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Gesund essen: So lassen sich Kinder beeinflussen

Fünf Portionen Früchte und Gemüse am Tag: Wer kennt diese Regel nicht? Doch im Alltag gesund zu essen, fällt den meisten nicht leicht. Wie sich Eltern und Kinder bei der Lebensmittelwahl beeinflussen lassen und wie Sie sich doch noch gesund ernähren können, hat Dr. Michael Siegrist, Professor am Institut für Umweltentscheidungen an der ETH, herausgefunden.

Gesund essen ist nicht kinderleicht.
Kinder essen mehr Gemüse, wenn verschiedene Gemüsesorten zur Auswahl stehen. Foto: Portishead1, iStock, Getty Images Plus

Jedes fünfte Kind zwischen sechs und zwölf Jahren ist zu dick. Wie kommt das?

Michael Siegrist: Das hat viele Gründe. Einer davon ist: Das Angebot an Lebensmitteln, die viele Kalorien haben, war noch nie so gross wie heute. Das hat Vorteile. Die Menschen sind grösser und gesünder als vor 100 Jahren. Aber es hat auch den Nachteil, dass ein Teil der Kinder und Erwachsenen zu viel Kalorien zu sich nimmt und übergewichtig ist.

Wo stecken besonders viele Kalorien?

Gezuckerte Softdrinks haben sehr viele Kalorien. Viele dieser Getränke wie Eistee werden aber nicht als ungesund wahrgenommen. Eistee hat mehr Zucker als Coca Cola. Auch Fruchtsäfte sind nicht empfehlenswert, wenn sie häufig getrunken werden.

Dennoch wissen viele, dass man gesund essen sollte. Sie kennen die Empfehlung, fünf Portionen Früchte und Gemüse am Tag zu essen. Warum ernähren wir uns trotzdem nicht so gesund?

Die meisten haben Schwierigkeiten zu verstehen, was fünf Portionen sind. Sind das fünf Aprikosen, sind das fünf Selleriestangen? In einer Untersuchung sollte sich eine Gruppe Teilnehmende aus einer Auswahl an Lebensmitteln  eine gesunde Portion gemäss den Vorgaben der Lebensmittelpyramide schöpfen, die andere sollte das nehmen, was sie gern hat. Diejenigen, die gesund essen sollten, haben das süsse Dessert durch eine Frucht ersetzt. Aber mehr Gemüse, wie sie nach den Vorgaben der Lebensmittelpyramide hätten essen sollen, nahmen sie nicht.

Was macht uns die Entscheidung so schwer?

Den meisten ist noch nicht vertraut, dass das Gemüse auf dem Teller dominieren sollte. Zudem gibt es ganz unterschiedliche Empfehlungen.

Wie sieht heute ein gesundes Mittagsmenü aus?

Am meisten müsste Gemüse auf den Teller legen, anschliessend eine geringere Menge Kohlenhydrate wie Teigwaren und dann noch weniger Fleisch. Viele nehmen allerdings einen Drittel von jedem.

Die Lebensmittelpyramide der SGE
Auf einer der beiden unteren Stufen der Schweizer Lebensmittelpyramide der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung stehen Früchte und Gemüse, davon sollte man möglichst viel essen. Bild: SGE

Sie haben sich viel mit der Lebensmittelwerbung beschäftigt. Welchen Einfluss hat sie auf unser Essverhalten?

Die Forschung zeigt, dass die Werbung einen Einfluss hat, welche Produkte konsumiert werden, vor allem bei Kindern. Es werden eher Lebensmittel konsumiert, die weniger empfehlenswert sind. Denn es wird für Süssgetränke oder für kalorienreiche Snacks Werbung gemacht und nicht für Früchte oder Gemüse.

Wie lassen sich Kinder beeinflussen?

In einer US-Studie sollten Kinder Pommes frites, Hamburger und Karotten beurteilen. Auf einem Teller wurden die Lebensmittel nicht gelabelt, auf dem anderen Teller war das Label Mc Donalds zu sehen. Auf beiden Tellern lagen identische Produkte. Das Resultat war eindeutig: Den Kindern haben die mit Mc Donalds beschrifteten Produkte besser geschmeckt.

Warum?

Es liegt wahrscheinlich an der positiven Erwartungshaltung: Sie haben diese Produkte prinzipiell gern. Die Umgebung bei Mc Donalds gefällt den Kindern. Sie können mit den Händen essen, es gibt Spielzeug.

Werden die Kinder durch die Werbung getäuscht?

Mc Donalds behauptet nicht, dass ihre Speisen gesund seien. Problematisch bei Mc Donalds und anderen Firmen ist, dass sie gezielt Spielzeuge verschenken. Es wird nicht nur das Lebensmittel verkauft, um Kinder für diese Produkte zu begeistern.

Wie können Eltern den Einfluss der Werbung auf ihre Kinder verringern?

Zu Hause haben Eltern natürlich einen Einfluss darauf, was auf den Tisch kommt. Sie sollten dafür sorgen, dass die Kinder sich möglichst ausgewogen ernähren. Ungesunde Lebensmittel sollten nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Aber Eltern können kaum beeinflussen, was Kinder in ihrer Freizeit essen. Da spielt die Peergroup eine viel wichtigere Rolle. Kinder gehen dort essen, wo die anderen essen gehen.

Sie haben einmal gesagt, man sollte die Essumwelt so gestalten, dass die gesunde Wahl auch die einfache Wahl ist. Was meinen Sie damit?

Wenn man Schokolade auf dem Buffet aufstellt, wird mehr Schokolade gegessen. Deshalb sollte die Essumwelt zu Hause so gestaltet werden, dass Kinder zuerst die Mandarine und den Apfel sehen. Für die Schokolade sollte ein Aufwand nötig sein. Zum Beispiel müssen sie erst in den Keller, um Schokolade zu holen. So essen Kinder und Erwachsene weniger gedankenverloren Schokolade. Es wird auch mehr Gemüse gegessen, wenn mehr zur Auswahl steht.

Gilt das auch für Kinder?

Wir haben eine Studie mit Kindern durchgeführt, in der sie sich Lebensmittel schöpfen sollten. Der Anteil an Gemüse hatte zugenommen, wenn zwei Gemüsesorten zur Auswahl standen. Wenn man also mehr zur Auswahl stellt, werden Kinder auch zu mehr Gemüse greifen.

Das wäre doch eine clevere Idee für den Familientisch.

Ja, auf jeden Fall. Und wir wissen auch, dass Kinder in der Regel den Teller leer essen, wenn sie sich selbst schöpfen.

Haben Sie weitere Tipps für den Alltag von Familien?

Es ist sinnvoll, nicht allzu grosse Packungen zu kaufen. Die Packungsgrössen haben in den vergangenen Jahren zugenommen, zum Beispiel bei Softdrinks. Wenn die Packungsgrösse zunimmt, konsumieren wir tendenziell mehr.

Michael Siegrist ist seit 2007 Professor für Consumer Behavior am Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich.Zur Person

Michael Siegrist ist seit 2007 Professor für Consumer Behavior am Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich. In seinen Forschungen beschäftigt er sich mit dem Entscheidungsverhalten von Menschen. Wie treffen wir Entscheidungen? Wovon lassen wir uns beeinflussen? Es geht unter anderem um Risikowahrnehmung, die Akzeptanz neuer Technologien und das Konsumverhalten bei Nahrungsmitteln.
Foto: privat

 

 

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