machtkämpfe hinterlassen in erster Linie Verlierer. Sie tun keiner Beziehung gut. Obwohl wir das eigentlich alle wissen, schlittern wir doch immer wieder unvermittelt in Machtkämpfe, gerade als Eltern.

Und dann stecken wir darin fest. So erging es auch mir, als mein Sohn vor einiger Zeit seine nassen Badesachen in der Schule vergessen hatte. Ich verlangte: «Geh bitte die Sachen im Schulhaus holen!» Er weigerte sich: «Nein!» Ich: «Ganz sicher gehst Du jetzt und holst sie!»Schon waren wir in einen Machtkampf verstrickt. Druck erzeugt Gegendruck. Beide kämpften immer lauter und mit viel Kraft verbissen für das eigene Ziel, ohne einander richtig zuzuhören. Die Stimmung verschlechterte sich und eine konstruktive Lösung unseres Konflikts war unmöglich geworden.

Das Ziel: keine Verlierer

Aus einem Machtkampf auszusteigen ist sehr schwierig, weil wir den Ausstieg als Niederlage erleben. Das eigene Ziel mittendrin aufzugeben, fühlt sich nicht nur für ein Kind, sondern auch für uns Erwachsene fast unmöglich an. Ich fühle mich in solchen Momenten wie gefangen, als ob ich keine Wahl mehr habe.

Umso mehr stellt sich die Frage, ob und wie wir aus solchen Kämpfen herausfinden können, ohne uns als Verlierer zu fühlen oder andere zu verletzen.

Ich habe inzwischen einen Weg gefunden, der für mich oft funktioniert, sofern ich einen guten Tag habe. Wenn ich wahrnehme, dass ich in einen Machtkampf geraten bin, halte ich kurz inne und sage: Ich merke, dass wir beide miteinander kämpfen. Ich will gar nicht mit dir kämpfen. Lass uns später reden. Dann kann ich wieder richtig zuhören. Vielleicht finden wir dann eine Lösung.»

Nach Lösungen suchen – ohne Druck

Gelingt es mir so, den Druck wegzunehmen und auszusteigen, kann auch das Kind aufhören zu kämpfen. Der Konflikt ist damit zwar noch nicht gelöst, aber niemand fühlt sich als Verlierer und wir können wieder in Beziehung zueinander treten. Manchmal kommt dann vom Kind auf einmal ein konstruktiver Vorschlag. In unserer Situation mit den Badesachen konnte ich meinem Sohn später sagen, warum es mir wichtig war, dass er seine Badetasche heute noch holt, und er konnte mir sagen, warum er das gerade jetzt nicht will. Wir einigten uns dann darauf, dass er sie am nächsten Tag nach Hause bringt. Sollte er das vergessen, wird er nochmals hingehen, um sie zu holen. Das war dann nicht nötig, da er die Sachen zuverlässig nach der Schule nach Hause brachte und auspackte.

Ein gutes Familienklima verhindert Machtkämpfe

Im Familienalltag können wir natürlich auch allgemein einiges tun, um ein Familienklima zu schaffen, in dem wir seltener in Machtkämpfe geraten.

Wenn Kinder sich die meiste Zeit über ernst genommen und gesehen fühlen, brauchen sie nicht mehr dafür zu kämpfen, um das zu erreichen. Dann ist es viel einfacher, im Konflikt aufeinander zuzugehen und einen Kompromiss zu finden.

Unsere Haltung und unser Ton, also WIE wir etwas tun und sagen, löst beim Gegenüber unterschiedlich grosse Kampflust aus.

Wenn ich meinem Kind einen Befehl erteile, es kritisiere oder gar kränke, wecke ich sofortigen Widerstand. Das Kind wehrt sich dann nicht gegen den Inhalt, sondern gegen die Art und Weise, wie ich mit ihm umgehe.

Kommunikation auf Augenhöhe

Kinder wollen nicht herumkommandiert werden. Sie wollen, dass wir ihnen auf Augenhöhe begegnen und sie klar und freundlich auffordern, statt unsere Macht einzusetzen. Wenn wir sie nicht drängen, sondern fragen: «Wann kannst du es denn tun?» oder «Sag mir, sobald Du bereit bist.» hilft das ebenfalls, einen Weg ohne Machtkampf zu finden.

Damit will ich nicht sagen, dass Kinder dann immer tun, was wir von ihnen verlangen. Es ist jedoch so, dass die Chance deutlich steigt, dass die Bereitschaft mit uns zusammenzuarbeiten grösser ist, wenn wir sie würdevoll behandeln.

Kinder tun auch dann nicht immer, was wir von ihnen verlangen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie bereit sind, darauf einzusteigen, steigt beträchtlich. Und wenn dies nicht der Fall ist? Dann müssen wir dies akzeptieren, ausser es handelt sich um etwas, das wir für unerlässlich halten. Das ist schwer und häufig fühlen wir Eltern uns dann als Versager, die sich von ihren Kindern auf der Nase herumtanzen lassen.

Absoluter Gehorsam? Wie Sie neue Werte finden

Die Alternative besteht darin, unbedingten Gehorsam zu fordern und bereit zu sein, hierfür alle erforderlichen Mittel (Strafen, Drohungen, Gewalt) einzusetzen. Wer dies nicht will, muss neue Werte und Wege finden und im Alltag umsetzen. Das ist zwarein anstrengendes, aber nach meiner Erfahrung lohnendes Unterfangen, bei dem ich Eltern und Familien sehr gern begleite.

Beratung für Sie

  • Einzel- oder Paarberatung über Zoom oder Telefon kostet noch bis zum Ende der Coronakrise 60min/Fr. 100.- (statt Fr. 120.-), Beratung in der Praxis 120.- mit 90min Erstgespräch.
Erziehungsberaterin Maya Risch.

Praxis für Beziehungskompetenz

Die Familienberaterin, Familylab Seminarleiterin und Waldkindergärtnerin Maya Risch lebt mit ihren zwei Söhnen und ihrem Mann in Zürich-Oerlikon. In einer individuellen Eltern- bzw. Familienberatung oder in Gruppentreffen bietet sie Eltern die Möglichkeit, zu erfahren, wie sie mit Unsicherheiten, Wut und Konflikten umgehen können und zeigt neue Perspektiven im Umgang mit Stolpersteinen im Familienalltag auf. 

Mehr zum Angebot und weitere Artikel von Maya Risch.

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