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Wenn alles völlig «Drahtbürschte» ist: Übersetzungshilfe Jugendsprache

Wenn die Freundin am «Chillaxen» (Faulenzen) ist und der Freund als «Pütii» (Streber) bezeichnet wird, dann sind Eltern mitten drin in der Jugendsprache. Wir geben eine kleine Übersetzungshilfe.

«Chillaxen» und «Voll easy»: Mit einer eigenen Jugendsprache schaffen Kinder Distanz zur Erwachsenenwelt
Wenn Jugendliche «chillaxen» könnte das so aussehen. Foto: StockRocket, iStock, Thinkstock

Manchen Eltern fällt es schwer, sich in Jugendliche hineinzuversetzen. Warum müssen sie auf dem Rückweg von der Schule mit Freunden posten, die sie zuvor fünf Stunden im Schulzimmer gesehen haben? Warum frieren Jugendliche lieber, statt eine Jacke anzuziehen? Und warum nur verdrehen sie ständig die Augen? Wenn Jugendliche ausserdem beginnen, Ausdrücke aus der Jugendsprache zu übernehmen, verstehen manche Erwachsene nur noch Bahnhof.

Jugendliche grenzen sich durch Jugendsprache ab

Jugendliche suchen nach ihrer eigenen Identität. Um eigene Wertvorstellungen zu entwickeln, brauchen sie Distanz zu den Eltern, sie müssen sich frei und ungestört ausprobieren können. Halt brauchen sie dennoch, den sie unter Gleichaltrigen suchen. Die Jugendsprache ist ein Zeichen ihres Zusammenhalts – und sie schafft Distanz zur Erwachsenwelt.

Jugendsprache als Stilbastelei

Schon 700 v. Chr. schrieb der griechische Epiker Hesiod: «… denn fremd fühlt sich der Vater den Kindern (…) und eilend entziehen sie (die Kinder) die Ehren den altersgebeugten Erzeugern, mäkeln an ihnen und fahren sie an mit hässlichen Worten.» Wie sich heute Jugendsprache entwickelt, weiss Professorin Christa Dürscheid, Abteilung für Linguistik, Universität Zürich: «Ein Merkmal jugendlichen Sprechens ist, dass Zitate, aber auch Werbesprüche in die eigene Rede eingebaut oder Äusserungen spielerisch verfremdet werden», schreibt die Professorin im Aufsatz «Was ist von der Jugendsprache zu halten».

Diese Stilbastelei liesse sich daran erkennen, dass Jugendliche formelhafte Wendungen verfremden. «Lassen Sie mich Arzt, ich bin durch», ist ein Beispiel dafür. Darüber hinaus sprechen Jugendliche ohne Migrationshintergrund gern in grammatisch fehlerhaftem Deutsch – zum Beispiel «Gömmer Migros?», «Hesch mer Zigarett?». «Jugodeutsch» oder «Balkandeutsch» heisst diese Sprechweise in der Schweiz.

Typisch für Jugendsprache sind auch intensivierende Ausdrücke. Alles ist «mega», «voll», «krass» oder «fett». Doch Dürscheid merkt an, dass dies nur der Fall ist, «solange Erwachsene diese Ausdrücke nicht auch benutzen».

Medien verbreiten Jugendsprache

Die Jugendsprache unterliegt heute allerdings nicht nur dem eigenen Erfindungsgeist. Einen hohen Einfluss haben auch die Medien auf die Jugendsprache. Vor allem aus der Werbung stammen nicht nur Worte und Sprüche, sondern Medien helfen Jugendsprache zu verbreiten.

Beliebte Ausdrücke

  • Chills! – Reg Dich ab!
  • Was lauft? – Was ist los?
  • Voll easy – Ganz einfach!
  • Schliifts? – Spinnst Du? Geht’s noch?
  • Fail! – Grober Fehler!
  • Wo läbsch du? – Du benimmst Dich voll daneben!
  • Hängs! – Nimm es locker!
  • Ciao Läbe! – Ich tauche jetzt ab in den Ernst des Alltags.
  • Zviel! – Mega!

Jugendsprache ist kein Anlass zur Sorge

Jugendliche verludern nicht, wenn sie Sprache verfremden und ihre eigene Sprache entwickeln. Jugendliche sind trotzdem in der Lage, sich korrekt auszudrücken. In der Regel wissen sie, mit wem sie sprechen und welcher Sprachgebrauch in welcher Situation angemessen ist.

Doch einige Eltern haben weniger Sorge um die gesprochene, als um die geschriebene Sprache. Beim Posten über soziale Netzwerke und beim Schreiben von SMS achten Jugendliche kaum auf Rechtschreibung und korrekte Formulierungen. «Jugendliche «simsen» häufig in Dialekt, drücken ihre Gefühle mit «Emoticons» wie «lol» oder smiley aus, kürzen Wörter ab, erfinden neue und benutzen lautmalerische Ausdrücke, wie wir sie aus Comics kennen», heisst es bei «Jugend und Medien», dem nationalen Programm zur Förderung von Medienkompetenzen.

«Die Herausforderung für Jugendliche ist, ihre Sprache dem Kontext anzupassen: zum Beispiel in Schultexten nicht Ausdrücke wie «voll easy» oder «saumässig cool» zu verwenden.» Auch das scheint zu gelingen. In einem Forschungsprojekt an der Universität Zürich, in dem mehr als tausend Texte von 14- bis 19-jährigen Schülern aller Schulformen ausgewertet wurden, konnte keine Evidenz dafür gefunden werden, dass es einen Einfluss des privaten Schreibens auf das schulische Schreiben gibt, fass Christa Dürscheid zusammen.

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