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Computerspiele: Wieviel Bits sind gut für Kinder?

Viele Kinder verbringen viel Zeit am PC und an der Spielkonsole. Schult das Gamen und Surfen wichtige Fähigkeiten - oder trainieren Kinder etwas, das sie gar nicht brauchen? Ein Pro und ein Contra von Expertinnen.

Computerspiele für Kinder
Haben Computerspiele auch Vorteile für die Motorik der Kinder? Foto: iStock, Thinkstock

Pro

Je früher ein Kind mit sinnvoller Software an den Computer herangeführt wird, desto eher erkennt es die Möglichkeiten, die der PC neben dem Spielspass bietet und kann diese nutzen

Cordula Dernbach Cordula Dernbach

Sie sind Computermedienpädagogin an der Erziehungsberatungsstelle Aschaffenburg. Gehören Computer heute zum Familienalltag? In der Regel ja. Das erfahre ich jeden Tag in der Erziehungsberatungsstelle. Zu mir kommen Eltern, die sich mit dem Thema Computer allein gelassen fühlen. Sie sind unsicher, da ihnen die Kinder häufig einiges voraus haben am PC. Ich finde es wichtig, dass diese Eltern die Möglichkeit haben, sich Rat zu holen. Nur so können Sie ihren Nachwuchs kompetent bei der Entdeckung des Mediums Computer begleiten.

Woher kommt die Faszination für Computerspiele? Zum einen reizt es Kinder, beim Spielen etwas bewegen zu können: Wenn sie etwas anklicken, erscheint eine Animation. Anders als beim Fernsehen können Kinder die Aktion auf dem Bildschirm beeinflussen. Es erscheinen Bilder und Töne und sie können aktiv mit machen – das fasziniert Kinder.

Welche PC-Spiele gibt es für Kinder? Man kann die Angebote unterscheiden zwischen Lern- und Spielprogrammen. Darunter befinden sich Geschicklichkeitsspiele und Simulationen. Dann gibt es noch die sogenannten „Edutainment-Programme“, die Lernen und Spielen miteinander verbinden.

Was zeichnet gute Computer-Lernspiele aus? Ein Qualitätsmerkmal ist eine Software mit Speicherfunktion. So kann ein Kind die mit den Eltern vereinbarte Zeit, zum Beispiel 20 Minuten, spielen und am nächsten Tag wieder dort einsteigen, wo es aufgehört hat. Das erleichtert die Einhaltung der Absprachen und motiviert das Kind, weil es weiterkommt. Ein gutes Spiel kann zudem über die Auswahl verschiedener Schwierigkeitsstufen den Fähigkeiten des Kindes angepasst werden. Wenn es dann noch spannend gemacht ist - umso besser.

Was ist derzeit Trend auf dem Spielmarkt? Bewegungsspiele sind im Kommen oder Games, die man unterwegs spielen kann. Bisher waren Lernspiele nur am PC zu finden. Mittlerweile öffnet sich aber auch die Gamekonsole für den Lernbereich. Spielkonsolen eignen sich zum Beispiel sehr gut als Plattform für Knobelspiele. PC-Spiele sind in Verruf geraten, Kinder würden vor dem Bildschirm vereinsamen. Dem wirkt die Strategie der Konsole mit neuen Angeboten entgegen, bei welchen es um Bewegung in der Gemeinschaft geht. Bei einem visuellen Tennis- oder Kegelspiel bleiben Kinder in Kontakt.

Was halten Sie von PC-Lernprogrammen für Grundschulen? Gerade für schwächere Schüler ist es sinnvoll, Computer-Lernprogramme in den Unterricht einzubeziehen. Sie bieten manchen Kindern die Chance, spielerisch Dinge nachzuvollziehen. Bei Mathematik-Spielen zum Beispiel können diese Kinder dann die Aufgaben in ihrer individuellen Geschwindigkeit üben. In der Regel reicht ein PC im Klassenzimmer, um Kinder beim Lernen effektiv zu unterstützen.

 

Kinder können im Umgang mit dem PC sehr gut lernen zu selektieren und schnell auf neue Informationen zu reagieren. In Computerspielen können Kinder Fehler machen und sich ausprobieren, ohne dass ihnen etwas geschieht.

 

Was spricht für die Spielkonsole in der Freizeit? Der PC ist eine reizvolle Unterstützung beim Entdecken der Welt: Kinder können im Umgang mit dem PC sehr gut lernen zu selektieren und schnell auf neue Informationen zu reagieren. In Computerspielen können Kinder Fehler machen und sich ausprobieren, ohne dass ihnen etwas geschieht. Zum Beispiel Springen und Fallen, oder in verschiedene Rollen schlüpfen. Daneben ist es reizvoll, zu merken, dass man sich etwas aufbauen kann, wenn man dabei bleibt – etwa eine eigene Welt in einem Simulationsspiel. Manche Kinder lassen sich von herkömmlichen Spielen nicht fesseln, können am Computer jedoch mit Ausdauer konzentriert an einem Ziel arbeiten. Zum besten Freund sollte der Computer jedoch trotzdem nicht werden. Als Ergänzung ja – er ist aber kein Ersatz für das freie Spiel mit Freunden.

Gibt es ein Idealalter, um Kinder an den PC heran zu führen? Das hängt vom Interesse des Kindes ab und davon, welche Rolle der PC in der Familie spielt. Nutzen Eltern den Computer täglich als Arbeitsgerät, will das Kind meist mitmachen. Wichtig ist, dass Eltern altersgerechte Software aussuchen. Ein guter Zeitpunkt ist das Vorschulalter. Meist suchen Kinder zwischen fünf und sechs Jahren eine neue Herausforderung.

Wie können Eltern die richtigen Lernspiele auswählen? Einen Überblick verschafft man sich zum Beispiel mit Sonderheften von Computerzeitschriften über Kindersoftware. Daneben rate ich Eltern, die Demoversionen der Spiele im Internet auszuprobieren oder Spiele vor dem Kauf in Bibliotheken auszuleihen. So gehen sie sicher, dass die Inhalte das Kind ansprechen und nicht überfordern.

Was müssen Eltern über den PC wissen? Es genügt, die Grundfunktionen zu kennen. Eltern sollten keine Angst vor dem Ausprobieren haben. Kinder freuen sich, wenn sie ihren Eltern etwas erklären können. Der PC bietet Eltern und Kindern die Chance, von- und miteinander zu lernen. Das sollte man nutzen.

Contra

Die Verfügbarkeit von Computern zu Hause und die intensive Nutzung von Computern in der Schule gehen nicht mit besseren, sondern zumeist mit schlechteren Schülerleistungen einher. Die Spiele werden häufig auf Kosten von Lernen und Hausaufgaben sowie Schlaf gespielt

Dr. Sabine Schiffer Dr. Sabine Schiffer

Als Geschäftsführerin am Institut für Medienverantwortung in Erlangen: Welche Rolle spielt der Computer heute in der Freizeitgestaltung? Bei Kindern im Vor- und Grundschulalter ist der PC als Spielgefährte bisher noch nicht so weit verbreitet. Die Computerindustrie sorgt jedoch dafür, dass er immer früher in die Kinderzimmer einzieht. Den Eltern wird suggeriert, dass ihre Sprösslinge etwas verpassen, wenn sie den Computer erst in jugendlichem Alter entdecken. Die Industrie setzt hier bewusst das Wort „Medienkompetenz“ ein. So soll der Eindruck entstehen, Computerspiele seien ein wichtiger Teil der Erziehung.

Wie können Kinder Medienkompetenz erwerben? Kinder lernen sehr schnell, wie man Geräte bedient. Was am Bildschirm passiert, wenn man mit der Maus auf bestimmte Zeichen klickt, hat ein Kind in drei Minuten heraus. Dazu bedarf es keiner Lernspiele, wie seitens der Hersteller propagiert wird. Medienkompetenz ist jedoch nicht, zu wissen wie man mit Maus und Tastatur umgeht, sondern die Fähigkeit eines Menschen, im Informationsstrom den Überblick zu behalten. Kinder müssen lernen, nützliche von überflüssigen Informationen zu trennen. Diese Unterscheidungskompetenz lernen Kinder bis zwölf Jahre nur in der direkten Erfahrung ihrer Umwelt.

Das Spielen am PC trainiert eine sehr reduzierte Wahrnehmung. Ständig werden sie belohnt. Sie lernen keine Frustrationstoleranz. Und oft haben sie dann gar keine Geduld mehr, Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen.

 

Wie sollten Kinder den Computer denn erfahren? Der Computer sollte Kindern nicht als Spiel-, sondern als Arbeitsgerät vertraut gemacht werden. Das Spielen am PC trainiert eine sehr reduzierte Wahrnehmung. Ständig werden sie belohnt. Sie lernen keine Frustrationstoleranz. Und oft haben sie dann gar keine Geduld mehr, Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. Denn das ist anfangs mühsam und erfordert Ausdauer und Konzentration.

Halten die Lernspielangebote, was sie versprechen? Sie halten nur dann, was sie versprechen, wenn das Kind primäre Kompetenzen schon erworben hat. Sprich: Bestimmte Simulationen haben nur dann einen Sinn, wenn Kinder diese Nachahmungen einordnen können. Basteln, Turnen, etwas Fallen lassen – das sind alles Dinge, bei welchen Kindern die räumlichen Dimensionen erfahren können. Die grundlegenden Fähigkeiten wie Vorstellungskraft, Geduld und Ausdauer sollten die Basis bilden. Damit lernt ein Kind schnell alles andere – auch den Umgang mit dem PC.

Muss ein selbstverantwortlicher Umgang mit dem PC nicht schon früh trainiert werden? Sicher. Aber man kann von Kindern nicht verlangen, dass sie im Umgang mit dem Computer Selbstdisziplin üben. Die Vorstellung, Kinder würden sich beim Spielen oder Internetsurfen selbst beschränken, ist eine Utopie. Kinder müssen zuerst einmal erfahren haben, was es heisst, nach mühevollem Training – zum Beispiel in einem Sportverein – eine bestimmte Leistung zu bringen, gegen ein anderes Team zu gewinnen oder eine Figur perfekt zu beherrschen. Dann wissen sie, dass sich Training und all die damit verbundene Ausdauer und Mühe lohnt. Kein Kind lernt Selbstverantwortung, indem man ihm alle Möglichkeiten offen lässt. Eltern lassen hier ihre Kinder zu oft zu früh im Stich.

Was halten Sie von PC-Lernprogrammen für Grundschulen? Gerade für schwächere Schüler ist es sinnvoll, Computer-Lernprogramme in den Unterricht einzubeziehen. Sie bieten manchen Kindern die Chance, spielerisch Dinge nachzuvollziehen. Bei Mathematik-Spielen zum Beispiel können diese Kinder dann die Aufgaben in ihrer individuellen Geschwindigkeit üben. In der Regel reicht ein PC im Klassenzimmer, um Kinder beim Lernen effektiv zu unterstützen.

Wie können Eltern dafür sorgen, dass Kinder den PC sinnvoll nutzen? Eltern sollen ihren Kindern helfen, den Computer in seiner Bedeutung als alltägliches Arbeitsgerät einzuordnen. So nehmen sie dem PC das Geheimnisvolle, das Kinder oft erst für das Gerät begeistert. Daneben sollten sie versuchen, die Nutzung von PC und TV von Inhalten abhängig zu machen. Computerspielen, Internetsurfen oder Fernsehen sollten nicht als Freizeitaktivitäten gelten. Besser ist es, eine bestimmte Sendung oder ein spezielles Ziel herauszugreifen. Das kann man dann gemeinsam ansehen oder darüber diskutieren. Der Computer darf nicht zum Zeitfresser werden. Langeweile ist sehr kreativ, wenn man sie zulässt!

Interviews: Annkatrin Heidenreich

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