Gesundheit

Warum Sie Ihr Kind für Sport motivieren sollten

Kinder und Jugendliche in der Schweiz bewegen sich immer weniger. Dabei wäre Bewegung so wichtig - und gut für die Entwicklung. Gesundheitsexperten weisen seit Jahren auf die Vorteile von Bewegung hin. 

Sport ist auch im jungen Alter wichtig
Vorbilder sind für Kinder auch in sportlicher Hinsicht wichtig: Treiben die Eltern wie dieser Vater regelmässig Sport, verbinden die Kinder die Betätigung mit positiven Erlebnissen. Bild: svetikd, E+, Getty

«Sport ist Mord – diese Aussage würde ich nie unterschreiben, denn ich fühle mich seit meiner Kindheit dem Sport verbunden!», sagt Jana*. Die zierliche 25-Jährige erzählt am Mittagstisch ihren Arbeitskolleginnen, dass sie mit drei Jahren das erste Mal auf Skiern stand, in der Primarschule Reitunterricht besuchte, lange Zeit HipHop- und Jazz-Tanz trainierte, Tennis spielte und schliesslich in der Kantonsschule im Volleyball-Team startete, dem sie bis heute treu geblieben ist. «Für mich war Sport treiben von klein auf etwas ganz normales. Meine Mutter und mein Vater laufen beide Marathon, spielen Tennis und wir haben oft gemeinsam Wanderausflüge unternommen», sagt sie.

Die junge Frau spricht damit ein Thema an, das Experten unisono bestätigen: Dass das nahe Umfeld, also Eltern, Grosseltern oder auch die unmittelbare Nachbarschaft, einen grossen Einfluss darauf haben, wie Kinder Sport wahrnehmen und dementsprechend aktiv sind oder nicht. Dem pflichtet auch Robert Buchli bei. Buchli ist Sportpsychologe und betreut als Mentalcoach hauptberuflich Spitzensportler. «Studien aus dem Schulkontext zeigen, dass das nahe Umfeld matchentscheidend ist für den schulieschen Erfolg. Ähnlich sieht es im Sport aus: 10'000 Stunden üben, eine gute Einstellung und ein stimulierendes Umfeld sind die meistgenannten Talentfaktoren», sagt er. Und ergänzt: «Es ist kein Zufall, dass viele hoffnungsvolle Nachwuchsathleten, beispielsweise im Skisport, Kinder oder Enkelkinder erfolgreicher Ex-Skirennfahrer sind.» Diese sogenannten Wunderkinder entwickeln sich laut Buchli durch und dank ihres Umfeldes.

Kinder können sich beim Sport selbst als wirkungsvoll erleben

«Viele der Hockeyprofis, die ich als Mentalcoach betreue, standen mit zwei Jahren das erste Mal auf dem Eis – und Tiger Woods hat gar mit einem Jahr das erste Mal einen Golfschläger geschwungen», so der 37-jährige Fachpsychologe. Ob das sinnvoll sei oder nicht, sei Ansichtssache. Er unterstreicht damit aber, dass man sich über sportliche Aktivitäten des Kindes nicht erst im Kindergarten- oder Primarschulalter Gedanken machen sollte. «Man muss als Eltern schon im Krabbelalter den Mut haben, das Kind eigene Bewegungserfahrungen sammeln zu lassen.» Das habe noch nichts mit Sport zu tun, sondern dass man das Kind zum Beispiel selbständig eine Treppe überwinden lasse, damit es seinen Körper spüren könne. «Kinder von Sportmuffeln haben es schwer, ein Sportcrack zu werden», sagt der zweifache Familienvater.

Zwar müsse nicht aus jedem Kind ein Spitzensportler werden, doch es gebe verschiedene Gründe, warum Bewegung für Kinder wichtig ist. «Es ist für Kinder eine wichtige Erfahrung, dass sie sich selbst als ‹wirkungsvoll› erleben können», sagt Buchli. Und er ergänzt: «In fast keinem anderen Lebensbereich merkt man so deutlich, welchen Fortschritt man durch stetes Training erreichen kann. Diese Erfahrung ist für alle Lebensbereiche elementar», so der Psychologe, der ursprünglich ausgebildeter Lehrer ist.

Sportliche Kinder haben einen grösseren Wortschatz

Zwar könne man auch in anderen Lebensbereichen wie etwa beim Spielen eines Musikinstrumentes Fähigkeiten erlernen, die über die eigentliche Tätigkeit hinaus gehen. «Musik ist beispielsweise ein wichtiger Bestandteil im Lernprozess der Emotionalität. Aber ich bin der Ansicht, dass auch eine sportliche Förderung mehr Bereiche abdeckt als bloss die körperliche Fitness», sagt Buchli. Diese Aussage untermauert auch eine deutsche Studie aus dem Jahr 2007. Darin untersuchten Forscher an 2279 Kindergartenkinder im Alter zwischen 3 und 6 Jahren, wie sich Sport und Bewegung auf die Entwicklung der Kinder auswirkt.

Das Fazit: Sport treibende Kinder sind bei den kognitiven Fähigkeiten, also der Sprachentwicklung (Wortschatz), dem Erstlesen, Rechnen und Schreiben, deutlich weiter entwickelt als Kinder, die sich selten bewegen. Bei den motorischen Fähigkeiten schnitten die sportlichen Kinder hingegen nur geringfügig besser ab als die Bewegungsmuffel. Keinen Unterschied zwischen den beiden Zielgruppen konnten die Studienautoren hingegen bei den emotionalen Fertigkeiten feststellen. Buchli findet aber, dass Kinder gerade bei Mannschaftssportarten viel lernen punkto Interaktion mit anderen Kindern. Er beobachtet, dass dies den Kindern auch über den Sport hinaus im späteren Leben helfe.

Spass soll für Kinder im Zentrum stehen

Auch Erika Ruchti, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Sportpsychologie beim Bundesamt für Sport (Baspo), betont die Wichtigkeit von sportlicher Aktivität bei Kindern. «Kinder haben einen hohen Bewegungsdrang, dem soll in jeder Sportart Rechnung getragen werden», so die Sportpsychologin. Der Spass solle dabei im Zentrum stehen, denn Freude sei der wichtigste Antrieb. «Durch das positive Erleben des Sporttreibens steigt die Chance, dass die Kinder ein Leben lang sportlich aktiv bleiben», sagt Ruchti.

Ruchti empfiehlt, die Bewegung in Form von Alltagsaktivitäten in den Tagesablauf zu integrieren: «Gut sind Gartenarbeiten, für den Schulweg das Velo zu nehmen oder statt gemächlich zu schlendern zügig zu marschieren.» Regelmässige Bewegung, kombiniert mit einer ausgewogenen Ernährung, ist laut Ruchti eine Grundvoraussetzung für Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie ein gesundes Körpergewicht. Damit Knochen ausreichend gestärkt, Muskeln gekräftigt sind und die Kinder geschickt und beweglich bleiben, sollten lang anhaltende Tätigkeiten ohne körperliche Aktivität so weit als möglich vermieden oder durch kurze Bewegungspausen unterbrochen werden.

Brauchen Sie Tipps, wie Sie Ihr Kind zum Sport motivieren können? Lesen Sie hier, was Buchli und Ruchti raten.


* Name der Redaktion bekannt

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