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Kinderspiele machen schlau

Kinder wollen spielen, fast jederzeit. Ihr Spieldrang ist kaum zu bremsen. Und das ist gut so. Denn während ihrer Kinderspiele eignen sich die Kleinen die Welt an. «Spielen macht schlau», sagt Professor André Zimpel von der Universität Hamburg. Im Interview erklärt er, warum das so ist.

Kinderspiele machen schlau
Kinderspiele machen schlau und fördern Kinder. Foto: BraunS, iStock, Thinkstock

Spielen ist für Kinder stets das Grösste. Warum wollen Kinder ständig spielen?

André Zimpel: Der Anlass für Kinderspiele ist immer derselbe. Alle Kinder wollen einen Kopf grösser sein, als sie in Wirklichkeit sind.

Wollen Kinder beim Spielen lernen?

Ja, unbedingt! Im freien Spiel suchen Kinder selbst aktiv nach immer neuen Lernerfahrungen. Dabei entwickeln sie wichtige Fähigkeiten wie Abstraktionsvermögen, Fantasie, Selbstbewusstsein, Frustrationstoleranz, Impulskontrolle und Kooperationsfähigkeiten. Das Spiel macht sie zu Gestaltern.

In Ihrem Buch «Spielen macht schlau» plädieren Sie für weniger Förderprogramme und mehr freies Spiel …

In standardisierten Förderprogrammen lernen alle Kinder den gleichen Stoff in straff organisierten Einheiten. Im freien Spiel dagegen suchen Kinder aktiv Anforderungen, die am besten zu ihren Fähigkeiten passen. Kein Förderprogramm kann das leisten. Wenn andere Eltern prahlen, «Montags gehen wir zum Ballettunterricht, dienstags zum Englischkurs, mittwochs zum Geigenunterricht, donnerstags zur Logopädie und freitags zum Feldenkrais», sollten Eltern mit Stolz antworten: «Mein Kind hat die ganze Woche gespielt. Es hat sehr viel Spass am Leben.»

Warum wollen Kinder nicht alleine spielen?

Geteilte Freude ist doppelte Freude. Ich kann Eltern nur ermuntern, viel mit ihrem Kind zu spielen. Wenn sie nicht von einem Termin zum nächsten hetzen, haben sie für viele Kinderspiele Zeit. Beim Spielen werden sie entdecken, dass sie das allertollste Kind überhaupt auf der Welt haben! Anfänglich sind Eltern eher Spielanreger als Spielpartner. Später werden sie aber zu Spielpartnern zweiter Wahl. Dann brauchen ihre Kinder immer öfter andere Kinder, die sich genauso wie sie für Kinderspiele begeistern können.

Zur Person:

André Zimpel ist Professor für Schul- und Behindertenpädagogik an der Universität Hamburg. Er erforscht als Leiter eines Aufmerksamkeits-Computer-Laboratoriums seit Jahren, wie Kinder spielen, was sie zum Spielen antreibt und wie sich Kinderspiele auf ihre Entwicklung auswirken. Er ist Autor des Buches «Spielen macht schlau», das im Verlag Gräfe & Unzer (GU) erschienen ist. Zimpel ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Was Kinder aus Kinderspielen lernen können

Objektspiele:
Bei den Objektspielen, die zu den allerersten Kinderspielen gehören, erforschen Babys und Kleinkinder alles, was in ihrer Reichweite liegt. Gegenstände, seien es Rasseln oder Plüschtiere, landen im Mund, dem empfindlichsten Teil ihres Körpers. «Kinder gehen dabei vor wie Anthropologen auf einem fernen Planten», so Prof. André Zimpel. So lernen sie, dass Schnuller, Kuscheltiere und Schlüsselbunde passiv und vorhersehbar auf Einwirkungen reagieren.

Als-ob-Spiele:
Zu tun, als ob, hilft, fantasievoll von unmittelbaren Wahrnehmungen zu abstrahieren. Ein Baustein wird zum Auto, ein umgedrehter Blumentopf zum Berg. Kleinkinder entwickeln dabei nicht nur Fantasie, sondern auch Abstraktionsvermögen. Sie lernen, sich nicht nur auf ihre Wahrnehmung zu verlassen. Wenn Mama den Raum verlässt, ist sie immer noch da!

Rollenspiele:
Wenn Kindergartenkinder in andere Rollen schlüpfen, lernen sie, sich in andere Menschen und Tiere hineinzuversetzen. Gleichzeitig probieren sie verschiedene Verhaltensmöglichkeiten aus: Mal sind sie gemein und ignorant, dann wieder freundlich und hilfsbereit. Damit das Rollenspiel gelingt, müssen sie sich mit anderen Mitspielern absprechen. Auch dabei erfahren sie, wie soziales Miteinander funktioniert – und wie nicht.

Regelspiele:
Zu Regelspielen gehören alle Spiele, bei denen es gilt, klare Regeln einzuhalten, bei denen das Gewinnen und Verlieren aber unwichtig sind. Ein Beispiel dafür sind Abzählreime, die Kinder gegen Ende der Kindergartenzeit immer öfter faszinieren. Dabei geht es ihnen allein um das fehlerfreie Nachsprechen des Zungenbrechers; der Spass am Tun steht im Vordergrund. Rollenspiele helfen Kindern, sich an Regeln zu halten und Ziele anzustreben.

Wettspiele:
Mit Hilfe von Wettspielen lernen Schulkinder, Strategien zu entwickeln, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Beispiele sind Mannschaftssportarten, Wetten, Würfel-, Karten- und Brettspiele. Gleichzeitig tragen Wettspiele dazu bei, dass Kinder ihre eigenen Fähigkeiten erfahren und immer besser einschätzen – eine Grundlage für ein gutes Selbstbewusstsein.

Spielen macht schlau

«Spielen macht schlau. Warum Fördern gut ist, Vertrauen in die Stärken Ihres Kindes aber besser.», André Frank Zimpel, Verlag Gräfe & Unzer.

Viele Eltern sind verunsichert, was sie ihrem Kind bieten müssen, um es fit für die Zukunft zu machen. Der Ratgeber «Spielen macht schlau!» zeigt, wie man sein Kind mit einfachen Mitteln in seiner Spiel- und damit seiner geistigen Entwicklung unterstützen kann.

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