Coronavirus: «Verzichten Sie auf den Hütedienst der Grosseltern»
Ausnahmezustand durch Corona-Virus? Christoph Berger, Leiter der Abteilung Infektiologie am Kinderspital Zürich, erklärt im Interview, warum Eltern das Kind weiterhin in die Kita bringen können und sollen und warum Sie besser auf den Hütedienst der Grosseltern verzichten.

Viele Eltern machen sich Sorgen aufgrund der aktuellen Meldungen rund um die Infektionen mit dem Corona-Virus. Bild: GettyImages Plus, Worayuth Kamonsuwan
Christoph Berger
Christoph Berger leitet die Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Universitäts-Kinderspital Zürich.
In Spreitenbach muss ein ganzer Kindergarten in Quarantäne, in Basel schliesst eine Kita und in Biel und Luzern müssen Schüler und Lehrer zuhause bleiben. Solche Meldungen verunsichern viele Eltern. Herr Berger, was raten Sie: Soll man sein Kind vorsorglich zu Hause behalten?
Nein, bestimmt nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht kein Grund zur Sorge. Schulen, Kindergärten und Kitas bleiben weiterhin offen. Einzelne Verdachtsfälle werden punktuell gemeldet und untersucht. Sie können Ihr Kind getrost in die Kita oder den Chindsgi schicken.
In Spreitenbach und in Basel kamen die Meldungen aber zu spät, die Betroffenen waren mit Infektion am Arbeitsplatz ….
Das sind zurzeit Einzelfälle. Es wichtig, das gesellschaftliche Leben nicht auf den Kopf zu stellen. Schulen und auch Kindertagesstätten sind informiert, wie sie die Situation handhaben sollen. Lehr- und Betreuungspersonen haben vom Bundesamt für Gesundheit klare Instruktionen bekommen und wissen auch, wie sie das Thema bei den Kindern ansprechen und die Massnahmen umsetzen.
Reichen diese Massnahmen in einer Kita tatsächlich aus?
Ja. Ich würde zusätzlich dazu raten, kranke Kinder eher nach Hause zu schicken oder an dem Tag gar nicht erst aufzunehmen. Die Frage, wann kranke Kinder nach Hause geschickt werden, stellt sich in einer Kita aber auch bei einer normalen Grippe. Das ist eine Grauzone, zu der es keine klaren Richtlinien gibt. Der Entscheid, liegt im Ermessen der Kitaleitung. Eltern können hier aber mithelfen und das Kind bei Krankheitssymptomen zuhause behalten.
Bundeskampagne «So schützen wir uns»:
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat klare Verhaltensrichtlinien zum Umgang mit dem Coronavirus herausgegeben. Diese sechs Regeln sollen helfen, uns selbst und andere vor einer Ansteckung zu schützen:
❗Papiertaschentücher gehören nach Gebrauch in geschlossene Abfalleimer.
❗«Lachen ist der neue Handschlag»: Vermeiden Sie Händeschütteln.
❗Bei Fieber oder Husten sollten Sie zu Hause bleiben. Wenden Sie sich telefonisch an Ihren Hausarzt. Sie sollten nicht einfach die Praxis aufsuchen.
❗Regelmässig und gründlich Hände waschen!
❗Wenn Sie niesen und husten müssen: Tun Sie das in ein Taschentuch oder in die Armbeuge.
❗Abstand halten beim Anstehen, in Sitzungen und zu älteren Personen: Das BAG empfiehlt Social Distancing.
Bei Unsicherheiten: Die Infoline des Bundes zum Coronavirus ist unter +41 58 463 00 00 täglich 24 Stunden erreichbar.
Viele Eltern fühlen sich mit Kindern auch im öffentlichen Verkehr nicht mehr wohl …
Das Ansteckungsrisiko im Zug, Bus oder Tram mit dem Coronavirus ist im Moment nicht gross. Das kann sich natürlich ändern in den nächsten Wochen. Aber das Ansteckungsrisiko ist dann nicht ganz anders als bei einer Grippe. Achten Sie einfach etwas genauer darauf, was das Kind alles anfasst. Und, das ist am Wichtigsten und das kann man gar nicht genug betonen: Beachten Sie die Massnahmen des Bundes. Achten Sie auf die Hygiene!
Wie sieht es denn eigentlich mit dem Hütedienst vom Grosi aus? Senioren seien besonders gefährdet, heisst es. Altersheime diskutieren über ein Besuchsverbot. Sollten Grosseltern auf die Kinderbetreuung verzichten?
Anhand der Daten aus China kann man ableiten, dass ältere Menschen eher erkranken als Kinder und dass Kinder weniger starke Symptome zeigen. Wenn möglich, sollten die Kinder darum nicht von Personen betreut werden, die ein erhöhtes Risiko für eine Erkrankung oder schwere Erkrankung haben. Dazu gehören alle älteren Personen ab etwa 70 Jahren, speziell dann, wenn sie eine chronische Krankheit haben. Verzichten Sie also auf den Hütedienst durch die Grosseltern, wenn diese zur vorher genannten Gruppe gehören. Wie sich diese Situation und Handhabung entwickelt, muss laufend neu beurteilt werden.
Das heisst, in wenigen Tagen kann das ganz anders aussehen?
Ja, momentan kann man nur kurzfristige Einschätzungen abgeben. Die Situation kann sich jederzeit ändern – und damit auch die Empfehlungen. Der Verlauf der Infektionen in der Schweiz ist zurzeit nicht einschätzbar. Als Eltern fahren Sie sicher gut, wenn Sie die Hygienemassnahmen umsetzen, ihr Kind genau beobachten und bei Symptomen, telefonisch den Hausarzt zu kontaktieren.
Coronavirus: Die aktuelle Situation
Das neuartige Coronavirus wurde bisher weltweit bei fast 100'000 Menschen nachgewiesen. Erstmals entdeckt wurde das Virus in China, mittlerweile sind rund 60 Länder betroffen, auch die Schweiz verzeichnet seit mehreren Tagen eine stetig steigende Zahl von Infizierten. Vor allem bei gesundheitlich geschwächten und älteren Menschen kann die Infektion tödlich verlaufen. Weltweit sind aktuell mehr als 3000 Todesopfer zu verzeichnent. Die. meisten Fälle verlaufen jedoch mild und mehr als 45 000 an Covid-19 Erkrankte gelten mittlerweile als geheilt. Hier erfahren Sie, wie Sie sich vor einer Infektion schützen.