«Geh spielen, Mami chattet gerade»
Laut einer schwedischen Studie leidet jedes dritte Kind unter dem hohen Handykonsum seiner Eltern. Schweizer Experten zufolge sei dies auch hierzulande der Fall. Die Konsequenzen dieser Form von Vernachlässigung sind verheerend.

Wenn ein Kind mit dem Smartphone seiner Eltern konkurrieren muss, kann das schwerwiegende Folgen für seine Entwicklung haben. Foto: Monkey Business, Monkey Business Images, Thinkstock
Auf dem Spielplatz gibt es viele Attraktionen: Man kann rutschen, schaukeln und Türme aus Sand bauen. Stolz ruft der Nachwuchs seinen Eltern, die meist am Rande des Spielplatzes zu finden sind, zu: «Schau mal Mami, wie hoch ich schaukeln kann!» Dumm nur, wenn das Mami zu sehr mit ihrem Smartphone beschäftigt ist und noch nicht einmal kurz aufschaut, um ihren Kleinen beim Schaukeln zu bewundern.
Diese enttäuschende Situation erlebt laut einer Studie jedes dritte Kind in Schweden. Jedes fünfte Kind sei sogar verloren gegangen, während der intensiven Nutzung des Smartphones. Der Familienpsychologe Erhard Grieder ist davon überzeugt, dass das Ergebnis der schwedischen Studie auch auf die Schweiz übertragbar sei. Dafür spreche die Anzahl der Handys, denn pro 100 Einwohner werden 131 Mobiltelefone genutzt. «Mit den Smartphones ist die Menge der Eltern, die komplett auf etwas anderes als ihr Kind fokussiert sind, stark gewachsen. Mit einem Smartphone in der Hand bekommt man oft nichts anderes mehr mit», erklärt er gestern gegenüber 20min.ch.
Warum Eltern sich mehr dem Handy als ihrem Kind widmen
Viele junge Eltern müssen durch den Nachwuchs Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit hinnehmen, haben mehr Stress und weniger Zeit für sich. Das heisst, sie können sich nicht spontan mit Freunden treffen, um Neuigkeiten auszutauschen oder um mit ihnen auszugehen. Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. oder SMS-Nachrichten und E-Mails vermitteln Eltern das Gefühl, nicht ganz aus ihrem Freundeskreis ausgeschlossen zu sein.
Dass ihre Kinder dabei zu kurz kommen, scheint aber vielen nicht klar zu sein. Daniel Süss, Medienpsychologe an der ZHAW, fürchtet sogar, dass sich die Situation noch weiter verschärfen wird, da laufend neue Kommunikations- und Informationskanäle entwickelt würden.
Die Folgen, wenn Kinder mit dem Smartphone konkurrieren
Dass die seelische und geistige Entwicklung der Kinder unter dem steten Handykonsum ihrer Eltern leidet, berichtet Daniela Melone, Pro Juventute Leiterin der Elternberatung, gegenüber 20min.ch: Besonders wenn sie zunehmende versuchten die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zuerregen, während diese am Handy kleben, mache sich ihr Leiden bemerkbar. «Kinder brauchen unbedingt aufmerksame Eltern, sonst kann es schwerwiegende Probleme geben in der sprachlichen, kognitiven und sozialen Entwicklung», so Süss.
Denn Kinder können durch das Konkurrieren mit dem Handy sogar depressiv werden, erläutert Grieder, denn durch die Vernachlässigung fühlen sie sich missachtet und entwickeln Frust und Wut. Um beides, Smartphone und Kind, unter einen Hut zu bringen, rät Melone von Pro Juventute Eltern Smartphonezeiten einzurichten. Diese fänden sich zum Beispiel, wenn das Kind in der Schule ist oder seinen Mittagsschlaf hält.