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Kinderwunsch: Künstliche Befruchtung und andere Methoden

Wenn Paare auf natürlichem Weg kein Baby bekommen können, landen sie häufig bei Dr. Michael Häberle. Er ist Facharzt für Reproduktionsmedizin in Zürich. Mit familienleben sprach er über Behandlungsmöglichkeiten wie künstliche Befruchtung und den Druck, dem Paare sich aussetzen, um schwanger zu werden.

Künstliche Befruchtung im Labor
Für viele Paare ist eine künstliche Befruchtung die letzte Rettung. Foto: Hemera, Thinkstock

Statistisch gesehen ist das Alter der Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes angestiegen. Frauen bekommen ihre Kinder immer später. Wird es für eine Frau schwieriger, ein Kind zu bekommen, wenn sie älter ist, Dr. Häberle?

Es ist grundsätzlich schwieriger schwanger zu werden, je älter man wird. Die Frau hat das Fruchtbarkeitsmaximum zwischen dem 25. und dem 35. Lebensjahr. Ab dem 35. Lebensjahr nimmt die Fruchtbarkeit langsam ab. Mit 37 ein bisschen mehr, mit 40 noch mehr und mit 43 ist es dann ziemlich schlecht. Das Alter ist das einzige Problem, das wir nicht behandeln können. Was wir behandeln können sind zum Beispiel verschlossene Eileiter, zu wenig Spermien oder keine Hormone.

Geht der Trend dahin, dass Paare, je älter sie sind, mehr medizinische Hilfe in Anspruch nehmen?

Ich glaube das hängt nicht so sehr mit dem Alter zusammen. Eine Frau ist mit 37 einfach sensibilisiert. Wenn sie probiert, schwanger zu werden und es nicht klappt, sucht sie wahrscheinlich aufgrund ihres Alters schneller Hilfe. Ein Paar, wo beide 25 Jahre alt sind, das wartet vielleicht ein oder zwei Jahre. Eine Frau, die 37 Jahre alt ist, kommt schon nach einem halben Jahr oder nach einem Jahr. Aber ob ein Paar zum Arzt kommt, hängt nicht vom Alter ab, sondern vom Kinderwunsch und der Bereitschaft auch nichtromantische Wege in Anspruch zu nehmen, um Eltern zu werden.

Manche Menschen haben ethische Bedenken, wenn ein Baby nicht auf natürlichem Weg, sondern durch eine künstliche Befruchtung gezeugt wird. Ist bei den Paaren, die zu Ihnen kommen, der Kinderwunsch so gross, dass ihre ethischen Bedenken in den Hintergrund rücken?

Nein, ethische Bedenken haben alle. Es haben auch alle Angst vor der künstlichen Befruchtung oder vor der assistierten Reproduktionsmedizin. Es kommt darauf an, was Sie unter Ethik verstehen. Wir haben dazu in der Schweiz ein Gesetz. Alles das, was der Gesetzgeber akzeptiert, ist in unserer Gesellschaft ethisch korrekt. Natürlich gibt es auch Menschen in unserer Gesellschaft, die eine andere Auffassung von Ethik haben. Die müssen sich natürlich mit ihren eigenen ethischen Vorstellungen vorher auseinandersetzen. Die Paare, die zu uns kommen, haben sich damit in der Regel schon auseinandergesetzt. Der Kinderwunsch drängt sicher nicht die Ethik zurück.

In welcher Situation sind die Paare, die zu Ihnen kommen?

Paare, die zu uns kommen, versuchen seit einem oder zwei Jahren schwanger zu werden. Es klappt aber nicht. Die Paare sind in der Regel alle schon bei ihrem Gynäkologen gewesen, der eine Basisuntersuchung gemacht hat und die Paare zu uns schickt. Ungefähr bei einem Drittel der Paare finden wir hormonelle Probleme bei der Frau. Der Eisprung funktioniert nicht, der Zyklus ist zu lang oder zu kurz oder sie haben gar keine Periode. Bei einem weiteren Drittel finden wir Probleme beim Spermiogramm: Der Mann hat zu wenig Spermien oder sie sind zu wenig beweglich. Beim letzten Drittel finden wir Probleme bei beiden Partnern. Das heisst es gibt mehr als einen Grund für die Unfruchtbarkeit. Die sind schwerwiegender. Denn wenn nur ein Partner ein kleines Problem hat, kann der andere das durch eine gute Fruchtbarkeit auffangen. Das merkt man gar nicht. Diese Paare brauchen statt sechs Monaten acht oder zwölf Monate, bis sie schwanger werden. Aber wenn beide Partner ein Problem haben, wird es schwierig.

Mit welchen Methoden können Sie solchen Paaren helfen?

Es gibt viele Möglichkeiten. Da gibt es Hormonbehandlungen für den Eisprung. Für schlechte Spermien müssen wir zum Beispiel Insemination* oder In-vitro Fertilisation* durchführen. Es gibt viele Probleme, die man mit alternativen Verfahren wie mit Akupunktur oder mit traditioneller chinesischer Medizin lösen kann. Es gibt psychische Not- und Ausnahmesituationen, da zieht man einen Psychologen bei. Manchmal hilft auch etwas Hypnose.

*Bei der Insemination wird das gewaschene und konzentrierte Sperma des Mannes mit einem feinen Katheter durch den Gebärmutterhals in die Gebärmutterhöhle gespritzt. Ei- und Samenzellen werden bei der In-vitro Fertilisation in einer Glasschale zusammengebracht und nach der Befruchtung über einen Katheter zurück in die Gebärmutter gegeben.(Anm. d. Red.)

Sie hatten davon gesprochen, dass es schwierig ist, wenn beide Partner auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können. Können Sie diesen Paaren helfen?

In der Regel schon. Man versucht dann eine Behandlung zu finden, die beide Probleme löst. Wenn eine Frau zum Beispiel keinen Eisprung hat und beim Mann die Spermien wenig beweglich sind, dann bekommt sie Hormone, damit sie einen Eisprung hat. Zum Zeitpunkt des Eisprungs kann man die Spermien aufbereiten, waschen, die guten von den schlechten trennen und dann in die Gebärmutter hineingeben. Das heisst, wir machen hier eine Insemination mit einer Hormonstimulation*.

*Bei einer Hormonstimulation wird mittels Tabletten oder täglichen Hormonspritzen der Eierstock der Frau zur Bildung von Eibläschen stimuliert.(Anm. d. Red.)

Therapien wie die Hormonstimulation sind ein grosser Eingriff in den Körper. Es können starke Nebenwirkungen auftreten. Gibt es mildere Varianten?

Natürlich. Wir haben künstliche und natürliche Hormone zur Verfügung. Hormonbehandlungen mit künstlichen Hormonen haben Nebenwirkungen. Sie lassen sich nicht vermeiden, aber mildern und behandeln. Natürliche Hormone sind Hormone, die aus menschlichem Urin gewonnen werden. Die müssen in Spritzen verabreicht werden. Diese Hormonbehandlungen muss man gut überwachen. Denn es kann zur Bildung zu vieler Eizellen kommen. Dann gibt es Zwillinge, Drillinge, Vierlinge oder Fünflinge. Da muss man sehr gut aufpassen.

Dr. Michael Häberle ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe

Dr. Michael Häberle ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie im Zentrum für Gynäkologie, Fortpflanzungsmedizin, Mikrochirurgie und minimal invasive Chirurgie (GYN A.R.T. AG ) in Zürich. Hier werden Untersuchungen und Behandlungen von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch durchgeführt.


Am Zentrum arbeiten 3 Ärzte und 1 Biologielaborant. Zusammen mit anderen Partnerinstituten wie dem Spital und Gesundheitszentrum Sanitas Kilchberg/Adliswil und der Logolab AG, Zürich bietet das Zentrum nach eigenen Angaben die modernsten und erfolgreichsten Verfahren auf den Gebieten der Gynäkologie, Fortpflanzungsmedizin und Mikrochirurgie, sowie minimal invasiver Chirurgie an.

Belastend können ja nicht nur die Nebenwirkungen sein, sondern auch der Druck, unter den sich manche Paare selbst setzen. Sie wollen ein Baby und die medizinische Hilfe muss nun zum Erfolg führen. Auf was müssen sich Paare einstellen, wenn sie sich für eine Behandlung entscheiden?

Im Idealfall kann so eine Behandlung die natürliche Fruchtbarkeit wiederherstellen. Zu 100 Prozent. Man muss aber dem Paar genau erklären, was das bedeutet. Wenn eine Frau zum Beispiel 30 Jahre alt ist, ist ihre natürliche Fruchtbarkeit pro Monat ungefähr 20 Prozent. Das heisst, sie muss vier bis fünf Monate probieren, schwanger zu werden bis eine Schwangerschaft eintritt. Wenn wir ihr eine Behandlung anbieten, die die natürliche Fruchtbarkeit wiederherstellt, muss sie diese vier bis fünf Monate machen, um zu einer Schwangerschaft zu kommen. Ist die Frau 42 Jahre alt, ist die natürliche Fruchtbarkeit noch 5 Prozent. Das heisst, sie muss theoretisch 20 Monate probieren, schwanger zu werden. Dann ist die Frau 44 oder 45 Jahre alt und dann ist die natürliche Fruchtbarkeit bereits weit unter einem Prozent. Es kommt irgendwann ein Zeitpunkt im Alter der Eierstöcke, wo man nicht mehr genügend Behandlungen machen kann, um den Verlust der Fruchtbarkeit aufzuholen. Das muss man den Paaren erklären. Sie brauchen Glück, dass es klappt. Wichtig ist, dass man das den Paaren vorher genau sagt. Wenn sie genau informiert sind und realistische Einschätzungen ihrer Möglichkeiten haben, dann ist der Druck nicht so gross wie beim ersten Gespräch bevor sie all das wissen. Information ist sehr wichtig.

Was passiert, wenn sich die Paare doch zu stark unter Druck setzen?

Wir empfehlen dann eine psychologische Begleitung. Immer, wenn wir merken, dass der Druck sehr gross ist. Die wenigsten nehmen das in Anspruch. Wir machen das auch nicht zur Verpflichtung. Es ist normal, wenn man ein Ziel nicht erreicht, dass man traurig, deprimiert und enttäuscht ist.

Was ist, wenn auch die medizinische Hilfe nach Monaten oder gar Jahren nicht zur Schwangerschaft führt?

Dann müssen die Paare aufgeben. Bei sieben von zehn Paaren können wir helfen. Es ist von vornherein klar, dass die Erfolgsraten nie 100 Prozent sind. Es kann passieren, dass es nicht klappt. Entweder sie finden sich alleine damit zurecht oder sie brauchen psychologische Hilfe. Man muss das Thema so oft wie möglich ansprechen und auch die Alternativen muss man ansprechen. Paare können ganz verzichten, eine Adoption oder verschiedene Ei- oder Samenspenden ins Auge fassen. Da gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten.

 

Einige Behandlungen wie die In-vitro Fertilisation (IVF) und Intracytoplasmatische Spermieninjektion in Höhe von etwa 6000 bis 8000 CHF werden von der Krankenkasse nicht bezahlt. Welche Möglichkeiten haben Paare, die es sich nicht leisten können?

Das ist natürlich schwierig zu entscheiden. Die Paare gehen ja nicht mit ihrem Steuerausweis zum Doktor und sagen: Ich habe kein Geld. Wir haben ab und zu von zuweisenden Ärzten - wir betreuen Patienten nur auf Zuweisung - Anfragen. Die Ärzte haben den Eindruck, dass sich manche Paare die Behandlung nicht leisten können und fragen, ob es irgendeine Möglichkeit der Unterstützung gibt. Wir fragen die Firmen an, ob sie gratis Medikamente zur Verfügungen stellen. Wir erzichten auf unsere ärztlichen Leistungen. Das machen wir relativ regelmässig. Damit kann man die Kosten um mindestens 50 Prozent reduzieren. Die Krankenkasse zahlt alle Abklärungen der Unfruchtbarkeit und die meisten Behandlungen für einen gewissen Zeitraum, ausser die In-vitro Fertilisation. Die In-vitro Fertilisation wird in der Schweiz nicht besonders häufig durchgeführt.

Link-Tipps zum Thema Kinderwunsch und Unfruchtbarkeit

  • Eine Liste mit weiteren Kinderwunsch Zentren finden Sie unter www.kinderwunsch.ch
  • Das Zentrum für Gynäkologie, Fortpflanzungsmedizin, Mikrochirurgie und minimal invasive Chirurgie GYN A.R.T. AG hat eine Broschüre zum Thema «Kinderwunsch» verfasst. Sie können Sie hier downloaden.
  • Von der unabhängigen Beratungsstelle appella.ch gibt es die Informationsschrift zu den schulmedizinischen Sterilitätstherapien und Alternativen: «Der unerfüllte Kinderwunsch - wie gehen wir damit um?», die Sie unter www.appella.ch bestellen können.

Medizinische Therapien bei ungewollter Kinderlosigkeit kurz erklärt

Behandlung

Erklärung

Hormonstimulation

Bei Eizellreifungsstörungen kann mittels Tabletten oder täglichen Hormonspritzen der Eierstock der Frau zur Bildung von Eibläschen stimuliert werden. Der Eisprung kann mit einer Hormonspritze ausgelöst werden.

Inseminationen

Bei der homologen Insemination wird das gewaschene und konzentrierte Sperma des Mannes mit einem feinen Katheter durch den Gebärmutterhals in die Gebärmutterhöhle gespritzt. Damit verkürzt sich der Weg der Spermien zur befruchtungsfähigen Eizelle.

Wiederherstellung der Eileiter

Die Eileiter werden nach Unterbindung (als Verhütungsmethode), bei Verschluss am Abgang des Eileiters oder bei Verschluss am Ende des Eileiters mikrochirurgisch wiederhergestellt.

Operative Entfernung von Myomen

Myome (gutartige Tumore) werden durch eine Gebärmutterspiegelung entfernt. Das ist meist ein kleiner, ambulanter Eingriff, gelegentlich ist eine Übernachtung im Spital empfehlenswert.

In-vitro Fertilisation (IVF) und Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Wenn beispielsweise die Eileiter geschädigt sind, die Spermienqualität des Mannes deutlich eingeschränkt ist oder auch, wenn keine Ursache gefunden werden konnte, werden diese Methoden in Betracht gezogen. Bei beiden Formen der Behandlung erfolgt die Befruchtung der Eizelle ausserhalb des Mutterleibes. Ei- und Samenzellen werden bei der In-vitro Fertilisation in einer Glasschale zusammengebracht und nach der Befruchtung über einen Katheter zurück in die Gebärmutter gegeben. Bei der Intracytoplasmatischen Spermieninjektion wird das Spermium mechanisch unter dem Mikroskop mittels einer Mikropipette direkt in die Eizelle eingebracht.

Wiederherstellung der Samenleiter nach Unterbindung

Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Samenleiter beim Mann ist ein mikrochirurgischer Eingriff unter dem Operationsmikroskop. Es wird eine 2-Schicht-Anastomose der Samenleiter durchgeführt (Vernähen auf zwei Ebenen), sofern im Samenleiter Spermien nachgewiesen werden konnten.

Spermiengewinnung aus dem Nebenhoden

Unter dem Operationsmikroskop wird durch einen kleinen Schnitt der Hoden freigelegt und die verschiedenen Bereiche des Nebenhodens mikroskopisch beurteilt. Meist werden gestaute Kanälchen im Bereich von Nebenhodenkopf oder -körper entdeckt und eröffnet.

Operative Spermagewinnung aus dem Hoden

Durch einen kleinen Schnitt werden beide Hoden freigelegt und Gewebeproben entnommen. Die Hälfte der Gewebeproben wird im reproduktionsmedizinischen Labor auf Spermien abgesucht, die andere Hälfte geht zur pathologischen Untersuchung.

Quelle: Aus der Broschüre «Kinderwunsch» vom Zentrum für Gynäkologie, Fortpflanzungsmedizin, Mikrochirurgie und minimal invasive Chirurgie Zürich.

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