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Selbstbewusste Kinder: Lob macht abhängig, Ermutigung dagegen stark

«Lob kann Kindern schaden», warnen Erziehungsexperten. Denn Lob macht abhängig und vermittelt oft die falsche Botschaft. Eltern sollten ihre Kinder dafür vermehrt ermutigen. Denn das veranlasst ein Kind, mehr von sich selbst zu erwarten. 

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«Du kannst das»: Eltern sollten Kinder mehr ermutigen und nicht nur bei guten Taten loben. Bild: GettyImages Plus, skynesher

Eltern loben ihre Kinder gern. Doch Erziehungsexperten raten ausdrücklich von zu viel Lob ab. «Lob kann Kindern schaden», erklären sie. Denn es impliziert: «Du bist dann etwas wert, wenn du in meinen Augen eine Sache gut gemacht hast.»

Lob kann abhängig machen

«Das hast du gut gemacht!», «Gute Leistung!», «Das ist ja ein tolles Ergebnis», solche Kommentare sagen weniger über das Kind, sondern mehr über die Eltern aus. Die Eltern geben damit zum Ausdruck, dass sie ein bestimmtes Verhalten oder ein Ergebnis gut finden. Lob ist also eine subjektive Bewertung.

Lob kann abhängig machen. Viele Kinder, die oft gelobt werden, orientieren sich mehr und mehr an den Massstäben der Eltern, um anerkannt zu werden. Später, wenn sie älter werden, laufen sie Gefahr, sich nach den Wertvorstellungen anderer zu richten. Selbständigkeit und selbstbewusst werden sie auf diese Weise nicht.

Wenn Kinder viel Lob erhalten, glauben sie, dass sie das tun müssen, was andere wollen.

«Grundsätzlich ist es nicht falsch, das zu tun, was jemand anderem gefällt», heisst es im «Elternbuch STEP-Elterntraining», wissenschaftlich begleitet und evaluiert durch ein Team der Universität Bielefeld unter der Ägide von Professor Klaus Hurrelmann. «Wenn Kinder jedoch viel Lob erhalten, glauben sie, dass sie das tun müssen, was andere wollen. Sie schliessen daraus, dass dies der einzige Weg ist, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln.»

Der Kritik des Lobes schliesst sich auch der bekannte dänische Familientherapeut Jesper Juul an: «Lob ist eine Note, eine gute Note. Das heisst, unsere Beziehung ist jetzt nicht mehr gleichwertig, ich bin der Lehrer, und ich kann entscheiden, was der Schüler verdient hat, eine schlechte oder eine gute Note», erklärte er in einem Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit». «Wenn man ein Kind will, das einfach nur funktioniert, ohne nachzudenken, ist Lob eine praktische Sache.» Doch, wer will schon, dass sich sein Kind nicht auf den eigenen Weg begibt?

Selbstbewusste Kinder: Ermutigung baut auf

Der Tadel des Lobes bedeutet nicht, sich von nun an jedes «Toll!» und «Super gemacht!» verkneifen zu müssen. Ehrliche Begeisterung tut immer gut und Spontanität gehört zu jeder gelungenen Beziehung. Doch sinnvoll ist es, Kinder nicht dauernd zu loben.

Auch ohne ständiges Lob lassen sich Kinder wertschätzen. «Ermutigung statt Lob», fordern Pädagogen. «Ermutigung veranlasst ein Kind, mehr oder Besseres von sich zu erwarten», erklärte auch schon Rudolf Dreikurs (1897-1972), österreichisch-amerikanischer Psychiater, Psychologe, Pädagoge. Ermutigung erkennt nicht den Erfolg an, sondern schätzt die Bemühung an sich. «Ermutigung ist ein Geschenk! Niemand muss sie sich verdienen», heisst es entsprechend im «Elternbuch STEP-Elterntraining».

«Du hast dich sehr gut vorbereitet, deshalb hast du ein gutes Ergebnis erzielt.» Dieser Satz beinhaltet keine Bewertung nach persönlichen Massstäben, sondern ist objektiv nachvollziehbar. In diesem Fall kann das Kind erkennen, wie es zum Erfolg gekommen ist. Ein wichtiger Anhaltspunkt, um sich in Zukunft selbst zu ermutigen. «Ich habe mich gut vorbereitet, also werde ich die Aufgaben schaffen.» Ermutigung stärkt also die Selbstständigkeit.

Wer versucht, sein Kind zu ermutigen, zeigt ihm: «Du gehörst zu uns, so wie du bist. Du darfst Fehler machen.» Ermutigung erwartet also keine Perfektion. Das Kind lernt, sich so anzunehmen wie es ist. Insofern macht Ermutigung das Kind frei, seinen eigenen Weg zu gehen und Erfolge selbst zu beurteilen. So wurde Rudolf Dreikurs nie müde, die Menschen zum «Mut zur Unvollkommenheit» aufzufordern.

Beispiele für ermutigende Sätze

  • «Lass uns zusammen überlegen, wie du es schaffen kannst.»
  • «Du hast dich gut vorbereitet. Damit hast du alles getan, was du für ein gutes Ergebnis tun kannst.»
  • «Ich freue mich, dass du mit deinem Werk glücklich bist.»
  • «Oh, du bist enttäuscht von deinem Ergebnis? Jetzt weisst du, dass du anders vorgehen musst. Du kannst es beim nächsten Mal ausprobieren. Wenn du Hilfe möchtest, sag Bescheid!»
  • «Deine Hilfe war eine Entlastung für mich. Darüber habe ich mich sehr gefreut.»
  • «Das sieht viel besser aus als vor einigen Tagen!»
  • «Ja, da hast du dich verhuddelt, aber der grundsätzliche Ansatz ist richtig und das ist das Wichtigste.»
  • «Du wirst eine Lösung finden, weil dir das in ähnlichen Fällen auch gelungen ist.»

Buchtipp: Step – Systematisches Training mit Eltern



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