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Wer fit sein will, krabbelt wie ein Baby

Der neuste Fitnesstrend aus den USA ist aufs Kind gekommen: Beim Crawling krabbelt man wie ein Baby. Physiotherapeut Johannes Randolf hat dazu ein Trainingsprogramm kreiert. Wie funktioniert's? Unsere Redaktorinnen haben das Baby-Workout ausprobiert.

Von Fabienne Eisenring und Chantal Hebeisen, im März 2017

Auch Papa krabbelt
Wer lernt hier von wem?: Ein Vater krabbelt mit seinem Baby. Bild: SbytovaMN, iStock, Thinkstock.

Fitnesstrends kommen und gehen. Dieser hier krabbelt nun mal. Babyleicht oder? In den USA gibt es bereits Krabbel-Gruppen, in denen sich Erwachsene auf allen Vieren fit turnen. Auch nach Europa könnte der «Crawling»-Trend demnächst überschwappen. Dazu beitragen will vor allem einer: Johannes Randolf, 49, Tanzlehrer und Physiotherapeut an der Anton Bruckner-Universität in Linz. Mit seinem Buch «Krabble!» plädiert er dafür, die Bewegungsabläufe der Babys fix ins persönliche Fitnesstraining zu integrieren.

Wer krabbelt, rostet nicht

Was den Babys auf die Sprünge hilft, müssen wir Redaktorinnen erst wieder lernen. Langes Sitzen gehört zu unserem Berufsalltag und wir damit zur Problemkinder-Gruppe von Johannes Randolf. Als Therapeut hat er festgestellt, dass Bewegungsmangel und einseitiges Training zu körperliches Problemen führen können. Seine steile These: Das von ihm entwickelte Krabbeln sei die einzige ganzheitliche Trainingsmethode, bei welcher der Körper gleichmässig belastet wird und Muskeln zum Einsatz kommen, die auch beim üblichen Krafttraining nie beansprucht werden.

Dreidimensional trainieren

Statt wie beim zweidimensionalen Training im Fitnesscenter würden die Muskeln beim Krabbeln dreidimensional gefordert, was bedeute, dass ganze Muskelketten und das Zusammenspiel einzelner Muskeln trainiert werden. Sein Programm präsentiert Randolf in Form von Schritt-für-Schritt-Anleitungen für Anfänger und Fortgeschrittene. An drei über die Woche verteilten Tagen für je zwanzig Minuten zu krabbeln – das Aufwärmen, Mobilisieren und anschliessende Dehnen nicht mitgezählt – reiche bereits, um den Körper zu stärken. Das Training lässt sich ohne komplizierte Ausrüstung in den eigenen vier Wänden durchführen. Wir wollten wissen, wie dieses Trainingsprogramm, das laut Randolf angeblich auch gegen Alzheimer und Demenz helfen soll, funktioniert und ob es tatsächlich so viel Spass macht, wie der Buchautor verspricht. Lesen Sie auf der nächsten Seite unseren Erfahrungsbericht.

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Crawling Übung «Foam Roll»

(2) Ziehen Sie das linke Bein über das rechte, sodass Sie Ihren Körper verschrauben.

 

Ran an den Babyspeck!

Ein Praxistest von Fabienne Eisenring, im April 2017

Fitnessprofil: 1 bis 2 Mal pro Woche Kraftraining im Fitnesscenter, 1 Mal pro Woche Schwimmen oder Joggen.

Für meine erste Übung mit dem klingenden Namen «Low Screwdriver» empfiehlt Randolf, Knieschoner anzuziehen. Ausgangsstellung ist der Stütz auf Knien und Unterarmen quer zu den Ellbogen. Indem man das linke Bein nach hinten streckt und den rechten Arm zur Seite nach oben führt, kommt es zu einer Verschraubung der Wirbelsäule. Empfohlen werden sechs bis zehn Wiederholungen pro Seite. Die Übung mobilisiert tatsächlich und löst unangenehme Blockaden in der Wirbelsäule. Ins Schwitzen komme ich dabei nicht.

Bergklettern am Boden

Beim «Ground Climber», einer Übung, die ich bereits unter dem Namen «der Bergsteiger» kenne, merke ich rasch: Es ist gar nicht so leicht, während der ganzen Einheit die richtige Haltung zu bewahren: Schambein angezogen, Schulterblätter angelegt, Halswirbelsäule in der natürlichen Verlängerung der Wirbelsäule. Ausgehend von der Liegestützposition zieht man das gebeugte rechte Bein so weit neben dem Oberkörper nach vorne wie man kann. Der rechte Arm ist ebenfalls gebeugt, der Ellbogen berührt die rechte Leiste. Davon acht bis zehn Wiederholungen pro Seite. Prädikat von meiner Seite: Die Übung ist kurzzeitig intensiv. Aber aufgrund der geringen Wiederholungszahl spüre ich ihren Effekt nicht gleich und hänge noch einen Satz an.

Sieht schwierig aus, ist es auch!

Dann suche ich mir eine der richtig schwierigen Übungen raus, die «Foam Roll». Hier geht es vor allem um Balance und komplexere Koordination. Man braucht Schwung, damit die Bewegungen im Fluss und ohne Unterbrechung ablaufen. Dabei wird die gesamte Rumpfmuskulatur beansprucht. Ja, die Übung ist so anstrengend, wie sie sich liest. Darum möchte ich Sie Ihnen auch nicht vorenthalten (siehe Bildergalerie). Ich rede mir ein, dass ich wahrscheinlich einfach seit zwei Jahrzehnten mit dem Krabblen aus der Übung bin.

Mein Fazit: Mit tapsigen Baby-Bewegungen hat das Krabbel-Programm wenig gemeinsam. Für Erwachsene ist es eine herausfordernde Angelegenheit, denn die Übungen überraschen mit Vielfalt und Komplexität. Ich werde einige davon in mein übliches Trainingsprogramm integrieren.

Randolf muss ein Schweizer sein

Fitnessprofil: Working Mom, daher wenig Zeit für ausgedehnte Sporteinheiten, lange und intensive Spaziergänge mit dem Kinderwagen und Velotouren mit Anhänger, ein Mal wöchentlich Gruppenfitness

Ein neuer Fitness-Trend ist im Anmarsch? Her damit! Die Extrapfunde der Schwangerschaft sind zwar bereits wieder runter. Doch wenns gerade so leicht fällt, fit zu werden, will ich dranbleiben. Ich suche mir aus Randolfs Buch drei Übungen aus: eine leichte, eine mittel schwere und eine, bei der ich noch vor ein paar Monaten gesagt hätte «das schaff ich nie!» (heute sage ich augenzwinkernd «Challenge accepted»).

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Crawling Übung für zu Hause

Basis- und Aufbau-Übung «Military Crawl»

Die Basis- und Aufbauübungen sind sowohl für Anfänger als auch für fortgeschrittene Krabbler geeignet. Bei dieser Übung werden die Brustmuskulatur und die Oberarmmuskulatur beansprucht und die Brustwirbelsäule gestreckt.

Ausgangsstellung: (1) Bauchlage, der Oberkörper ist angehoben und die Brustwirbelsäule gestreckt, die Halswirbelsäule befindet sich in der natürlichen Verlängerung der Brustwirbelsäule, der linke Unterarm liegt unter Ihnen auf Augenhöhe am Boden. Der rechte Arm liegt gestreckt seitlich am Oberkörper.

Hinweis: Der Oberkörper bleibt während der ganzen Übung angehoben, er hebt und senkt sich leicht mit der Bewegung, die Halswirbelsäule bleibt in der natürlichen Verlängerung der Brustwirbelsäule.

Atmung: Atmen Sie während der Armbewegung ein und beim Vorziehen aus.

Bilder: zVg.

Im (imaginären) Schlamm robben? Kann ich!

Die erste nennt sich «Military Crawl». Ich habe sie ausgewählt, weil mein Kind, bevor es richtig krabbeln gelernt hat, wochenlang wie ein Militärler durch die Gegend gerobbt ist. Diese «Gangart» sah wahnsinnig anstrengend aus. Ist sie es tatsächlich?

Ich begebe mich in unseren langen Flur und befolge Randolfs Schritt für Schritt-Anleitung. Ich fühle mich etwas wie ein Fisch auf dem Trockenen, denn die Bewegungen erinnern mich ans Crawlen beim Schwimmen. Ich merke schnell, dass bei dieser Übung die Körperspannung das A und O ist. Spannt man die Bauch- und Po-Muskulatur an, benötigt man viel weniger Kraft in den Armen und das Militär-Robben fällt relativ leicht. Nachdem ich den zehn Meter langen Flur einmal hin und wieder zurück gerobbt bin, höre ich auf. Diese Übung fordert mich zu wenig, als dass ich sie lange Zeit machen könnte, ohne mit den Gedanken abzuschweifen.

Halb Spinne, halb Brücke

Die zweite Übung nennt sich Bridge Crawl und ist eine Art umgekehrter Spinnengang. Alleine das Bild in Randolfs Buch zeigt mir schon, wo die Schwierigkeit liegt: Po und Oberkörper während der ganzen Einheit in einer geraden Linie zu halten. Denn statt wie bei der üblichen Brücke mit dem Gesicht nach unten geht der Blick hier zur Decke. Die Hände sind direkt unterhalb der Schultern platziert, die Finger zeigen zu den Füssen und die Ellenbogen sind leicht angewinkelt. Die Fersen hebt man an. In dieser Haltung bewegt man sich nun gegengleich (rechte Hand, linker Fuss, linke Hand, rechter Fuss) vorwärts. Alleine die Koordination der vier Gliedmassen in dieser umgekehrten Haltung fordert meine volle Konzentration. Gleichgewicht halten, Oberkörper und Po schön strecken, Hände und Füsse vorwärts bewegen – das Bridge Crawl erfordert definitiv Übung, wenn man es richtig machen will.

Des Schweizers treuester Begleiter

Die letzte und schwierigste Übung ist der «Squat Crawl». Ich nenne sie auch das Klappmesser, denn auf dem Höhepunkt der Einheit ähnelt man einem Hegel, bevor man die Klinge einklappt. Hierzu benötigt man als Hilfsmittel ein Handtuch, das man unter die Arme legt. Ziel der Übung ist es, die Bauchmuskulatur zu trainieren. Ausgangsstellung ist die fortgeschrittene Krabbelhaltung: Dazu geht man in eine ähnliche Position wie für einen Unterarmstütz, bei dem der Po aber angehoben wird (statt dass er eine grade Linie mit dem Rücken bildet). Die Füssse sind aufgestellt, die Unterarme liegen flach auf dem Boden und die Knie sind vom Boden abgehoben. Nun gilt es, die Arme so weit wie möglich zu den Knien zu ziehen (die Knie bleiben dabei immer in der Luft). Dabei atmet man aus. Während man wieder einatmet, schiebt man die Unterarme wieder nach vorne in die Ausgangsposition. Weil die Übung so anstrengend ist, empfiehlt Randolf vier bis sechs Wiederholungen. Zum Glück für mich, denn diese Übung erfordert eine hohe Körperkontrolle. Stolz, dass ich ein solches Fitnessprogramm heute schaffe, wische ich mir die Schweisstropfen von der Stirn. Und ich betrachte bewundernd mein Kind, das sich neben mir mit einer Hand am Salontischchen festhält, ein Bein in die Luft streckt und mit dem freien Händchen nach der Holzkuh fischt, die es zuvor einer Wurf- und Fallanalyse unterzogen hat.

Mein Fazit zum Krabbel-Trend: Nicht alles, was Randolf als total neuartige Trainingsmethode beschreibt, ist es auch. Einige Elemente waren mir aus den Fitnessstunden sehr vertraut. Der Spassfaktor ist bei den Übungen aber durchaus gegeben. Ein Fragezeichen bleibt mir zum Schluss hingegen noch: Ob Randolf wohl Schweizer Wurzeln hat? Denn er lässt uns wie unsere Kollegen mit der grün-braunen Uniform robben und schliesslich formt er unsere Körper so, dass wir uns als des Schweizers (angeblich) treuester Begleiter fühlen: Das Schweizer Sackmesser!

 

«Krabble!»
Bild: zVg.

Buchtipp

Der Linzer Physiotherapeut und Tanzlehrer Johannes Randolf hat ein Trainingsprogramm entwickelt, das die natürlichen Bewegungsabläufe der Babys nachbildet und sowohl Körper als auch Hirn trainiert. In seinem Buch «Krabble!» legt er zirka 40 detailliert beschriebene Übungen für Anfänger und fortgeschrittene Krabbler vor, die sich für jede Wohnung eignen. Mit nur 20 Minuten Training täglich sollen Kraft, Beweglichkeit und Gedächtnisleistung merkbar verbessert werden.

«Krabble! - Training für Körper und Gehirn mit den natürlichen Bewegungen der Babys», Johannes Randolf, edition a Verlag, ISBN: 978-3990012017, zirka 24 Franken.

 

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