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Stiefmütter sind viel besser als im Märchen

Stiefmütter sind im Märchen immer die Bösen. Sie lassen die Stiefkinder im Wald zurück, zwingen sie, in einen Brunnen zu springen oder versuchen gar, sie zu vergiften. Zum Glück sieht die Realität anders aus. Die meisten Frauen haben ein sehr herzliches Verhältnis zu den Kindern ihres Partners.

Stiefmütter sind viel besser als im Märchen
Die Stiefmutter muss nicht dem märchenhaften Bild entsprechen. Sie kann auch eine gute Freundin sein. Foto: iStock, Thinkstock

Papa-Wochenende! Viele Frauen kennen das Gefühl am Samstagmorgen, am liebsten das Kopfkissen über den Kopf ziehen und bis Montag weiter schlafen zu wollen. Denn Papa-Wochenenden sind alles andere als leicht. Nicht nur, dass in die Wohnung des Partners Kinder stürmen, die den Tagesablauf bestimmen und den Partner vollkommen in Beschlag nehmen. Nein, oft sind sie auch recht skeptisch, was die neue Frau an Papas Seite anbelangt. «Warum habe ich mich nur in einen Mann mit Kindern verlieben müssen?» Diese Frage stellen Stiefmütter in Internet-Foren deshalb immer wieder.

Entspannung hilft. Sicher; die Kinder des Partners krempeln das geliebte, zweisame Leben um. Doch die Kinder gehören zum Partner – lebenslang. Das gilt zu akzeptieren. Gleichzeitig bieten sie eine Möglichkeit, neue, bereichernde Beziehungen aufzubauen. «Aus Stiefeltern werden Bonus-Eltern», so der Titel eines Buches des Jesper Juul, einem der bekanntesten Familientherapeuten Europas. Seine Botschaft gilt auch umgekehrt: Stiefkinder sind Bonuskinder, an denen Stiefmütter viel Freude haben können – vorausgesetzt, sie begegnen dem Nachwuchs offen, verständnisvoll und geduldig.

Ein guter Kontakt zwischen Stiefmüttern und Kindern

«Nein, eine Faustregel gibt es nicht, wann und in welcher Form Väter ihren Kindern am besten die neue Partnerin vorstellen», erklärt Jesper Juul in seinem Buch. Viel wichtiger als der Zeitpunkt ist das Feingefühl. Schön, wenn Väter wie Partnerinnen viel dafür tun, den Kindern zu zeigen: «Niemand macht euren Platz an der Seite eures Vaters streitig.»

Vornehme Zurückhaltung bringt Stiefmütter am meisten voran. Kinder wollen ihren Papa immer wieder mal stundenweise ganz für sich alleine haben. Nur mit Papa Fussball spielen, auf dem Spielplatz rumtollen, schwimmen gehen – das ist für Kinder umso wichtiger, je seltener sie ihren Vater um sich haben. Die Zeit, die alle zusammen verbringen, dürfen Stiefmütter geniessen: Sie müssen die Kinder im Gegensatz zu leiblichen Müttern nicht erziehen, aber sie können sich mit ihnen anfreunden.

Einschmeichelei – nein danke! Kinder spüren Unehrlichkeit. Wichtiger ist ihnen Authenzität. «Ein guter Kontakt zwischen Kindern und Erwachsenen entsteht genauso wie zwischen zwei verliebten Erwachsenen. Er erfordert, dass beide Seiten ihren Gedanken und Gefühlen Ausdruck geben und dem anderen einen Blick hinter die Kulissen gewähren», weiss Jesper Juul. Sinnvoll ist es deshalb, selbst so wenig Fragen zu stellen wie möglich, sondern stattdessen lieber von sich selbst zu erzählen, von der eigenen Familie und den eigenen Interessen. Vielleicht hat das Kind Lust, an den eigenen Hobbys teilzuhaben – am Basteln, Golfen, Reiten, Klettern?

Aller Anfang ist für die Stiefmutter schwer

Trotz Feingefühls ist aller Anfang für Stiefmütter oft schwer. Immer wieder erleben sie, dass die Kinder ihnen destruktiv begegnen. «Ich mag dich nicht», diese Botschaft spricht oft nicht nur aus ihren Blicken, sondern auch ihren Worten aus. Solche Reaktionen tun weh. Doch selten sind sie in der Persönlichkeit der Stiefmutter begründet.

Kinder, die sich gegen Stiefmütter wehren, geben ihrem sehnlichsten Wunsch Ausdruck: «Wir wollen, dass alles ist wie vorher!» «Für Kinder jeden Alters stellt eine Trennung eine grosse emotionale Belastung dar», darauf weist Jesper Juul hin. «Die Skala der Empfindungen reicht von tiefer Trauer bis hin zu realer Traumatisierung.» Selbst eine Scheidung, die in gegenseitigem Einvernehmen und relativ undramatisch abläuft, hinterlässt bei den Kindern oft tiefe Wunden, die nur sehr langsam verheilen. Tränen und Wutausbrüche sind Zeichen ihrer seelischen Schmerzen. Jesper Juul: «Kindern ist oft nur schwer anzusehen, wie sehr sie mit ihrer Trauer und Hoffnung zu kämpfen haben. Lassen Sie sich deshalb nicht von ihrer Munterkeit täuschen!»

Möglicherweise ist es nicht in Ordnung, wie die Kinder ihre negativen Gefühle ausleben. In Ordnung aber ist, dass sie diese Gefühle haben. Kinder dürfen wütend oder traurig sein, sie dürfen toben und weinen. Wer Gefühle unterbindet, verweigert dem Kind die Chance, mit ihnen fertig zu werden.

Mitgestalten, ohne sich einzumischen

Die meisten Beziehungen zwischen Stiefmutter und Kindern gelingen mit einer guten Portion Geduld. «Erwarten Sie keine Liebe auf den ersten Blick und sofortiges Aufeinanderzugehen», rät die Fachstelle für Paare und Familien in Solothurn. «Der Aufbau herzlicher Beziehungen braucht Zeit.» Freundschaft entwickelt sich nicht von heute auf morgen. Sie braucht Vertrauen – und Vertrauen wächst langsam. Eines ist gewiss: Sobald sich die Kinder öffnen, schliesst man sie ins Herz. Von da an beginnen die Kinder, mit neuen Sichtweisen das Leben der Stiefmütter zu bereichern.

Wer die wachsende Beziehung nicht gefährden will, hält sich zurück, wenn es um Vorschriften oder Verbote geht. Trotz jeder guten Beziehung bleiben Stiefmütter die Freundinnen oder Frauen der Väter – Mütter sind sie nicht. «Stiefeltern sollten sich möglichst wenig einmischen», rät deshalb auch die Fachstelle für Paare und Familien in Solothurn. Was immer auch Stiefmütter im Zusammenleben mit den Kindern stört oder beunruhigt: Es sollte in einer ruhigen Stunde mit dem Partner – ohne die Kinder – besprochen werden.

Wenn Stiefmütter mehr als Wochenend-Freundinnen werden

Manchmal werden Stiefmütter zu mehr als zu Wochenend-Freundinnen. Wenn das Kind gar die Hälfte der Zeit beim Papa verbringt oder gar ganz zu ihm zieht, wird auch die Beziehung zwischen Stiefmutter und Kindern intensiver. Dann gilt es, die Rolle der Frau neu zu definieren. Welche Regeln gelten, wenn der Vater nicht da ist? Ist die Stiefmutter zuständig dafür zu sorgen, dass die Regeln eingehalten werden? Darf oder soll sie die Kinder anleiten? Transparenz für die Kinder ist wichtig – sie beugt Konflikten vor!

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