Kinder unerwünscht: Der Streit zwischen Eltern und Kinderlosen
Für viele Kinderlose sind Kinder im Flugzeug oder Zug der blanke Horror. Ihr Ruf nach kinderfreien Zonen wird immer lauter. Doch die kinderfeindliche Einstellung verunsichert und empört viele Eltern. In der Schweiz grenzen sich Kinderlose von Eltern immer mehr ab, wodurch Experten eine stärkere Entwicklung zur getrennten Gesellschaft vermerken.

Viele Eltern kennen das: Im Café werden sie abgewiesen, weil sie einen Kinderwagen dabei haben, sie ernten böse Blicke, wenn ihr Kind im Zug weint oder laut spielt, oder sie dürfen ihren Nachwuchs in bestimmten Airlines oder bestimmte Urlaubsorte nicht mehr mitnehmen. Die Ursache: Viele Kinderlose fühlen sich in Flugzeugen, Zügen und öffentlichen Orten wie Cafés durch den Kinderlärm belästigt und in Ihrer Ruhe gestört. Im Zuge einer von 20 Minuten durchgeführten Umfrage mit 14‘000 Befragten gaben 54 Prozent an, dass Kinder und Babys im Flugzeug der «Horror» schlechthin seien. Kinder nervten die Befragten sogar noch mehr als verlorenes Gepäck (16 Prozent), betrunkene Mitreisende (13 Prozent) oder unfreundliches Personal (8 Prozent).
Werden Eltern in der Schweiz von Kinderlosen diskriminiert?
Wer Kinder hat, scheint es mancherorts in der Schweiz sehr schwer zu haben. Sara Müller von Mammaconnect und Autorin des ersten Führers für kinderfreundliche Cafés in Zürich kann ein Lied davon singen: «Mit Baby erntete ich auf einmal von vielen böse Blicke. Es gibt Lokale, wo einem das Personal ins Gesicht sagt, es sei nichts frei, obwohl es mehr als genug Platz hätte», schildert sie gegenüber 20min.ch. Auch die Geschäftsführerin von Pro Familia, Lucrezia Meier-Schatz, bemerkt: «Kinder sind bei uns leider eine Minderheit und die Intoleranz steigt.»
Klaus Haberkern, Soziologe am Institut für Soziologie an der Universität Zürich bestätigt, dass Kinder kein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft mehr sind. «Aufgrund der demografischen Alterung leben heute weniger Personen mit Kindern zusammen. Spielende Kinder fallen also mehr auf und gleichzeitig nimmt das Verständnis für diese Lebensphase ab», erklärt er.
Über Zonen und Tabu-Zonen für Kinder
2012 sprach sich die kinderlose FDP-Politikerin Elisabeth Schoch für so genannte Tabu-Zonen für Babys und Kinder aus. Zwar betont sie nicht kinderfeindlich zu sein, fordert aber von Eltern, dass sie «auf die Bedürfnisse ihres Nachwuchses Rücksicht nehmen, so dass dieser andere nicht unzumutbar belastet.» Somit trennen sich die Schweizer in zwei Lager, in Eltern und in Kinderlose. Ein solcher Trend zur Gesellschaftstrennung ist aber nicht nur in der Schweiz zu beobachten. Mittlerweile gibt es viele Orte, die zur Tabu-Zone für Kinder erklärt worden sind. Hierzu zählt unter anderem die 1. Klasse der Malasya Airline. Der Soziologe Haberkern kommentiert diesen Trend mit den Worten: «Diese Bereiche beugen zwar Konflikten zwischen Kinderlosen und Familien vor, Toleranz wird dadurch nicht gefördert, eher das Bedauern, dass man diesen Freiraum nicht überall und jederzeit haben kann.»
Und eben diese Toleranz könnte das Schlüsselwort für ein konfliktfreies Miteinander sein. Aber wenn sich die Schweizer grösstenteils bewusst für oder gegen Kinder entscheiden und die jeweils andere Seite mit Unverständnis ablehnen, kann keine Toleranz entstehen.