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Familien entdecken das multifunktionale Lastenfahrrad

Das Lastenfahrrad erobert die Schweiz. Nicht nur Fahrradkuriere sind damit unterwegs, auch Familien finden immer mehr Gefallen an den multifunktionalen Velos. Unsere Autorin hat Lastenfahrräder getestet und eine Familie getroffen, die damit begeistert durch Zürich fährt.

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Lastenfahrrad: TrioBike Mono

Das TrioBike Mono kommt aus Dänemark. Die Kinder sitzen gemütlich auf Sitzpolster und können angegurtet werden. Das runde Rad gibt es in verschiedenen Farben: weiss, schwarz, rot, grün und blau. Erhältlich ohne Motor mit Sitz und Verdeck ab 3'405 Franken. Foto: Evelyn Leemann

 

Schnell mit dem Auto mit den Kindern in die Stadt fahren und wieder nach Hause. Das ist in grösseren Städten nicht so einfach. Los geht es schon bei der Parkplatzsuche, die kann unsere Nerven mehr als überstrapazieren. Das Lastenfahrrad ist eine gute Alternative. Sie sind im Trend, das bestätigt Daniel Bachofner, Projektleiter bei Pro Velo Schweiz: «Dank der elektrischen Unterstützung kommen Cargobikes nun auch in die Schweiz. Bisher sind sie vor allem in den Niederlanden und in Dänemark ein fester Bestandteil des Strassenbildes, wo sie auch hergestellt werden». Der ganz grosse Durchbruch sei bisher aber ausgeblieben, da die Platzverhältnisse auf Schweizer Strassen vielerorts knapp seien.
Viele Familien begeistern sich für die Lastenvelos, das spürt André Niedermann, Geschäftsführer von Babboe Schweiz, einer holländischen Velomarke. Er importiert die kultigen Fahrräder in die Schweiz: «Vor allem in urbanen Regionen mit steigendem Verkehr ist das Lastenfahrrad eine gute Alternative». Weltweit sei ein grosser Anstieg zu spüren.

Lastenfahrräder sind multifunktional einsetzbar

In der Schweiz fahren die meisten ein Lastenfahrrad mit einem Motor. Nur gerade 20 Prozent setzen auf Muskelkraft.  Die Sicherheit sei gewährleistet auch wenn Kinder mitfahren, sagt Daniel Bachofner, Projektleiter von Pro Velo Schweiz: «Wenn die Ladefläche vorne ist, hat man die Passagiere dauernd im Blickfeld. Das ist ein Vorteil gegenüber den Kinderanhängern. Im Transportvelo dürfen zwei Kinder mitgeführt werden. Dabei müssen sie angeschnallt sein wie im Kinderanhänger». Die Kiste der Lastenvelos liefere zudem einen guten Aufprallschutz, ergänzt Niedermann.

Ich wollte es genau wissen und bin nach Adligenswil LU gefahren. Dort hat André Niedermann sein Lager. Ich habe vier Lastenfahrräder getestet. Mit und ohne Motor – mit zwei und drei Rädern:

Rasant mit dem Lastenfahrrad dank Elektromotor: das Babboe Big im Test

Der erste Eindruck: Das dreirädrige Babboe Big sieht richtig chic aus. Nicht zu modern. Es erinnert mich an die 70er Jahre. Es hat einen schwarz glänzenden Metallrahmen und eine braune Holzkiste. In der Kiste haben zwei Kinder genügend Platz. Es können sogar vier mit dem Lastenfahrrad transportiert werden. Es hat Sitzpolster und Sicherheitsgurte. Das Fahrrad ist erhältlich ab 2'599 Franken. Was mir gleich zu Beginn Freude bereitet: Es ist ein Elektro-Lastenrad, ich werde also nicht ins Schwitzen kommen. Oder doch? Der Start ist nicht wie bei einem normalen Velo: Rauf sitzen und losfahren. Ich komme mächtig ins Rotieren trotz Instruktion. Wie geht das mit der Kurve nochmals? Das Steuern ist ganz wichtig, sonst geht die Kiste auf die eine Seite und der Oberkörper auf die andere.
Wer mir zuschaut denkt: Das ist aber eine Anfängerin. Ich bin sehr unsicher und muss mich an die Grösse des Velos und das Steuern gewöhnen. Zusätzlich werde ich vom Elektroantrieb überrascht. Es geht richtig schnell vorwärts. Jetzt bin ich mit bis zu 25 Stundenkilometern unterwegs. Ich teste das Fahrrad ohne Last. Da ich eher ein Angsthase bin, höre ich auf zu treten, dann fährt das Lastenfahrrad nicht mehr so rasant.  Dank dem Motor komme ich ohne Probleme den kleinen Hang hinauf. Je länger ich fahre, desto sicherer fühle ich mich. Ich sitze gemütlich im Sattel und es fängt an Spass zu machen. 

Muskelkraft anstatt Motor: das trioBike Mono im Test

Kaum habe ich mich an die Bequemlichkeit des Elektrobikes gewöhnt, muss ich beim zweiten Test meine Beine anstrengen. Ich probiere ein dreirädriges Fahrrad der Marke trioBike Mono, erhältlich ab 3'405 Franken mit Sitz und Verdeck. Weil das Bike keinen Motor hat, ist es im Vergleich zum ersten Fahrrad ein wenig leichter. Das Gestell ist weiss. Es hat eine weisse Kunststoffkiste und sieht daher etwas moderner aus. Die Kiste hat die Form von einem kleinen Bobschlitten. Es haben zwei Kinder Platz. Die Kinder sitzen gemütlich auf Sitzpolster und können angegurtet werden. Die Kiste ist aber nicht ganz so geräumig wie beim ersten Testobjekt. Am Anfang fühlt es sich ein wenig wackelig an. Das grösste Problem sind auch hier die Kurven. Da der Lenker gerade ist, muss ich meinen Oberkörper noch lockerer machen. Das Velo hat eine gute Federung, und es fühlt sich bequem an. Zum Abschluss kommt die Steigung, ohne Motor gar nicht mal so einfach.  Zum Glück hat es mehrere Gänge. Mit dem tiefsten Gang schaffe ich die Steigung, allerdings ohne Ballast. Das Fahren bereitet mir auch mit dem zweiten Fahrrad Freude, ohne Motor ist es aber viel anstrengender.

Jetzt braucht es Balance auf zwei Rädern: das Babboe City im Test

Mit drei Rädern hat es bisher recht gut funktioniert. Ob es auf zwei Rädern auch so gut klappt? André Niedermann bringt mir die Babboe City Version. Es ist 255 Zentimeter lang. Ohne Motor ist das Fahrrad ab 1'699 Franken erhältlich. Die markante Kiste aus Buchenholz hat abgerundete Ecken. Mit diesem Rad transportieren Sie je nach Alter zwei Kinder. Sie können mit einer Zusatzbank sogar bis zu vier mitnehmen. Es ist schmaler und steht auf zwei Rädern: «Ganz wichtig, nicht nach unten schauen. Wenn Sie den Horizont vor sich haben, können Sie das Gleichgewicht besser halten». Der Tipp von Niedermann ist gut. Ich kann ohne grössere Probleme losfahren. Was sehr speziell ist, das vordere Rad ist weiter weg als bei einem normalen Velo. Vor der Kurve habe ich grossen Respekt. Das Rad macht schon eine Kurve, die Kiste bewegt sich erst später. Es wackelt ein wenig und ich muss das Gleichgewicht halten.  Übung macht den Meister. An der Kreuzung muss ich die Füsse auf den Boden stellen. Das Anfahren dauert seine Zeit. Nach der Fahrt wird das Velo auf den Ständer gestellt. Auch hier braucht es Kraft, allerdings in den Armen und nicht in den Beinen.  

Der Ferrari unter den Lastenrädern: das Butchers & Bicycles im Test

Zum Abschluss gibt es noch ein wenig Hightech. Es ist das neue Dreirad von Butchers & Bicycles erhältlich ab 4’190 Franken ohne Strom. Dieses Lastenfahrrad kommt aus Dänemark. Es sieht sehr modern aus. Es hat einen eckigen Aluminiumrahmen und fühlt sich sehr leicht an. In der robusten und stabilen Kiste haben sehr gut zwei Kinder Platz. Es hat eine Sitzbank und Sicherheitsgurte. Der Einstieg durch eine Fronttüre mit Kindersicherung ist einfach. Dank seiner Neigetechnik kann der Fahrer richtig schön in den Kurven liegen. Im ersten Moment habe ich das Gefühl, dass das Velo gleich zur Seite kippt. Ich möchte es auffangen, dabei steht es noch. Es hat eine Nabenschaltung - einfaches und stufenloses Schalten. Ich kann nach Lust und Laune rauf und runter drehen, es dreht einfacher als bei einer normalen Gangschaltung. Nach mulmigem Start gewinne ich immer mehr Vertrauen, obwohl auch hier das grösste Problem in den Kurven liegt. In den Kurven liege ich noch nicht, da fehlt mir noch der Mut. Ich komme gut vorwärts auch ohne Motor. Hightech pur, die allerdings seinen Preis hat.

Vier Lastenfahrräder habe ich getestet. Am Anfang fühlte ich mich sehr unsicher. Die Velos sind um einiges grösser als meines zu Hause. Je länger ich unterwegs war, je sicherer habe ich mich gefühlt. Ich hatte auf allen Fahrrädern Spass. Am besten hat mir das Babboe Big gefallen. Hier hat Fahrgefühl und auch das Aussehen gepasst. Die Kiste bietet genügend Platz für Kinder und Einkauf.  

Mit dem Lastenfahrrad in Zürich unterwegs

Ronnie Joseph aus Zürich hat seit drei Jahren ein Lastenvelo. Das Babboe City steht direkt vor der Haustüre. Ich sehe es schon von weitem als ich ihn besuche. Es fällt auf neben all den parkenden Autos am Strassenrad. Es sei eine tolle Sache, wenn man es im Griff hat, sagt Joseph. «Am Anfang ist es gewöhnungsbedürftig gewesen, mit der Zeit bin ich aber immer besser damit zurecht gekommen». Er habe gut zwei Wochen gebraucht bis er sich so sicher fühlte wie mit einem normalen Velo.

Ein grosser Vorteil sei der Zeitgewinn. Mit dem Lastenvelo sei man schnell in der Krippe, im Büro und wieder zu Hause. «Zu Fuss geht es ewig. Es ist als wäre man mit einer Schafherde unterwegs: Alle gehen in eine andere Richtung. Man muss schauen, dass man alle beisammen hat». Beim Lastenvelo könne er seine einjährige Tochter und seinen dreijährigen Sohn reinsetzen, den Velohelm anlegen, sie anschnallen und losfahren. Gut findet er, dass er mit den Kindern während der Fahrt sprechen kann. Ein Nachteil sei sicher der Preis. Es sei eine verhältnismässig teure Investition. Wer häufig mit dem Lastenvelo unterwegs sei, müsse es auch mehr warten. Dabei entstehen weitere Kosten. Sein Velo sei vom Strom abhängig, wer nicht plötzlich stehen bleiben will, muss die Batterie regelmässig aufladen. Die Distanz spiele auch eine wichtige Rolle. Je steiler das Gelände, desto mehr Power braucht es.

Ein Hingucker in der Stadt

Er erhalte viele positive Feedbacks, wenn er mit seinem Lastenfahrrad unterwegs ist. «Die Leute strahlen mich schon an, wenn ich angefahren komme. Autofahrer finden es hingegen weniger toll. Das Velo fährt langsamer an, braucht mehr Platz und sie getrauen nicht immer zu überholen». Zürich sei eine schwierige Velostadt, die Strassen seien eng, stark befahren und man komme mit dem Lastenfahrrad nicht überall durch.  Die Investition in eines habe sich für ihn gelohnt. Seine Kinder geniessen die Fahrt im Lastenvelo. Sein dreijähriger Sohn habe sich am Anfang wie ein kleiner Kapitän gefühlt und während der Fahrt alles kommentiert. Ronnie Joseph ist das ganze Jahr mit dem Lastenvelo unterwegs. Es eignet sich für den Waldausflug, in der Stadt, zum Einkaufen aber auch Entsorgen. Einfach multifunktional.

Autor: Evelyn Leemann im April 2015

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