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Shhh...Warum Kinder petzen

Wer petzt, dem wird meist ein schlechter Charakter unterstellt. Eine Studie zeigt, dass Kinder dabei aber häufig keine schlechten Absichten verfolgen. Warum Ihr Kind andere verrät und wie Sie darauf reagieren sollten.

Eltern wollen oft nicht das ihre Kinder petzen, aber wie sollen Kinder wissen, was sie verraten dürfen und was nicht?
 Petzen tut man nicht. Aber wie sollen Kinder wissen, was sie verraten sollen und was nicht? Illustration: iStock

Mit rund drei Jahren fängt das Petzen an. Ein Kleinkind verrät andere hauptsächlich, wenn es sich ungerecht behandelt fühlt. Zum Beispiel, weil der Bruder das Spielzeug nicht teilen möchte oder die Schwester es weggeschubst hat. Indem das Kind das aus seiner Sicht nicht regelkonforme Verhalten verrät («Man muss teilen!»), erhofft es sich die Unterstützung der Eltern. Sie sollen ihre Autorität einsetzen, damit es seine eigenen Wünsche durchsetzen kann. 

In diesem Alter sind Kinder tatsächlich vor allem auf ihren eigenen Vorteil bedacht. «Die Perspektive des anderen Kindes wird nicht berücksichtigt,» erklärt Michael Schnabel, Wissenschaftlicher Angestellter am Münchner Staatsinstitut für Frühpädagogik. Das sei aber kein bewusstes Verhalten, sondern kleine Kinder könnten sich bis etwa fünf Jahren oft noch garn nicht in andere hineinversetzen. Die Kompetenz zur Empathie ist noch nicht soweit ausgeprägt, dass es die Gefühle anderer bei seinen Entscheidungen entsprechend abwägen und gewichten kann. Daher schädigten Kleinkinder andere auch nicht bewusst mit dem Petzen.

Ein Kind, das petzt, kann Konflikte noch nicht alleine regeln

Ab sechs Jahren veränderten sich die Beweggründe für das Petzen häufig. Anhand von Befragungen stellte der Schnabel fest, dass Kinder etwa ab dem Primarschulalter eine Vorstellung darüber entwickeln, was Petzen ist und auch, dass es sozial nicht erwünscht ist. Sie haben jetzt gelernt, die Perspektive des Anderen mit in ihre Entscheidung einzubeziehen. Kinder könnten jetzt andere verraten, um diese bewusst zu schädigen. Jedoch sollten Eltern vorsichtig damit sein, dem Nachwuchs bei jedem Petzen gleich eine böse Absicht zu unterstellen, warnt Schnabel. Besonders Kinder, die sehr häufig petzen, täten dies nämlich oft aus einem ganz anderen Grund.

Bevor Eltern ihr petzendes Kind tadeln, sollten sie dem Nachwuchs erst einmal zuhören und versuchen herauszufinden, warum es überhaupt andere denunziert, rät Schnabel. Das kann zum Beispiel schlichtweg der Ausdruck für eine Rivalität zwischen Geschwistern sein, aber auch tiefer gehende Ursachen haben, wie ein Minderwertigkeitsgefühl des petzenden Kindes. Vielleicht möchte es einfach mehr Aufmerksamkeit von den Eltern. Es ist auch möglich, dass ein Kind seinen Willen bei den Eltern durchsetzen möchte, um seine Macht gegenüber anderen auszuspielen. Unabhängig von der Absicht aber, sei das Kind, eben weil es petze, noch nicht fähig, seine Konflikte eigenständig auszutragen, erklärt Schnabel. 

Eltern sind keine Schiedsrichter

Deshalb sei es jetzt auch kontraproduktiv dem Kind Vorwürfe zu machen. Dadurch fühlten sich Kinder nur noch mehr zurückgesetzt und es löse auch nicht die Probleme, die hinter dem Petzen stecken. Aktive Zuhören, das heisst nachzufragen, warum das Kind das Gefühl hat, es müsse ein anderes Kind verraten, ermutige petzende Kinder dagegen dazu, sich künftig eher selbst mit ihren Problemen auseinander zu setzen und nach Lösungen dafür zu suchen. «Die Kinder erwerben durch solche Gespräche emotionale Kompetenzen - eine fundamentale Grundlage für Selbstbewusstsein und Selbständigkeit,» so Schnabel.

Sollte ein Kind allerdings ständig durch Petzen die Aufmerksamkeit von Mutter oder Vater beanspruchen, sollten Eltern klare Grenzen ziehen. Sie müssen dem Nachwuchs dann deutlich zu verstehen geben, dass auch die Eltern Bedürfnisse haben und nicht den ganzen Tag den Schiedsrichter spielen wollen. 

Bei Gefahr ist Petzen immer richtig

In einigen Situationen kann es aber auch sehr wichtig, dass ihr Kind andere verpetzt. Zum Beispiel müssen die Kinder lernen, dass es unangebracht ist, ein Geheimnis zu bewahren, wenn dadurch jemand in Gefahr gerät. Die Eltern sollten ihnen daher frühzeitig vermitteln, dass sie sich auch mal gegen den Willen der Freunde oder Geschwister jemandem anvertrauen müssen. Denn durch Petzen können manchmal Gefahrensituationen abgewendet werden. Sich in einem solchen Fall gegen Freunde oder Geschwister zu stellen, ist nicht einfach und erfordert Selbstvertrauen. Kinder werden eher dazu in der Lage sein, , wenn sie vorher im Gespräch mit den Eltern gelernt haben, dass sie die Eltern sie für das Petzen nicht verurteilen, sondern ihnen helfen, den zugrunde liegenden Konflikt zu lösen.

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