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Mami hat eine andere: Erfahrungsbericht einer lesbischen Mutter

Danas Erwachsenenleben beginnt klassisch: Mit 22 heiratet sie ihren Jugendfreund und bekommt ein Kind von ihm. Doch dann verdreht ihr eine ältere Frau den Kopf. Was folgt, ist ein Albtraum. Die 27-Jährige erzählt, wie steinig der Weg für lesbische Mütter sein kann.

Lesbische Mütter halten sich die Hände.
Die Familie für eine andere Frau zu verlassen fällt vielen lesbischen Müttern schwer. Foto: oneinchpunch/iStock, Thinkstock

Ich habe mich schon immer für Frauen interessiert, hatte aber nur Beziehungen zu Männern. Dass ich bisexuell bin, wusste ich schon als Teenager. Mit Norman*, einem guten alten Freund von mir, aber war alles klar: Wir kamen zusammen als ich 19 Jahre alt war, zogen zusammen, heirateten, bekamen ein Kind.

Als ich mit meinem Sohn schwanger war, fing eine neue Mitarbeiterin bei uns in der Firma an. Lena war ein anderer Typ Mensch als ich, das faszinierte mich total. Als gute Freundinnen verbrachten wir viel Zeit miteinander, trafen uns im Ausgang und gingen auf Konzerte. Ich wusste nicht, ob sie sich für Frauen interessierte. Irgendwann begriff ich, dass ich Gefühle für sie habe, die ich aber nicht zulassen wollte. Ich dachte, das darf und kann nicht sein.

Für Lena trennte ich mich von meinem Mann

Das ging anderthalb Jahre gut. Aber dann hielt ich es nicht mehr aus. Ich liebte Lena und wollte mit ihr zusammen sein. Als ich ihr das sagte, erwiderte sie meine Gefühle. Jackpot, dachte ich. Mir war alles andere egal. Ich trennte mich von Norman und nahm für mich und meinen Sohn eine Wohnung, um mit Lena zusammen sein zu können.

Norman war völlig aufgelöst. Er konnte meine Gefühle für Lena nicht nachvollziehen. Es war schwer für ihn zu verstehen, dass ich mich in eine Frau verliebt hatte. Das kränkte ihn sehr. «Wenn es ein Mann gewesen wäre», sagte er, «wäre ich eine Konkurrenz und könnte um dich kämpfen. Aber weil es eine Frau ist, kann ich nichts mehr ausrichten.»

Wird mein Sohn wegen seiner lesbischen Mutter gehänselt?

Mein Sohn war zweieinhalb Jahre alt, als wir uns trennten. Am Anfang dachte ich noch, es ist nicht gut, wenn ich mit einer Frau zusammen bin. Er wird wegen seiner lesbischen Mutter gehänselt. Mittlerweile sehe ich darin kein Problem. Er nahm die Trennung gut auf. Natürlich merkte man ihm sofort an, wenn es mir oder seinem Vater schlecht ging. Es gab Phasen, in denen er mir gegenüber aggressiv war und mich abwies. Als ich ihn von der Krippe abholte, wollte er einmal nicht mit mir nach Hause gehen. Das war nur eine kurze Phase, aber sie war sehr schlimm. Ich habe um ihn kämpfen müssen. In der Zeit, als ich später wegen Lenas Verhalten in einer Depression feststeckte, war ich motivationslos und konnte teilweise nicht arbeiten. Mein Sohn war der einzige Grund, warum ich an diesen Tagen aufgestanden bin.

Lena wurde gewalttätig

Mit Lena hatte ich eine zwei Jahre dauernde On/Off-Beziehung. Mal funktionierte es super, mal gar nicht. In dieser Zeit kam es zu Szenen, die ich noch nicht mal in Filmen gesehen hatte. Sie wertete mich ab und wurde, wenn sie nicht mehr weiter wusste, gewalttätig. Das wiederum brachte mich zu Aussagen und Handlungen, die überhaupt nicht zu mir passten. Ein Teufelskreis. Deshalb sah ich zu, dass sie meinem Sohn nicht über den Weg lief. Sie hielt mir vor, ich halte sie aus meiner Familie heraus. Aber ich wollte es meinem Sohn nicht antun, dass er diese Szenen mitbekam. Deswegen zog ich auch nicht mit Lena zusammen.

Sie sagte immer «du kannst nicht dazu stehen, dass du lesbisch bist». Damals dachte ich, sie hatte Recht. Verstanden, was das eigentliche Problem war, nämlich, dass ich die Beziehung zu ihr nicht beenden konnte, habe ich aber viel später. Ich war ununterbrochen frustriert und verzweifelt. Ich machte mir Vorwürfe, begann mit Kreisdenken: Warum war ich so blöd und habe Norman für sie verlassen? Warum gab ich alles auf? Ich konnte gleichzeitig nicht mit ihr und nicht mit ihm abschliessen.

Nach zwei Jahren brach ich den Kontakt zu ihr ab

Letztes Jahr im Herbst reichte es mir. Ich musste loslassen, sonst wäre ich kaputt gegangen. Das schuldete ich meinem Sohn. Ich brach den Kontakt zu Lena ab. Von diesem Moment an konnte ich auch von Norman loslassen. Jetzt ist der Druck weg, das ist befreiend. Auch mein Sohn ist viel ruhiger geworden.

Zu Norman habe ich einen guten Kontakt. Wir sind zufrieden ohne einander. Ich bin froh, dass es ihm gut geht. Wir teilen uns die Betreuung für unseren Sohn. Das geht gut, weil wir in der Nähe wohnen. Norman bemüht sich auch sehr darum, dass das funktioniert. Wenn wir demnächst zügeln, sucht er sich nachträglich eine Wohnung in der Nähe. Manchmal ist unsere Kommunikation kühl, aber nach einem Streit können wir trotzdem miteinander reden. Das schätze ich sehr an ihm. Mit Lena war das nie so. Norman ist ein guter und wichtiger Freund für mich.

Die Doppelbelastung, dass eine Familie zu Bruch geht und dass man sich sexuell umorientiert, hat niemand wirklich verstanden. Mit meinen Freundinnen aus heterosexuellen Beziehungen konnte ich nicht über meine Probleme reden, weil sie sich vor allem für die Andersartigkeit der homosexuellen Beziehung interessierten. Meine schwulen und lesbischen Freunde handkehrum konnten meine Gefühle nicht komplett nachempfinden weil bei ihrem Coming-Out kein Kind mit im Spiel war.

Nur lesbische Mütter verstehen die Doppelbelastung

Diese Doppelbelastung verstehen nur Frauen, die dasselbe durchmachen. Einige habe ich kennen gelernt und mit ihnen ist eine tiefe Freundschaft entstanden. Endlich musste ich meine Gefühle nicht erklären oder rechtfertigen, sondern sie nur benennen und sie wurden sofort verstanden. Wir treffen uns auch bald in einer Austauschgruppe für lesbische Mütter mit Kindern aus einer heterosexuellen Beziehung in Zürich. Ich will anderen Frauen Mut machen: Es ist nichts Falsches daran, wenn ihr eine Frau liebt.

*Alle Namen von der Redaktion geändert

Austauschgruppe für lesbische Mütter in Zürich

Die Austauschgruppe für frauenliebende Mütter mit Kindern aus einer heterosexuellen Beziehung will sich ab Juni regelmässig in Zürich treffen. Wenn Sie die Gruppe kennen lernen möchten, wenden Sie sich an das Selbsthilfecenter in Zürich www.selbsthilfecenter.ch

Protokoll: Angela Zimmerling

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