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Kinder in der Pflegefamilie

Welche Rechte haben Pflegekinder? Und wie wird die richtige Pflegefamilie für ein Kind ausgesucht? Mehr Infos rund um Kinder in Pflegefamilien erfahren Sie hier.

Pflegekinder und Pflegeeltern müssen sich einigen Herausforderungen stellen.
Tausende von Kindern sind in der Schweiz auf die Unterstützung ihrer Pflegefamilie angewiesen. Foto: iStock, Catherine Yeulet, Thinkstock

Laut Volkszählung 2000 leben rund 13'000 Kinder in der Schweiz in Pflegefamilien. Es gibt Schätzungen, die sogar von 150'000 Pflegekindern ausgehen. Tausende Kinder sind auf Unterstützung und Menschlichkeit angewiesen. Damit sie ihren Weg im Leben finden.

Es gibt keine genaue Statistiken, sagte Jacqueline Fehr vom Vorstand der Pflegekinder-Aktion Schweiz  gegenüber swissinfo. Seit 2006 wird in der Schweiz jeder Hund mit einem Chip erfasst, über Pflegekinder weiss man hierzulande aber herzlich wenig. Das Schweizer Pflegekinderwesen hinkt hinter den international anerkannten Qualitätskriterien hinterher.

Viele Pflegekinder - man geht von mehr als der Hälfte aus - kommen bei Verwandten unter. Aber eben, genaue Zahlen kennt niemand. Und so weiss man auch nicht, wie viele dieser Kinder tatsächlich den Schutz, die Hoffnung und die Geborgenheit erfahren, die sie bei den eigenen Eltern nicht hatten. Aus vielen möglichen, meist unerfreulichen Gründen. Weil diese verstorben sind, weil sie mit ihrem eigenen Leben nicht zurecht kamen, oder weil sie die Kinder missbrauchten, ihnen Gewalt antaten oder sie vernachlässigten. Das Pflegekindwesen ist kein Ruhmesblatt unseres Sozialsystems.

Kein Mitspracherecht für Kinder

Pflegekinder haben kein Mitspracherecht. Wenn man entscheidet, dass sie zurück in ihre Familie platziert werden, so geschieht das auch. «Die Kinder sind in den meisten Fällen Spielballobjekt von ganz verschiedenen Interessen», sagt Jacqueline Fehr zu Radio DRS. Die Nationalrätin ist im Vorstand der Pflegekinderaktion Schweiz und setzt sich aktiv für die derzeit laufende Reform der Pflegekinderverordnung aus dem Jahre 1977 ein.

Ich wurde nach 10 Jahren ungefragt zur Mutter zurückplatziert, obwohl ich bei der Pflegefamilie bleiben wollte. Ich wurde nicht gefragt und die Pflegeeltern hatten keine Rechte. Ich fühle mich von allen im Stich gelassen. Juanita

Die sich in der Vernehmlassung befindliche neue Kinderbetreuungsverordnung soll mittels klarer rechtlicher Vorgaben das Wohl der Kinder, die in einer fremden Familie oder Einrichtung betreut werden gewährleisten. Denn die ausserfamiliäre Betreuung braucht dringend eine Professionalisierung. Dies gilt für alle Pflegearten, ob Tagespflege (Teilzeit oder Vollzeit an einzelnen Tagen), Wochenpflege (In Pflegefamilie ausser an den arbeitsfreien Tagen der Eltern), Dauerpflege oder SOS-Platzierung.

Der Pflege-Vertrag

Wenn ein Kind sich in einer Notsituation befindet, muss es sofort platziert werden. Notfallplatzierungen sind in der Regel auf 3 Monate beschränkt. Während dieser Zeit wird eine sinnvolle und tragfähige Anschlusslösung gesucht. Im Pflegefall hat aber immer die kantonale Vormundschaftsbehörde das Sagen. Sie erteilt die Bewilligung des Pflegeverhältnisses und setzt das Pflegegeld im Pflegevertrag fest.

Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Verwandtschaft mit dem Kind besteht oder nicht. Nach Artikel 294 ZGB haben Pflegeeltern Anspruch auf ein angemessenes Pflegegeld. Das bedeutet die Deckung der effektiven Kosten plus einer Entschädigung für die Erziehungsarbeit. Doch klar ist: Wenn man die Pflegegeld-Ansätze der Kantone im oberen Bereich der Skala nimmt und sie mit den effektiven Kinderkosten vergleicht, haben die Pflegeeltern nicht einmal eine Entschädigung für die Erziehungsarbeit. An Pflegekindern lässt sich nichts dazuverdienen.

Pflegekinder haben normale Probleme wie alle anderen Kinder auch. Aber sie haben auch andere Bedürfnisse als ein Kind, das im sicheren Bezugsrahmen seiner eigenen Familie aufwächst. Es ist ein Kind auf Zeit und muss sich in verschiedenen Welten bewegen. Das kann Auswirkungen auf das Urvertrauen und seine Entwicklung haben.

Was Pflegekinder brauchen

  • Zugehörigkeit und Sicherheit
  • Liebe, Verständnis und Geborgenheit
  • Bezugpersonen
  • Freiheit im Ausdruck der Gefühle und Hilfe bei deren Bewältigung
  • Anregungen für Lernprozesse, Unterstützung und Anerkennung
  • Ernährung und Gesunderhaltung
  • Körperkontakt und Pflege
  • Subtiler Umgang mit Fragen der Sexualität
  • Kleidung und Spielsachen
  • Platz zum Bewegen und Spielen

Die Konfrontation mit Trennung, Verlust, Neuorientierung und Anpassung stellt hohe Anforderungen an die Kinder. Manche Pflegkinder sind zudem seelisch verletzte Kinder, die besonders viel Aufmerksamkeit, Zuwendung, Geduld und Auseinandersetzung benötigen. «Ein Heilungsprozess ist manchmal nur mit begleitenden Therapien möglich», heisst es bei der Pflegekinder-Aktion Zürich. Umso gravierender, dass diese Kinder kein Mitspracherecht darüber eingeräumt wird, was mit ihnen geschieht.

Der richtige Platz

Für Pflegekinder ist es von grosser Bedeutung, dass sie an den richtigen Platz kommen und dass sie dort so lange wie möglich bleiben können. Deshalb wird ein möglicher Pflegeplatz sorgfältig abgeklärt. Wenn die Abklärung positiv ist, kommt man auf die Liste der abgeklärten Pflegeplätze. Da das Pflegekinderwesen kommunal und nur in wenigen Fällen kantonal organisiert ist, kann es aber sehr lange dauern, bis ein Kind dann tatsächlich platziert wird. Die Bewilligung wird erst dann erfolgen, wenn das Amt, eine Beiständin, ein Vormund oder die Eltern des Kindes selbst das Kind an diesen Pflegeplatz in Pflege geben wollen.

Falls die Gemeindeverwaltung oder der Sozialdienst nichts mit dem Angebot, ein Pflegekind aufzunehmen, anfangen kann, kann die Pflegekinderaktion weiterhelfen. Diese haben Adressen von regionalen Projekten, die immer wieder geeignete Plätze für Kinder suchen.

Voraussetzungen für Pflegefamilien

  • Freude am Zusammenleben mit Kindern und in der Lage sein, für ihre Belange einzutreten
  • Genug Raum für ein (weiteres) Kind haben
  • Die Partnerschaft sollte stabil sein
  • Die gesamte Familie sollte bereite sein, mit einem Kind aus fremdem Lebensumfeld leben zu wollen
  • Pflegekinder haben ein Recht auf Umgang mit ihrer Herkunftsfamilie
  • Grund- und Ausbildungskurs besuchen, bzw. Fortbildung und gegebenenfalls Supervision
  • Bereitschaft, mit Fachpersonen zusammenzuarbeiten
  • Geordnete finanzielle Verhältnisse
  • Gesund und belastbar

Detaillierte Beschreibung der Rechte und Pflichten der Pflegeeltern.

Viele Tipps, Infos und Ratgeber wie auch Kurse zu Pflegeverhältnissen können über eins nicht hinwegtäuschen: Es gibt keine Gelinggarantie für Pflegeverhältnisse. Viele Pflegeverhältnisse scheitern und werden abgebrochen. Insbesondere als schwierig erweist sich die Pubertät, hier liegt der Anteil aufgrund einer älteren Studie überdurchschnittlich hoch. Aber auch hier fehlen konkrete Zahlen, Statistiken gibt es keine.

Doch vielfach glücken auch die Beziehungen zwischen Pflegekindern und ihren Pflegeeltern. Viele Pflegekinder sehen die Pflegefamilie als ihre Eltern an, weil sie die gesamte Palette der Elternrolle übernehmen. Diese Bindungen halten ein Leben lang.

Broschüre «Pflegeeltern werden - Pflegeeltern sein»

74 Seiten, Fr 10.00 Herausgeber: Amt für Jugend und Berufberatung des Kantons Zürich und Pflegekinder-Aktion Schweiz, Bederstrasse 105,8002 Zürich Bestelladresse: administration@pflegekinder.ch

Broschüre «Leben mit Pflegekindern»

Zürich 2002, 108 Seiten, Fr. 15.00
Netz, Zeitschrift für das Pflegekinderwesen, Abonnement 3 Nummern jährlich Fr. 35.00, Einzelnummern Fr. 12.-
Herausgeber: Pflegekinder-Aktion Schweiz Bestellungen: Tel. 044/205 50 40; Fax 044/205 50 45 E-Mail: administration@pflegekinder.ch.

Text: Kathrin Fischer, Mitarbeit: Monika Beluskova

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