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Betreuungsgutscheine: Warum Luzern ein Vorbild für andere Gemeinden sein könnte

Mit dem Impulsprogramm für familienergänzende Kinderbetreuung hat der Bund in den letzten Jahren viele neue Betreuungsplätze für Kleinkinder geschaffen. Doch für subventionierte Kitaplätze gibt es immer noch lange Wartelisten. In Luzern muss keiner mehr warten. Die Stadt hat Betreuungsgutscheine eingeführt. Ein Modell für die Zukunft.

In Luzern gibt es dank Betreuungsgutscheinen keine Wartelisten bei Kita-Plätzen.
In Luzern dürfen sich die Kinder freuen: Mehr Kinder profitieren dank Betreuungsgutscheinen von vergünstigten Kita-Plätzen. Foto: iStockphoto, Thinkstock

In manchen Regionen in der Schweiz müssen Eltern monatelang auf einen subventionierten Krippenplatz warten. Das hat einige dazu bewegt, ihr Kind bereits vor der Geburt in einer Kindertagestätte anzumelden. Wartelisten waren vor 2009 auch in Luzern keine Seltenheit. Heute muss niemand mehr auf einen verbilligten Krippenplatz warten.

Denn Luzern hat im April 2009 in einem Pilotprojekt Betreuungsgutscheine eingeführt. Statt wie bisher Kindertagestätten zu subventionieren, damit diese günstigere Plätze anbieten können, werden Eltern von Kindern im Vorschulalter direkt mit Gutscheinen für die Betreuung unterstützt. Ob und wie viel Geld die Eltern bekommen, hängt von ihrem Einkommen und dem Erwerbspensum ab.

Mehr Kinder profitieren jetzt von verbilligten Kita-Plätzen

Für viele Familien wurde die familienergänzende Kinderbetreuung so erst finanzierbar. 61 Prozent der Kinder, die in Kitas oder bei Tageseltern betreut werden, profitieren heute von den Gutscheinen. Vor der Einführung der Betreuungsgutscheine gab es nur für 44 Prozent der Kinder in Kitas subventionierte Plätze. Maximal 80 Franken pro Tag gibt es von der Stadt für Kinder über 18 Monaten. 95 bis 120 Franken pro Tag kostet in der Regel ein Kitaplatz.

Weil das Pilotprojekt so erfolgreich war, soll es 2013 definitiv eingeführt werden. Im Juni dieses Jahres haben sich die Luzerner Stimmbürger mit fast 73 Prozent für eine Einführung des Betreuungsgutscheinsystems entschieden.

«Das System wird von allen involvierten Akteuren positiv bewertet», resümiert Claudia Huser, Bereichsleiterin für das Vorschulalter der Stadt Luzern. Vor allem Eltern, da sie nun die Kita frei wählen könnten und nicht mehr auf Wartelisten vertröstet würden. Aber auch von den Kindertagesstätten gab es positive Rückmeldungen. Sie können allen Eltern dieselben Tarife berechnen, weil die Eltern die Unterstützung von der Stadt direkt auf das eigene Konto bekommen. «Das entlastet die Betreuer, weil sie sich nicht mehr mit der finanziellen Situation der Eltern auseinandersetzen müssen», erklärt Huser.

Eltern würden nun die Arbeit in der Kita mehr zu schätzen wissen. Denn sie wüssten, dass ein Betreuungsplatz viel Geld kosten könne. Das verändere wiederum das Qualitätsverständnis der Eltern.

Qualitätssicherung ist wichtig

Damit die Krippen den Eltern aber nicht «das Blaue vom Himmel versprechen», wie es Miriam Wetter, Geschäftsführerin des Netzwerks Kinderbetreuung Schweiz nennt, sei die Qualitätssicherung entscheidend. Würden Eltern beispielsweise mehr Flexibilität bei den Öffnungszeiten verlangen, könnte das bedeuten, dass sie am Morgen noch sagen, sie würden das Kind 16 Uhr abholen, aber dann später anrufen, dass sie es erst um 21 Uhr holen können. «Für Kinder braucht es aber Verlässlichkeit», erklärt Wetter. «Luzern war sich bewusst, dass das Projekt von einer Qualitätssicherung begleitet werden muss.» Das sei gut so, meint die Politologin, die als Geschäftsführerin des Netzwerks Kinderbetreuung Qualitätsfragen in der Kinderbetreuung mehr Gewicht verleihen will.

In Luzern gibt es deshalb einen halbjährlichen Qualitätsdialog der Stadt mit dem Kindertagesstätten, aus denen Arbeitsgruppen hervorgehen. Ausserdem wurden in der Pilotphase Umfragen unter den Kitas und den Eltern gemacht. Zudem  erstellt die Stadt jedes Jahr einen Monitoringbericht, in dem sie die aktuellen Daten mit den vorangegangenen Jahren vergleicht. Auch die Qualitätskriterien für die Kindertagesstätten wurden überarbeitet. Die Umstellung auf die Betreuungsgutscheine hat bisher vor allem betriebswirtschaftliche Aufgaben in den Kitas in den Vordergrund gerückt. «Die Themen Qualitätskontrolle, Qualitätsentwicklung und Elternzusammenarbeit hatten dabei nicht erste Priorität», heisst es im Evaluationsbericht des Projekts von 2011. Die meisten Kitas wollen jedoch die Qualität verbessern. Dafür brauche es Zeit, so der Bericht.

Mehr Geld für die Betreuungsgutscheine

Miriam Wetter vom Netzwerk Kinderbetreuung hält das Projekt in Luzern für gelungen. Zum einen, weil die Qualität gesichert wird und zum anderen, weil Luzern mehr Geld investiert hat. «Oftmals kommt der Gedanke, man könne mit so einem Projekt Geld sparen», sagt Wetter. Es könne aber nicht das Ziel sein, dass die tieferen Einkommensschichten benachteiligt werden.

Die Stadt Luzern und der Bund haben zusammen bis im Herbst 2011 rund 7 Millionen Franken für das Projekt ausgegeben. Ausserdem hat Luzern wie alle anderen Regionen in der Schweiz vom Impulsprogramm für familienergänzende Kinderbetreuung des Bundes profitiert. Beides zusammen hat dazu geführt, dass auch mehr Krippenplätze entstehen konnten.

Damit konnten mehr Eltern Beruf und Familie vereinbaren. «Mehr als die Hälfte der unterstützten Eltern müssten ihre Erwerbstätigkeit ohne Betreuungsgutscheine reduzieren», heisst es in einer Zusammenfassung des Evaluationsberichts von 2011. Die Autoren gehen davon aus, dass sich das Modell auch längerfristig für die Stadt lohnt. Dabei zahle sich die Subventionierung der familienergänzenden Kinderbetreuung vor allem im Falle von Familien mit tiefem Einkommen aus, wenn dadurch verhindert werden kann, dass eine Familie ansonsten auf Sozialhilfe angewiesen wäre. Weniger stark ins Gewicht würden dagegen bisher die zusätzlichen Steuern fallen, welche der Stadt zugute kommen, weil die Eltern das Erwerbspensum dank dem breiten Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung erhöhen konnten.

Sowohl Miriam Wetter als auch Claudia Huser sehen in den Betreuungsgutscheinen ein Modell für die Zukunft. Wetter glaubt, dass es grundsätzlich auf Interesse stösst. Sie habe schon von Gemeinden gehört, die darüber nachdenken. Neben Luzern haben mittlerweile alle Agglomerationsgemeinden auf das System umgestellt. Bern plant sie demnächst einzuführen. In Kantonen wie Aargau, Solothurn, Basel-Land und Winterthur gibt es erste Vorstösse dazu.

Weitere Informationen zu den Betreuungsgutscheinen in Luzern finden Sie unter www.stadtluzern.ch

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