Kind > Erziehung

Ist dein Kind hochsensibel?

Cornflakes stinken, im Hallenbad ist es zu laut und wenn Hänsel und Gretel vorgelesen wird, fliessen Tränen. Ein Kind, das besonders sensibel ist, muss nicht abgehärtet werden. Vielleicht gehört es zu der Gruppe hochsensibler Kinder, deren Nerven besonders sensibel auf äussere Reize reagieren.

Hochsensible Kinder haben eine spezielle Begabung. Dass sie ihr Potential ausschöpfen können brauchen sie mehr Ruhe und Rückzugsorte als andere.
Hochsensitive Kinder brauchen mehr Ruhe und Rückzugsorte als andere Kinder, um das Erlebte zu verarbeiten. Bild: Annie Spratt - Unsplash

Hochsensible Kinder erkennen und besser fördern – das Wichtigste in Kürze

Hochsensibilität ist kein Krankheitsbild, sondern ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal beziehungsweise eine besondere Begabung wie ein fotografisches Gedächtnis, eine besondere Sportlichkeit oder ein absolutes Gehör. «Menschen, die mit einem Nervensystem ausgestattet sind, welches sehr fein auf innere und äussere Reize reagiert, nennt man hochsensibel», erklärt das Institut für Hochsensibilität in Altstätten (SG) auf seiner Webseite. «So nehmen sie Reize wie Lärm, Gerüche oder auch Stimmungen zwischen Menschen besonders stark wahr.» Weil sie sehr viel mehr auf Details achten würden, bräuchten sie bei der Verarbeitung von Inputs mehr Zeit und seien schneller gestresst oder erschöpft.

Wie zeigt sich Hochsensiblität bei Kindern?

Dass wir heute einen Begriff für dieses Persönlichkeitsmerkmal haben, ist der amerikanischen Psychologin Elaine Moron zu verdanken. Mit ihrem 1997 erschienenen Bestseller «The Highly Sensitive Person: How to thrive when the world overwhelms you» (deutscher Titel: «Sind Sie hochsensibel?») rückte das Persönlichkeitsmerkmal erstmals in den Fokus der Öffentlichkeit. Es ist heute unter Psychologen und Pädagogen ein anerkanntes Konzept, um ein bestimmtes Verhalten zu beschreiben. 

Moron schätzt, dass 15 bis 20 Prozent der Menschen hochsensibel sind. Die Zahl ist umstritten und wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Denn die Definition des Begriffs Hochsensibilität ist sehr weit gefasst. Der Begriff liegt im Trend, wie ADHS oder Burn-Out. Trotzdem ist es für viele Betroffene und Eltern besonders feinfühliger Kinder eine Erleichterung, wenn sie davon hören. Denn empfindsame Kinder werden oft missverstanden und unterschätzt. Oft ist es bereits möglich, Hochsensibilität zu erkennen und entsprechend mit ihr umzugehen, um ihre speziellen Potenziale besser zu nutzen.

Merkmale und Symptome hochsensibler Kinder

Eltern wissen oft erst, wie sensibel ein Kind ist, wenn es im Kindergartenalter ist. Denn es ist schwierig, Hochsensibilität bei Kleinkindern zu erkennen. Schliesslich stehen alle vor der Herausforderung, Vertrauen in die Welt zu gewinnen und sich an ihre Gegebenheiten anzupassen. «Viele Kinder – ob hochsensibel oder nicht – brauchen zu Beginn des Lebens viel Zeit, um sich auf das Leben ‘draussen’ um- und einzustellen, darum muss zum Beispiel auch häufiges Schreien kein Zeichen für Hochsensibilität sein», erklärt die Therapeutin Marianne Schauwecker-Alb aus Zollikon ZH.

Eine erhöhte Aufmerksamkeit des Kindes im Kleinkindalter kann auf Hochsensibilität und ein besonderes Talent hinweisen. «Hochsensibilität ist keine Krankheit und kann sich sehr positiv äussern, - zum Beispiel durch eine speziell vielschichtige, fundierte Wahrnehmung, durch erhöhte Differenziertheit und Reflexionsfähigkeit, durch Einfühlungsvermögen, Gewissenhaftigkeit, Intuition, Feinfühligkeit, Kreativität und andere schätzenswerte Eigenschaften», erklärt Marianne Schauwecker-Alb. All das sind Eigenschaften, die als echte Stärken angesehen werden und das Leben bereichern können.

Hochsensibilität hat auch ihre Tücken. «Ein hochsensibles Kind muss eine viel höhere Anpassungs- und Denkleistung vollbringen als ein normalsensibles, um seine vielschichtigen Wahrnehmungen und Gefühle zu 'verdauen' und einzuordnen - und zwischen wichtiger und unwichtiger Information zu unterscheiden», erklärt Marianne Schauwecker-Alb. Ein Kind, das ständig auf Empfang ist, fühlt sich daher leicht überfordert und überreizt. Es ist kein Wunder, dass es sich nicht immer gut konzentrieren kann, schneller unbeherrscht aufbraust oder zu weinen beginnt, als andere oder sich in fremden Situationen und Menschen gegenüber zurückhält.

Hochsensibilität-Test für Kinder nach Elaine Aron

Wenn dein Kind mehr als 13 Merkmale hat, gehört dein Kind wahrscheinlich zu den hochsensiblen Kindern. Der Fragenkatalog stammt aus dem Buch «Das hochsensible Kind», das im MVG Verlag erschienen ist. 

1 Dein Kind hat einen klugen Sinn für Humor.
2 Dein Kind stellt tiefgründige Fragen, die nachdenklich stimmen.
3 Dein Kind hat für sein Alter einen ungewöhnlich gehobenen Wortschatz.
4 Dein Kind erschrickt leicht.
5 Dein Kind hat eine empfindliche Haut, verträgt keine kratzenden Stoffe, keine Nähte oder Etiketten. 
6 Dein Kind scheint sehr einfühlsam zu sein.
7 Dein Kind bemerkt, wenn andere unglücklich sind.
8 Dein Kind mag keine Überraschungen.
9 Dein Kind hat ein intensives Gefühlsleben.
10 Dein Kind ist geruchsempfindlich, sogar bei sehr schwachen Gerüchen.
11 Dein Kind profitiert beim Lernen eher durch sanfte Belehrung als harte Strafe.
12 Dein Kind hat Mühe mit grossen Veränderungen.
13 Dein Kind bevorzugt leise Spiele.
14 Dein Kind ist sehr schmerzempfindlich.
15 Dein Kind scheint Ihre Gedanken lesen zu können.
16 Dein Kind stellt viele Fragen.
17 Dein Kind kann nach einem aufregenden Tag schlecht einschlafen.
18 Dein Kind findet nasse oder schmutzige Kleidung unangenehm.
19 Dein Kind ist lärmempfindlich.
20 Dein Kind ist perfektionistisch.
21 Dein Kind denkt über mögliche Gefahren nach, bevor es ein Risiko eingeht.
22 Dein Kind erzielt die beste Leistung, wenn keine Fremden dabei sind.
23 Dein Kind registriert Details (Veränderungen in der Einrichtung oder im Erscheinungsbild eines Menschen usw.).

Umgang mit Hochsensibilität: Bedürfnisse erkennen und ernst nehmen

Einem hochsensiblen Kind einen Schubs zu geben oder es gar abzuhärten, ist nicht hilfreich, da dies dem Kind nicht dabei hilft, mit der Reizüberflutung besser umzugehen. Wenn die Umwelt nicht verständnisvoll reagiert, leidet sein Selbstwertgefühl. Ein Teufelskreis beginnt. Denn wer besonders sensibel ist, gerät leicht aus der Balance. Kinder, die in schwierigen Familienverhältnissen aufwachsen, sind besonders sensibel und reagieren auf Kränkungen oder Stress stärker als andere. Elaine Aron geht davon aus, dass hochsensible Menschen anfälliger für psychische Störungen sind. Neben der Seele betrifft Hochsensibilität auch den Körper: Ein Kind, das in tiefes Grübeln verfällt, findet lange nicht in den Schlaf. Ausserdem stören helles Licht, dröhnt Krach lauter und riechen unangenehme Gerüche besonders stark.

Hochsensible Kinder: Anerkenne die Stärken deines Kindes

Eltern sollten ihr Kind so nehmen, wie es ist. Wichtig ist, sein Persönlichkeitsmerkmal nicht besonders hervorzuheben oder zu übergehen. Dabei hilft es, die Stärken des Kindes zu sehen. Angenommen, das Kind fühlt sich wohl zu Hause und verabredet sich selten, weil es die Ruhe zu Hause geniesst. Es zu drängen, sich öfter zu verabreden, vermittelt dem Kind nicht richtig zu sein. Gerade hochsensible Kinder brauchen die Bestätigung, dass sie so angenommen und geliebt werden, um Selbstvertrauen zu entwickeln und Resilienz zu entwickeln. Eltern erkennen, dass ihr Kind weiss, was gut für ihn ist, wenn sie den positiven Aspekt des freiwilligen Rückzugs sehen. Es kann sich abgrenzen, wenn es nötig ist.

Begleite dein hochsensibles Kind

Hochsensible Kinder brauchen Schutz vor Überforderung und Reizüberflutung. Eltern sollten den Alltag ihres Kindes so weit wie möglich entschleunigen und stets Zeitpuffer einplanen, damit das Kind keinen zusätzlichen Zeitstress erleidet. Eine klare Alltagsstruktur mit Ritualen gibt Halt. Auch könnten Hochsensible manchmal seltsam pedantisch sein, erklärt Marianne Schauwecker-Alb, aber Anlass zur Sorge sei das nicht: «In seinem Reich muss etwa alles am 'richtigen Platz' stehen, und das Nachtessen wird nur aus einem ganz bestimmten Teller gegessen. All dies sorgt für Konstanz für das Kind und hilft gegen Überreizung.» Um grössere Veränderungen wie einen Umzug, einen Schulwechsel oder eine Trennung gut vorzubereiten, sollte man sie langsam und gut vorbereiten. Zum Beispiel sollten hochsensible Kinder besonders geduldig an den Kindergarten gewöhnt werden.

Hochsensible Kinder im Kindergarten

Im Kindergarten werden hochsensible Kinder häufig zum ersten aus ihrem gewohnten Umfeld mit Vertrauenspersonen gerissen. Dies bedeutet für sie eine grosse Umstellung – also auch Stress. Gerade für hochsensible Kinder ist diese Veränderung nur schwer zu ertragen. Wichtig ist darum, dass Eltern mit ihrem Kind den Kindergarten anschauen und entscheiden, ob er der richtige für das Kind ist. Aber: Nicht immer können Eltern zwischen verschiedenen Kindergärten aussuchen. Das Kind wird häufig einem Kindergarten zugeteilt. In solchen Fällen ist es sinnvoll, das Gespräch mit der Schulverwaltung zu suchen, um eine geeignete Lösung zu finden.

Um diese Dinge kannst du achten: 

  • Wie gross ist der Kindergarten?

  • Wie viele Gruppen gibt es?

  • Gibt es Rückzugsmöglichkeiten?

  • Wie viele Erzieherinnen und Erzieher gibt es?

  • Sind die Erzieherinnen und Erzieher offen für das Thema Hochsensibilität?

  • Wie ist die Atmosphäre im Kindergarten?

  • Wirken die Erzieherinnen und Erzieher gestresst?

  • Wie kommuniziert der Kindergarten mit den Eltern?

  • Wie intensiv ist die Eingewöhnungsphase

Wie kommt mein hochsensibles Kind in der Schule zurecht

Auch die Schule stellt für Hochsensible eine Herausforderung dar. Nach dem Kindergarten ist wieder alles neu. In der Schule müssen die Kinder sich an neue Bezugspersonen und einen neuen Alltag gewöhnen. Sie müssen lernen, sich in einer Kindergruppe zu behaupten. Hinzukommt: Ein Pausenplatz mit vielen Kindern bedeutet für sie häufig Stress. Deswegen brauchen sie Rückzugsmöglichkeiten. Hochsensible Kinder benötigen keine grossen Freundeskreise. Ihnen reicht es, einen engen Freund zu haben. Der Schulalltag färbt auf die Kinder ab: Viele reagieren wütend und trotzig oder ziehen sich zurück. Hochsensible Kinder benötigen darum auch in der Schule viel Zeit für die Eingewöhnung und eine starke Bezugsperson, die sie versteht. Gerechte Lehrerinnen und Lehrer sind das A und O. Gleichzeitig mögen die Kinder es nicht, aufzufallen oder im Mittelpunkt zu stehen. Eine individuelle Lernförderung ist für hochsensible Kinder sinnvoll.

Essen: Wie ernähren sich hochsensible Kinder?

Das ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Denn das Essen ist für viele hochsensible Kinder und die Eltern eine grosse Herausforderung. Die Kinder sind äusserst wählerisch – das kann im Alltag für viel Stress sorgen. Vielleicht mag dein Kind bei den Früchten nur Mandarinen, bei Gemüse nur Rüebli. Ein anderes Kind verschlingt nur Früchte, dafür überhaupt kein Gemüse. Bei vielen hochsensiblen Kindern muss auf den Tellern alles seinen Platz haben.

Hochsensible Kinder zeigen häufig folgendes Esseverhalten:

  • Das Kind mäkelt häufig beim Essen

  • Das Kind lehnt die Nahrung wegen der Konsistenz ab

  • Das Kind will das Nahrungsmittel einzeln angeboten erhalten

  • Das Kind hat stark gewürzte Nahrungsmittel nicht gern

  • Das Kind würgt bei bestimmtem Nahrungsmittel

Am besten besprichst du das Thema Essen mit deinem Kinderarzt. Er kann dich bei Bedarf an eine Ernährungsberaterin oder einen Ernährungsberater verweisen.

Neueste Artikel

Beliebte Artikel