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Trageberatung: «Das Baby ist beim Tragen da, wo es hingehört»

Tragen oder nicht Tragen, das ist hier die Frage: Während manche Eltern drauf schwören, hegen andere noch manche Vorurteile. Die Trageberaterin Sabrina Quarti erklärt im Interview, warum korrektes Tragen die seelische und physische Entwicklung des Kindes fördern kann.

Trageberatung: Eine Beraterin im Interview

Das Tragen unterstützt die natürliche Haltung des Kindes. Foto: iStock, Thinkstock

In manchen Kulturen ist das Tragen völlig normal, doch bei uns kursieren immer noch viele Vorurteile. So soll das Tragen zu Haltungsschäden beim Kind führen.

Das Vorurteil ist nicht ganz falsch. In einer schlechten Tragehilfe könnte das Tragen wirklich zu Schäden an der Hüfte oder Wirbelsäule führen. Aber mit einer guten Tragehilfe oder einem richtig gebundenen Tragetuch, in der das Kind gut in seiner natürlichen Haltung gestützt wird, hat das Tragen nur positive Auswirkungen.

Inwiefern?

Das Baby ist mit einem Rundrücken im Bauch der Mutter und kommt auch mit diesem zur Welt. Die doppelte S-Form der Wirbelsäule bildet sich erst noch. Durch das Tragen mit einer ergonomisch korrekten Tragehilfe oder einem gut gebundenen Tragetuch wird diese natürliche Haltung unterstützt und der Rücken geschont.

Was verstehen Sie unter einer ergonomisch korrekten Tragehilfe?

Eine, die mittwächst, sich auf Mutter und Kind einstellen lässt und sich der Physiologie des Babys anpasst.

Und wie ist das Tragen für die Mutter?

Das ist wie mit einem Rucksack: Bei einem guten mit Bauch- und Brustgurt verteilt sich das Gewicht und tut nicht weh. Ausserdem kommt es auf die Position des Kindes an. Es sollte auf Kusshöhe getragen werden, eng an der Mutter und möglichst verbunden. Es ist, als ob man ein wenig dicker wäre, aber das kennen Mütter ja aus der Schwangerschaft. (lacht)

Das Tragen ist also wie eine verlängerte Schwangerschaft?

Genau! Ein gut gebundenes Tuch oder eine korrekte Tragehilfe  ist wie eine Baucherweiterung. Das Baby kommt zwar nach neun Monaten zur Welt, ist aber noch nicht voll entwickelt. Es kann noch nicht reden, artikulieren oder sich alleine aufrechthalten – es ist eine physiologische Frühgeburt. Eigentlich wäre es erst nach ungefähr 18 Monaten Schwangerschaft bereit, zur Welt zu kommen. Daher ist es nur natürlich, dass man das Kind trägt. Es ist beim Tragen eigentlich da, wo es hingehört.

Was sind denn die Vorteile des Tragens für die Mutter?

Sie hat die Hände frei und ist viel flexibler. Eigentlich kann sie alles machen und ihr Kind immer mit dabei haben.

Und der Vater, kann der auch tragen?

Ich persönlich finde es etwas total Schönes, wenn Väter tragen! Denn sie sind am Anfang ein wenig aussen vor, während die Mutter in der Schwangerschaft und der Stillzeit eine sehr enge Beziehung zum Kind aufbaut. Durch das Tragen und diesen Hautkontakt können auch die Väter eine enge Verbindung herstellen. Meistens benutzen sie aber eine Tragehilfe und kein Tuch, das ist wohl männlicher mit all den Schnallen (lacht).

Durch das Tragen kann also eine Beziehung aufgebaut werden?

Auf jeden Fall! Gerade heute haben viele Menschen Bindungsprobleme. Daher ist es wichtig, dass die Kinder Nähe erfahren und zulassen können und sie die Sicherheit haben, dass jemand für sie da ist.

Wird das Kind durch das Tragen nicht verwöhnt, da es nicht lernt, alleine zu sein?

Verwöhnen ist für mich, wenn man das Kind mit Geschenken überhäuft - aber mit Liebe verwöhnen? Auch jeder Erwachsene wird gerne geliebt - das ist doch ein natürliches Grundbedürfnis!

So verringern sich bestimmt auch die Verlustängste des Babys.

Sicher! Wenn das Baby noch klein ist und seine Mutter nicht sieht, beginnt es zu schreien, weil es denkt, sie habe es alleine gelassen. Denn es kann frühsten mit sechs bis neun Monaten begreifen, dass auch ohne direkten Sichtkontakt jemand da ist. Durch diese zusätzliche Aussen-Tragzeit wird es diesen Ängsten nicht ausgesetzt und lernt zu Vertrauen.

Eine Studie des Kinderspitals Zürich hat herausgefunden, dass getragene Babys weniger Schreien.

Das Schreien ist der häufigste Grund meiner Trageberatungen. Babys können sich nur dadurch ausdrücken und sagen «Bleib bei mir, ich habe Angst», «Ich habe Hunger» oder «Ich habe volle Windeln». Durch das Tragen ist es nahe bei der Mutter und sie kann sofort auf seine Bedürfnisse eingehen. So kann man sogar in der Migros stillen und es merkt niemand. Mütter haben sowieso ein sehr gutes Gespür dafür, was für sie und ihr Kind stimmt.

Trageberatung: Eine Beraterin im Interview

Sabrina Quarti ist Mutter eines Sohnes, markenunabhängige Trageberaterin, der Trageschulen ClauWi & Didymos und Schneiderin für Tragehilfen, Kleider und Accessoires für kleine Traglinge aus Bern. Sie bietet eine persönliche Privatberatung unter worn-with-love.ch an. Eine Trageberatung mit Materialberatung kostet circa 80 Franken. Nicht inbegriffen sind die allfälligen Kosten für eine Tragehilfe oder ein Tragetuch. Diese betragen zwischen 60 bis 400 Franken.

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