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Nierentransplantation: Ein wertvolles Geschenk für David

David leidet seit der Geburt an einer Fehlbildung der Nieren. Bereits zum zweiten Mal in seinem Leben stand eine Nierentransplantation an. Wie der 19-jährige David und seine Eltern die Zeit vor und nach der Nierentransplantation erlebt haben, hat Familienbloggerin Rita Angelone beobachtet.

Dr. Guido Laube bespricht die Nierentransplantation mit seinen Patienten.
Dr. Guido Laube, Leiter der Abteilung Nierenkrankheiten am Kinderspital Zürich spricht mit David und seinem Vater Daniel Zihlmann über die Nierentransplantation.

Weihnachten ist längst vorbei und damit auch die Zeit der Bescherung. Viele Geschenke haben glückliche und dankbare Abnehmer gefunden, einige andere hingegen werden etwas mehr oder weniger früh ihren Weg in eine Ecke finden, in der sie in den Augen der Beschenkten wertlos und unnütz rasch in Vergessenheit geraten werden.

Doch es gibt Geschenke, die wertvoller nicht sein könnten und trotzdem bereiten sie dem Beschenkten lediglich eine Weile lang Freude oder gar Linderung, erfüllen ihren Zweck nur auf Zeit. Dennoch sind diese Geschenke nicht unnütz – weder für den Beschenkten noch für den Schenkenden. Ein solches Geschenk hat Daniel Zihlmann vor fast 10 Jahren seinem alten Sohn David gemacht: die Lebendspende einer seiner Nieren.

Erschwerter Start ins Leben

David ist mit einer Fehlbildung der Nieren auf die Welt gekommen. Im Verlaufe seiner Kindheit verschlechterte sich seine Nierenfunktion stetig, was im Jahr 2003 eine Nierentransplantation nötig machte. Davids erste.

«Es gibt drei Hauptursachen für Nierenerkrankungen», erklärt Dr. Guido Laube, Leiter der Abteilung Nierenkrankheiten / Nephrologie am Kinderspital Zürich. «Rund ein Drittel sind – wie im Fall von David – auf angeborene Fehlbildungen zurück zu führen. Ein weiteres Drittel stellen vererbte Krankheiten und ein weiteres Drittel erworbene Krankheiten, wie zum Beispiel Infekte dar.»

David hat schon zwei Nierentransplantationen erlebt. Rita Angelone besuchte ihn.
David geht es wieder gut: dank Nierentransplantation. Rita Angelone hat den jungen Mann kennen gelernt. Fotos (5): Angelone

Dialyse als Überbrückung, Nierentransplantation als Ziel

«Nierenerkrankungen werden mit Nierenersatzverfahren behandelt, die im Kindesalter meist aus konservativen Therapien mit Medikamenten bestehen», erklärt Laube weiter. «Allerdings immer mit dem Ziel einer Nierentransplantation. Auf dem Weg zur Nierentransplantation, die frühestens ab einem Alter von zwei Jahren angebracht ist, dient in der Kindermedizin die Dialyse als Überbrückung. In der Schweiz benötigen rund zwölf Kinder pro Jahr ein Nierenersatzverfahren. Rund 60 Prozent davon werden im Kinderspital Zürich betreut.»

Herausforderung Organmangel

Seit 1992 besteht in der Schweiz die Möglichkeit der Lebendspende. Der akute Organmangel hat aus der Not eine Tugend gemacht. Seither wurden 57 Nieren im Kinderspital Zürich lebend gespendet, bei weiteren 55 Transplantationen handelte es sich um Verstorbenenspenden. Trotz dieses Wandels herrscht in der Schweiz nach wie vor ein akuter Organmangel. Aktuell warten rund 1200 Nierenkranke auf Transplantate, lediglich rund 300 stehen allerdings zur Verfügung. Punkto Zuteilung haben mit dem Transplantationsgesetz aus dem Jahr 2007 Kinder und Jugendliche bis zum 20. Lebensjahr die höchste Priorität erhalten.

Die Möglichkeit für Lebendspenden soll dem akuten Organmangel entgegenwirken, doch leider ist diese Option nicht immer möglich. Einerseits kommt es sehr auf das Krankheitsbild an, andererseits bedeutet eine Lebendspende auch immer einen Eingriff an einem gesunden Menschen, der zwar legitim ist, aber der auch sehr wohl überlegt sein muss.

Eine Niere vom Vater?

Auch Davids Eltern haben beide Optionen diskutiert und die Vor- und Nachteile in die Waagschale gelegt. Gemeinsam haben sie sich für eine Lebendspende des Vaters an den Sohn entschieden. Nach tagelangen umfassenden gesundheitlichen Abklärungen an Vater Zihlmann wurde ihr Entscheid auch aus medizinischer Sicht gutgeheissen und die Transplantation konnte am damals neunjährigen David durchgeführt werden.

Die Niere von Vater Zihlmann funktionierte neun Jahre lang sehr gut, dennoch hadert Daniel Zihlmann manchmal noch damit, dass seine Niere ihre Funktion nicht länger aufrecht erhalten konnte. Doch er weiss auch, dass seine Niere insbesondere in einer Zeit ihre wertvollen Dienste erbracht hat, in der Nieren in einem Körper sehr wichtig sind und enorme Leistungen vollbringen müssen. Eine transplantierte Niere arbeitet im Normalfall 10, 15 Jahre, vielleicht 20 Jahre gut. Davids Niere wurde durch das Wachstum in der Kindheit und der Pubertät stark beansprucht und so haben sich anfangs 2012 seine Nierenwerte erneut verschlechtert.

«Für eine Transplantation», so Laube, «zieht man nicht nur bestimmte medizinische Werte zu Rate, sondern man betrachtet vor allem die gesamte Lebensqualität des Patienten. David hatte keinen Appetit mehr, war sehr, sehr müde und konnte die Schule nur noch halbtags besuchen. Sein Teint war blass, seine dunklen Augenringe zeugten von einem sehr schlechten Allgemeinzustand: Funktionieren die Nieren nicht richtig, funktioniert der ganze Körper nicht mehr. Eine zweite Transplantation war notwendig und bis es so weit sein würde, zogen wir bereits auch eine Dialyse in Betracht.»

Untersuchung wegen einer Nierentransplantation.
David muss nach der Nierentransplantation regelmässig zu Kontrolluntersuchungen.

Glück im Unglück – Freude und Leid

David hatte Glück im Unglück. Bereits Ende Mai 2012 rief Laube an, er habe das perfekte Organ für ihn gefunden, sozusagen eine Weltmeisterniere für den Jungen, was bei einer zweiten Transplantation alles andere als selbstverständlich ist.

So fährt David am selben Tag statt wie vorgesehen zum Fest eines Kollegen ins Kinderspital zu seiner zweiten Nierentransplantation. «Wir befanden uns auf einer Achterbahn der Gefühle», erinnert sich Daniel Zihlmann. «Einerseits freuten wir uns, dass so rasch eine zweite passende Niere für David gefunden werden konnte, andererseits wussten wir auch, dass just in diesem Moment eine andere Familie um einen verstorbenen Angehörigen trauert. Glück, Unglück, Freude und Leid waren in diesem Augenblick fast unaushaltbar nah beieinander. Dieses Gefühlschaos stellte auch den grössten Unterschied zu meiner damaligen Lebendspende dar. Dass eine andere, wenn auch unbekannte Partei involviert war, das war eine neue, vollkommen andere Dimension.»

Familie Zihlmann hatte zwar die Möglichkeit, sich bei der Spenderfamilie zu bedanken, wird aber niemals erfahren, wer es war, der David dieses wertvolle Geschenk gemacht hat. All das ist alles andere als einfach zu verarbeiten.

Lebensfreude und Energie kehren nach der Nierentransplantation zurück

Bereits sechs Wochen nach seiner zweiten Transplantation hat David wieder genug Energie, um bis abends um halb zwölf in den Ausgang zu gehen. Die ganze Familie freut sich über die zurück gewonnene Lebensfreude und über die sehr guten Werte, die anlässlich der Kontrolluntersuchungen verzeichnet werden können. Auch die Nebenwirkungen der Cortisonpräparate, die Davids Gesicht rundlicher wirken und Akne entstehen lassen, halten sich absolut in Grenzen.

Sorgfältiger Umgang mit der neuen Niere

«Am Anfang steht immer die Frage im Vordergrund, wie der Körper auf das Transplantat reagieren wird,» erklärt Laube weiter. «Deshalb sind unmittelbar nach dem Eingriff regelmässige, engmaschige Nachkontrollen notwendig: anfänglich eins bis zwei Mal pro Woche, später dann alle vier bis maximal sechs Wochen. Entscheidend für eine gute Funktion der Transplantatniere ist es, dass die Medikamente täglich genau nach Vorschrift eingenommen werden, was für die Eltern – nebst dem Zeitaufwand für die Betreuung, Pflege und Nachkontrollen – ein kräftezehrender Aufwand und eine grosse Verantwortung darstellt sowie enorm viel Disziplin abverlangt.»

Doch Davids Eltern kennen die Prozedur und wollen auch insbesondere dieser Niere grösste Sorge tragen, zumal sie Davids zweites Lebensgeschenk darstellt. Aus dem erfreulichen postoperativen Verlauf schöpfen sie Kraft und Motivation und können daraus bereits erste positive Aspekte abgewinnen – die Häufigkeit der Nachkontrollen kann schon reduziert, gewisse Medikamente gar abgesetzt werden. Und das Schönste: David ist bereits in der Lage, am Nierenlager, welches das Kinderspital alle Jahre für seine Nierenpatienten organisiert, teilzunehmen.

Das Kinderspital führt für Nierenpatienten ein Nierenlager durch.
David und Dr. Samuel Nef im Nierenlager.

Es ist das 31. Nierenlager, welches das Kinderspital Zürich für seine Nierenpatienten und deren Geschwister durchführt und David nimmt bereits zum 10. Mal daran teil. Dieses Mal findet das Nierenlager in Parpan statt. Das Programm ist abwechslungsreich: Die Kinder und Jugendlichen verbringen eine gemeinsame Woche, essen zusammen, spielen, basteln, wandern, singen und bereiten tolle Vorführungen für den Schlussabend vor. Das Nierenlager fördert die ohnehin bereits sehr intensive Beziehung zwischen den jungen Patienten, den Ärzten und dem Pflegepersonal – es entsteht, ohne zu übertreiben, eine Familie.

Gutes erleben und zurück geben

Der eindrücklichste Beweis für die Bedeutung und die Wirkung dieses Nierenlagers: Ehemalige junge Patienten unterstützen die Durchführung des Lagers, indem sie heute – unterdessen erwachsen und selbständig – freiwillig als Leiter oder Leiterinnen am Lager teilnehmen, um etwas von dem, was sie selber als Kinder oder Jugendliche mit auf ihren ganz persönlichen Weg bekommen haben, an die neuen jungen Patienten und Patientinnen weiter geben zu können.

Blick in die Zukunft

David geniesst das Lager in vollen Zügen, auch wenn das ziemlich turbulente Lagerleben ihn bisweilen doch noch ziemlich ermüdet. Den ganzen Tag hat er Programm und abends kommt er – wie alle anderen – verhältnismässig spät ins Bett. Doch es sind zwei andere Dinge, die David in Parpan zu schaffen machen: Einerseits vermisst der junge Mann, der zu seinen Eltern eine ganz besonders enge und innige Beziehung pflegt, den aufgrund des schlechten Handy-Empfangs im Lagerheim unmöglichen Kontakt zu seinen Eltern und andererseits macht sich David bereits schon Gedanken, was ihm die Zukunft bringen wird.

Als junger Erwachsener wird er von der Pädiatrie des Kinderspitals in die Erwachsenenabteilung des Unispitals Zürich wechseln müssen. Damit ist diese 10. Lagerteilnahme auch Davids letzte. Er gehört nun zu den ältesten Teilnehmern und der Abstand zu den Jüngsten ist mittlerweile gross. Doch der Abschied, die Abnabelung von dieser grossen Gemeinschaft, die neben seinen Eltern auch Teil seiner Familie geworden ist, schlägt David – trotz Vorfreude auf alles Neue – etwas auf sein sonst stets sonniges Gemüt.

Erster Schritt in die Selbständigkeit

Mit viel Glück hat David, der als Neugeborener nebst seiner Nierenerkrankung auch eine schwere Hirnblutung erlitt, die eine zerebrale Bewegungsstörung sowie eine geistige Behinderung zur Folge hatten, vor ein paar Monaten einen Tagesplatz im Wohnheim Moos in Knutwil gefunden. Das Wohnheim ist eine Institution der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern SSBL und bietet in herrlichster ländlicher Umgebung rund zwanzig Frauen und Männern einen Wohn- und Beschäftigungsplatz.

David hatte schon zwei Nierentransplantationen.
David arbeitet nach seiner zweiten Nierentransplantation im Atelier Wäsche in einem Wohnheim.

Das Leben unter Erwachsenen

David arbeitet zur Zeit im Atelier Wäsche und ist gemeinsam mit seinen Kollegen dafür verantwortlich, dass die täglichen riesigen Wäscheberge, die im Heim anfallen, bewältigt werden können. David macht die Arbeit Spass und er geniesst insbesondere den Austausch mit seinen Kollegen, die – wie er nun auch – alles Erwachsene sind. Das Wohnheim bietet deshalb auch eine Wohngruppe an und vielleicht wird David schon bald stark und selbständig genug sein, um selber auch in dieser Wohngruppe zu leben und einen nächsten Schritt in Richtung Selbständigkeit machen zu können.

Noch wird David aber täglich mit einem Fahrdienst zur Arbeit und dann wieder nach Hause gefahren, wo er sich nach ungewohnt langen und strengen Arbeitstagen voller neuer Eindrücke und Erlebnisse immer noch am besten erholen kann. Das innige Band zwischen Vater, Mutter und Sohn wird wohl nicht ganz so einfach zu lockern sein. Muss es auch nicht, denn im Augenblick ist es einfach gut so, wie es ist.

Weitere Informationen zu Nierentransplantationen

Text: Rita Angelone im Januar 2013

Rita AngeloneRita Angelone ist mit dem Familienoberhaupt verheiratet, hat zwei Kinder – der Grosse (6 1/2) und der Kleine (4 1/2) – und schreibt jede Woche im «Tagblatt der Stadt Zürich» unter der Rubrik «Die Angelones» über den ganz normalen Wahnsinn ihres Familienalltags. Sie führt zudem den gleichnamigen Familienblog und gibt unverblümt zu, dass das Schwangersein viel einfacher war als das Kinderhaben. Und nicht selten ärgert sie sich, dass niemand offen zugeben will, dass eine Familie zu haben wahrlich alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Rita Angelone bloggt wöchentlich auch für den wir eltern-Blog. Mehr infos unter www.dieangelones.ch

 

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