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Geschenkeflut an Weihnachten? Hier gilt: Weniger ist manchmal mehr

Der Jugendkonsumforscher Axel Dammler spricht im Interview über Geschenke an Weihnachten. So schön es auch ist, den Kindern ihre Wünsche zu erfüllen - oft schiessen wir dabei über's Ziel hinaus. Zu viele Geschenke sind nicht sinnvoll. Es gibt aber Möglichkeiten, wie wir auch ohne Geschenkeberg für glückliche Kinderaugen sorgen können.

An Weihnachten sollten Kinder nicht mit zu vielen Geschenken überhäuft werden.
Je mehr Geschenke, desto grösser die Freude der Kinder? Nicht unbedingt. (Bild: Milkos/iStock, Thinkstock)

Wie wird es dieses Jahr unter den Weihnachtsbäumen aussehen? Üppig oder abgeschwächt?

Die meisten Familien geben etwa 100 – 200 Euro (etwa 130 - 260 Franken, Anm. d. Red.) für die Weihnachtsgeschenke ihrer Kinder aus. Dazu kommen noch die Geschenke von Grosseltern und sonstigen Verwandten. 

Was schenken Eltern ihrem Nachwuchs?

Nach wie vor die Klassiker. Bei Kindern sind das die typischen Systemspielmarken wie Lego, Playmobil und Barbie. Mittlerweile zählen aber auch die Spielkonsolen dazu - der neue Nintendo Switch zum Beispiel. Mindestens genauso angesagt sind Sportgeräte wie Fährräder. Bei den Zehn- oder Zwölfjährigen liegt oft ein Handy oder gar ein Tablet unter dem Tannenbaum.

Werden Kinder und Jugendliche an Weihnachten mit Geschenken überhäuft?

Das ist von Familie zu Familie unterschiedlich. Tendenziell ist es so, dass die meisten Kinder wesentlich mehr bekommen, als sie verarbeiten können. Mit Verarbeiten meine ich, wenn ein Kind innerhalb von einem Tag mit einer Vielzahl von Geschenken überhäuft wird. Damit sind die meisten Kinder hoffnungslos überfordert. Das einzelne Geschenk, was ansonsten total super ist, geht unter. Dieser Umstand ist für alle Beteiligten unschön.

Wie wirkt sich eine Überforderung auf Kinder aus?

Im schlimmsten Fall mit Frustration. Das hat im Kleinen mit einer Art Sucht zu tun - es kommt hier noch was und da noch was … Die Kinder lernen nicht, dass das einzelne Geschenk befriedigend ist, weil immer noch was nachkommt. Am Ende des Tages sitzt das Kind auf einem Berg von Geschenken und ist unzufrieden, weil die Geschenkeflut nun vorbei ist.

Werden aus überhäuften Kindern unersättliche Erwachsene?

Das könnte sein. Die Konsumstile werden von der Familie sehr stark geprägt. Das findet aber nicht nur an Heiligabend statt, sondern das ganze Jahr über. Kinder passen sich dem Konsum  der Familie an. Sie lernen entweder: Geld ist ein knappes Gut und Geschenke sind nur an besonderen Tagen zu haben oder eben das Geld wird rausgehauen ohne Ende. Man kann an Heiligabend nicht das korrigieren, was man das ganze Jahr über falsch macht. Umgekehrt kann man auch das nicht verderben, was das ganze Jahr richtig gemacht wurde.

Wie viele Geschenke kann ein Kind an einem Tag verarbeiten?

Ich kann Ihnen keine konkrete Zahl sagen, das hängt von der Persönlichkeit des Kindes und des Alters ab. Generell gilt: Wenn ein grosses Geschenk dasteht, wird dieses alles andere erschlagen und wird die Aufmerksamkeit des Kindes absorbieren. Liegt die Nintendo Switch oder das Lego-Piratenschiff unter dem Baum, sind diese Geschenke so toll, dass alles andere nicht mehr beachtet wird. 

Dann ist ein grosses Geschenk ausreichend?

Ich denke schon. Dazu können noch ein paar kleinere Geschenke kommen, bei denen es dann okay ist, wenn diese nicht so viel Beachtung bekommen.

Was nun, wenn das Kind viele unterschiedliche Wünsche äussert?

Der Geschenkwunsch muss dauerhaft thematisiert werden. Kinder sind leicht zu beeinflussen, sie sehen in der Werbung oder bei Freunden Dinge, die sie ganz toll finden und unbedingt haben wollen. Wenn sie den Wunsch über einen längeren Zeitraum äussern, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass diese Geschenke Substanz haben. Wenn man ein Kind fragt: «Was würdest du mit dem Geschenk machen?» Sollte es einige Dinge aufzählen können. Spielzeuge, die Kindern vielfältige Möglichkeiten bieten, werden sehr oft benutzt. Spielsachen mit einseitigem oder zu wenig Spielwert landen eher in der Ecke. Eine andere Möglichkeit ist, gemeinsam in einem Spielwarengeschäft zu stöbern. So kann das Kind auch den Realitätscheck durchführen: Ist das Produkt, wenn ich es in der Hand halte, immer noch so toll, wie es in der Werbung angepriesen wurde?

Muss ich als Mutter jeden Wunsch der Kinder erfüllen?

Kinderwünsche in allen Ehren, es gibt aber auch eine elterliche Verantwortung. Man muss darauf achten, dass die favorisierten Geschenke dem Alter entsprechend sind. Die Altersangaben stehen nicht umsonst auf den Produkten, diese sind sehr wichtig und sollten  beachtet werden. Man hört immer wieder, dass sich kleinere Jungs Legosachen wünschen, die sie aber nicht zusammenbauen können, da die Technik viel zu kompliziert für das Alter ist. Auf diese Hinweise sollte man wirklich achten, damit an Heiligabend keine Frustrationen aufkommen.

Wie wird Weihnachten ein schönes Familienfest?

Weihnachten ist purer Stress. Für die Eltern, weil auf ihnen die ganzen Vorbereitungen lasten, und die Kinder sind durch den Wind, weil sie schon tagelang auf die Bescherung warten. Ich wünsche mir für die Familien, dass sie Weihnachten bewusster feiern, den Aktionismus runterfahren und die Weihnachtstage gemächlicher angehen lassen. An Weihnachten muss nicht alles perfekt sein.

Konsumforscher Axel Dammler

Zur Person

Axel Dammler studierte Kommunikationswissenschaften. Er ist Co-Geschäftsleiter des deutschen Markt- und Meinungsforschungsinstituts iconkids & youth, das sich spezialisiert hat auf Kinder- und Jugendforschung. Dammler arbeitet seit 1992 mit jungen Zielgruppen und führte zahlreiche Studien zu nationalen und internationalen Medien- und Konsumgütermärkten durch. Zudem veröffentlicht er regelmässig Artikel und Bücher zum Thema. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Interview: Natascha Mahle

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