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Hilfe, mein Kind ist in der Trotzphase! Wie ihr das Trotzalter gelassen übersteht 

Dein Kind brüllt plötzlich wütend herum, schlägt um sich oder wirft sich schreiend auf den Boden? Dann ist es wahrscheinlich in der Trotzphase, auch Autonomiephase genannt. Diese macht sich bei den meisten Kindern mit etwa eineinhalb Jahren bemerkbar und kann bis zum Alter von fünf Jahren dauern. Die Trotzphase bringt viele Eltern an ihre Grenzen. Aber trotzen ist ein wichtiger Entwicklungsschritt. Versuche gelassen zu bleiben: Machtkämpfe sind jetzt kontraproduktiv. Wie du ruhig bleibst, wenn die Gefühle hochkochen. 

Kleines blondes Mädchen schreit in den Armen der Mutter.
Trotz ist Ausdruck einer grossen Verzweiflung, die entsteht, wenn ein Kleinkind, den Kopf voller begeisternder Ideen, plötzlich ausgebremst wird. © GettyImages Plus, Halfpoint

Das Wichtigste in Kürze zur Trotzphase:

Auweia – beim Türme bauen läuft es gerade nicht so, wie das Kind will. Wütendes Geschrei, Bauklötze fliegen durch die Gegend, Tränen fliessen. In der Trotzphase entdeckt ein Kind seinen eigenen Willen – und auch, dass er nicht immer erfüllt werden kann. Das sorgt für Frust. Frust für denen den Kleinen oft die Worte fehlen. «Kleinkinder können ihre Gefühle häufig noch nicht sprachlich ausdrücken. Deshalb wüten sie mit dem Körper», erklärt Familientherapeutin Brigitte Saurenmann im Interview.

Trotzalter erkennen: So äussert sich die Trotzphase

Ein Trotzanfall tritt oft sehr plötzlich auf. Er kann mehrere Minuten dauern und teilweise ganz schön heftig sein. Es gibt Kinder, die sich jetzt sogar selbst weh tun. Wieder andere werden auch aggressiv anderen gegenüber. «Je nach Temperament des Kindes, aber auch abhängig davon wie seine Bezugspersonen mit Wutanfällen umgehen, können Trotzanfälle verschieden stark ausfallen», sagt Brigitte Saurenmann.

Trotz ist Ausdruck einer grossen Verzweiflung, die entsteht, wenn ein Kleinkind, den Kopf voller begeisternder Ideen, plötzlich ausgebremst wird.

Brigitte Saurenmann, Sozialpädagogin und Familienberaterin

Häufige Gründe und Anzeichen für Trotzanfälle in der Trotzphase

  • Dein Kind fühlt sich eingeschränkt: Es hat etwas Spannendes gesehen, was es unbedingt genauer ansehen oder ausprobieren will und Mama oder Papa lässt es (vermutlich aus guten Gründen) nicht zu. Auf das «Nein» der Eltern folgt ein Wutanfall. 
  • Dein Kind will mehr als es kann. Klar, macht das wütend, oder? Schuhe binden, Kleider anziehen oder auch Legosteine zusammensetzen muss man erst lernen. 
  • Dein Kind hat Hunger, Durst oder ist müde.
  • Dein Kind hat noch kein Zeitgefühl und seine eigenen Pläne. Es versteht nicht, wieso du sein Spiel unterbrichst, weil ihr Termine habt. Es lebt im Moment. Und es will jetzt spielen.
Saurenmann

Brigitte Saurenmann ist ausgebildete Sozialpädagogin und Familientherapeutin. Seit 2008 führt sie eine eigene Praxis. Die Erziehungsberaterin ist spezialisiert auf Babys und Kleinkinder bis sechs Jahren. Wir haben mit ihr in diesem Interview über die Herausforderungen während der Trotzphase gesprochen. 

Alter: Wann Kinder in der Trotzphase sind

Das Trotzalter beginnt bei den meisten Kindern um den 18. Lebensmonat herum, also wenn sie eineinhalb Jahre alt sind. «Die Intensität der Anfällte nimmt mit zunehmendem Alter aber ab», sagt Saurenmann. Mit drei Jahren ist die Trotzphase im Durchschnitt überwunden. Es gibt aber auch Kinder, die früher zu trotzen beginnen oder solche, die länger trotzen.

Trotzen schon mit 1? Wann die Trotzphase frühestens beginnt

Erste Anzeichen der Trotzphase kann es schon geben, sobald das Kind ein Jahr alt ist. Das Kind lernt jetzt nach und nach, dass es ein selbstständiges Wesen ist. Vielleicht ist die Trotzphase dann dafür ein bisschen früher fertig. Bei den meisten Kindern hören die Trotzanfälle im Alter von drei Jahren allmählich auf.

Dauer: Trotzphase auch noch mit 4 oder 5?

Auch in den weiteren Jahren können Kinder noch trötzeln. «Trotzanfälle mit vier oder fünf Jahren sind nicht unbedingt besorgniserregend», so Saurenmann. «Hält die Trotzphase allerdings bis ins Schulalter an, sollten Eltern sich nicht scheuen, fachliche Unterstützung zu suchen.» Dann haben Kinder noch nicht lernen können, Gefühle in Worte zu fassen und Konflikte sprachlich zu lösen. 

Warum Kinder in der Trotzphase Schlafprobleme haben

Im Schlaf verarbeiten Kinder, was sie am Tag erlebt haben. Doch Schlafprobleme lassen sich nicht einfach auf die Trotzphase zurückführen. In den ersten Lebensjahren gibt es Schlafregressions-Phasen, in denen Kindern das Durchschlafen leicht fällt, und Phasen, in denen sie sich häufiger melden. Das ist ganz normal. Wichtig für entspannte Nächte ist, dass das Kind immer wieder auch nachts zuverlässig Geborgenheit erlebt.

Kleines Mädchen sitzt trotzdend am Boden und Mutter schimpft
Verständnis zeigen statt Machtkämpfe: Je mehr Erwachsene Überlegenheit demonstrieren, umso stärker reagiert das Kind mit Trotz. © GettyImages Plus, StefaNikolic

Wann ist die Trotzphase am schlimmsten?

Viele Eltern empfinden die das Trotzalter als sehr anstrengend und fragen sich, wann es vorbei ist oder ob die Trotzanfälle noch intensiver werden. Wie stark ein Kind trotzt, hängt vom Temperament des Kindes ab, aber auch wie Eltern reagieren. «Je mehr Erwachsene Überlegenheit demonstrieren, um so verzweifelter wird das Kind trotzen. Zum Trotzen gehören immer zwei!», sagt Brigitte Saurenmann.

Wichtig ist, sich vor Augen zu halten, dass Kinder in der Trotzphase die Eltern nicht ärgern wollen. Das Kind verhält sich einfach nur altersangemessen. Und die Phase ist wichtig: Verstehen Eltern, dass die Trotzphase ein notwendiger Entwicklungsschritt im Leben ihres Kindes ist, fällt es ihnen leichter, gelassen zu bleiben. 

Was tun, wenn das Kind in der Trotzphase ist?

Als Eltern sollten wir versuchen, ruhig zu bleiben und nicht mit Unverständnis und Machtkämpfen zu reagieren. Dadurch können die Trotzanfälle nur weiter eskalieren. «Landläufig herrscht die Meinung, Kleinkinder wollten mit ihren Wutanfällen Grenzen austesten und die Geduld ihrer Eltern auf die Probe stellen», so Brigitte Saurenmann. «Das ist aber nicht der Fall.» Stattdessen erkennt das Kind, dass es ein selbstständiges Wesen ist. «Es entdeckt sich selbst – und damit sowohl seinen eigenen Willen als auch seine Wirkung auf andere.» «Das alles ist zunächst eine notwendige und sehr positive Entwicklung.»

Eltern sollten auf keinen Fall während eines Wutanfalls an die Vernunft des Kindes appellieren. Vernünftig denken kann ein Kleinkind noch nicht.

Richtig reagieren auf Trotzanfälle: 6 Tipps für Eltern

Während eines Anfalls kann es schwierig sein, ruhig zu bleiben. Vielleicht helfen dir diese Tipps beim richtigen Umgang mit deinem trotzenden Kleinkind.

1 Wut zugestehen: Kleine Kinder dürfen ihren eigenen Willen haben und sich mit ihren Mitteln für ihn einsetzen. Sie dürfen auch frustriert, wütend, traurig oder verzweifelt sein, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen können. Das kannst du deinem Kind zeigen, indem du seine Gefühle respektierst.

2 Aktiv zuhören: Dein Kind braucht die Sicherheit, dass du nicht böse bist, wenn es trotzt, sondern verstehst, was in ihm vorgeht. Aktives Zuhören vermittelt dem Kind genau diese Gewissheit: «Mama und Papa lieben und verstehen mich auch dann, wenn ich frustriert bin, weine und ich etwas anderes will als sie.» Aktiv Zuhören bedeutet, die Gefühle des Kindes zu spiegeln, und ihm beizustehen, bis sich der Sturm der Emotionen gelegt hat. «Du bist jetzt ganz schön sauer, weil du jetzt kein Eis bekommst. Deine Wut verstehe ich.» Das bedeutet nicht, dass du deinem Kind ein Eis kaufen solltest.

3 Bedürfnis erkennen: Worum geht es dem Kind, wenn es wütet, weil Mama nicht mit ihm zusammen schaukeln möchte? Welches Bedürfnis steckt dahinter? Hier könnte es sich um ein Bedürfnis wie Selbstbestimmung, Geborgenheit oder Erholung handeln. Gleichgültig um welches Bedürfnis es sich handelt, es lässt sich nicht nur durch gemeinsames Schaukeln mit Mama erfüllen. Es gibt auch andere Strategien. Vielleicht mag das Kind entscheiden, wo der Rückweg nach Hause lang führt, so dass es spürt, dass es auch manche Dinge selbst bestimmen kann. Oder es kuschelt mit Mama, während sie sich zusammen eine Geschichte ausdenken. Das hilft, sich geborgen zu fühlen – und auch, sich zu erholen.

4 Verletzungen vermeiden: Ein trotzendes Kind darf andere Kinder nicht verletzen. Schlägt dein Kind jemanden, kannst du seine Hände festhalten und ganz ruhig sagen: «Stopp, ich will nicht, dass du haust. Das tut weh.» Später, wenn dein Kind sich beruhigt hat, kannst du mit ihm zusammen überlegen, was es tun darf, um Wut loszuwerden. Vielleicht wird ein Kissen zu einem Wutkissen ernannt, das das Kind schlagen oder werfen darf?

5 Weitblick nutzen: Ein Kind muss nicht immer von jetzt auf gleich ausgebremst werden. Oft lässt sich im Vorfeld ankündigen, worauf es sich einstellen muss. «Noch zehn Mal wippen, dann gehen wir» – so kann die Ankündigung lauten.

6 Geduld und Zeit: Wenn Trotzanfälle euren Tagesablauf prägen und die Gefühle ständig hochkochen, brauchen Eltern und Kind Entspannung. Am besten, du planst den Tag nicht zu eng, sodass Zeit für friedliche Momente bleibt – Kuscheln auf dem Sofa, ein Bilderbuch vorlesen, an frischer Luft Blätter sammeln oder gemeinsam eine Geschichte erfinden.

2 Dinge, die du nicht tun solltest, wenn dein Kind einen Trotzanfall hat

1 Appelliere nicht an die Vernunft deines Kindes. Wenn es trotzt, ist es aufgeregt und verzweifelt – es kann keine Einsicht üben.

2 Unbedingt Machtkämpfe vermeiden! Eltern, die in Widerstand gehen, ihr Kind auflaufen lassen, es vielleicht sogar bestrafen oder alleine lassen, steigern seine Verzweiflung.

Weitere Tipps von der Expertin Brigitte Saurenmann findest du in diesem Interview.

Hilfe für Eltern: Trotzende Kinder sind anstrengend!

Ein trotzendes Kind bietet keinen Grund, sich zu sorgen – sondern eher Anlass, einen neuen Entwicklungsschritt zu würdigen. Dennoch kann diese Phase für dich sehr anstrengend sein und viel Geduld fordern. Wir erhalten immer wieder Anfragen von überforderten Eltern, die Angst haben, dass «ihnen die Hand ausrutscht» oder die einfach keine Energie mehr haben für die Machtkämpfe mit ihrem Kind. Lass dich in diesem Fall beraten oder hol dir Hilfe. Beratungsstellen findest du hier.

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