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Wenn das Grosi alles besser weiss: Erfolgreiche Strategien gegen Einmischung in die Erziehung

Ein Baby! Kaum wird die frohe Botschaft bekannt gegeben, hagelt es Tipps und Ratschläge. Viele davon sind lieb gemeint und werden gerne angenommen. Andere dagegen nerven. Zum Glück gibt es Wege, souverän mit der Einmischung in die Erziehung umzugehen.

Wenn andere alles besser wissen
In Erziehungsfragen weiss es oft jeder besser. Foto: Design Pics, Thinkstock

Ein Kind im Supermarkt jammert und schreit. Die Kunden spitzen die Ohren. «Nein, die Tüte mit den Bonbons legst du wieder weg», sagt die Mutter geduldig. «Mitnehmen, mitnehmen», kreischt dagegen das Kind, bis es sich schliesslich schreiend auf den Boden wirft. Im Gesicht der Mutter bilden sich hektische Flecken. Während sie versucht, das Kind zu beruhigen, machen sich die Kunden im Laden ihre Gedanken. «Was für ein verzogenes Kind», denken die einen, «So ein Ärger wegen ein paar Bonbons» ,denken sich andere. Nicht jedem gelingt es, seine Überlegungen für sich zu behalten. «Ein paar Bonbons haben doch noch keinem geschadet», sagt eine ältere Dame – laut genug, dass den Satz alle hören können. Eine Einmischung in die Erziehung, die den bereits angespannten Geduldsfaden der Mutter nun zum Reissen bringt.

Einmischung in Erziehung: Warum Eltern so leicht in die Luft gehen

Selbst Menschen, die normalerweise gut mit Kritik umgehen können, werden als Eltern dünnhäutig. Kein Wunder, betreten sie doch mit der Gründung einer Familie völlig neues, unsicheres Terrain. So viele Fragen sind zu klären, die von der richtigen Temperatur des Babybreis bis hin zur richtigen Erziehungsmethode reichen. Das stresst und verunsichert. Die meisten Eltern haben einen hohen Anspruch an sich. «Wir wollen alles perfekt machen», sagt Nicole Bauhofer-Sennrich, diplomierte Kommunikationstrainerin nach Thomas Gordon, Kindergartenlehrperson und Mutter von drei Kindern. Einmischung in die Erziehung, wenn sie als Kritik verstanden wird, nährt Selbstzweifel, selbst dann, wenn Eltern die Kritik entschieden zurückweisen.

Auch alte Beziehungsmuster tragen dazu bei, sehr empfindlich auf Einmischung in die Erziehung zu reagieren. So stossen Grosseltern mit ihren Tipps vor allem dann auf Ungnade, wenn sie eine Auffassung präsentieren, unter der die Eltern als Kinder selbst gelitten haben. Klar könnte man in die Luft gehen, wenn Papa meint, man solle nicht so einen Wirbel um das Kind machen und es ruhig mal schreien lassen. Oder wenn Mama meint, Kinder müssten unbedingt ihre Teller leer essen.

Fremde Einmischung in die Erziehung zurückweisen

Fremden Menschen lassen sich leicht Grenzen setzten. «Im Fall der älteren Dame, die sich im Supermarkt in den Konflikt zwischen Mutter und Kind einmischt, ist es sinnvoll, einmal tief durchzuatmen, die Frau anzulächeln, ihr einen schönen Tag zu wünschen und sie ab sofort zu ignorieren», rät Nicole Bauhofer-Sennrich .

Auch mit einer Äusserung wie «Danke, ich komme allein mit der Situation zurecht» nimmt man dem unerwünschten Gesprächspartner leicht den Wind aus den Segeln. Wichtig ist, nicht zu beginnen, die eigene Einstellung oder das eigene Tun zu verteidigen! Je mehr man sagt, umso mehr Ansatzpunkte kann der andere finden, auf die er wiederum eingehen kann.

Auf die Ratschläge der Freunde reagieren

«Oft verstecken sich hinter Kritik ganz andere Botschaften als wir vordergründig heraushören», darauf weist Nicole Bauhofer-Sennrich hin. Ausgerechnet Freunde, von denen wir doch Verständnis erwarten, können oft überhaupt nicht erfassen, was es bedeutet, Verantwortung für ein Kind zu haben. Wer keine Kinder hat, stellt sich das Projekt «Familie» oft viel leichter vor. Manchmal fühlen sich Freunde von der Eltern-Kind-Beziehung gestört. So kann hinter der Aussage einer Freundin wie «Merkst du nicht, dass dein Kind dich ständig um den Finger wickelt?» oder «Dein Kind muss doch nicht ständig an dir kleben» durchaus eine Spur Eifersucht stecken. «In diesem Fall liegt das Problem bei dem Freund oder der Freundin», erklärt Nicole Bauhofer-Sennrich. Aktives Zuhören kann Licht in versteckte Botschaften bringen. Aktiv zuzuhören bedeutet, zu versuchen, sich in den Gesprächspartner einzufühlen, beim Gespräch mitzudenken und dem Gesprächspartner Aufmerksamkeit und Interesse entgegenzubringen.

Wichtige Techniken des Aktiven Zuhörens:

  • Die Aussage wird mit eigenen Worten wiederholt.
  • Die Gefühle des Gegenübers werden gespiegelt, z.B. «Das hat dich ganz schön geärgert.»
  • Bei Unklarheiten wird nachgefragt.
  • Der Inhalt dessen, was das Gegenüber gesagt hat, wird in wenigen Worten zusammengefasst.

 

Nicole Bauhofer-Sennrich entwickelt, wie ein solches Gespräch zwischen einer Mutter und ihrer Freundin verlaufen könnte.

Freundin: «Wie es hier im Wohnzimmer aussieht – als hätte ein Bombe eingeschlagen! Dein Kind muss doch nicht ständig an dir kleben.»

Mutter: «Du würdest Jan jetzt in sein Zimmer sperren?»

Freundin: «Nein, ich meine nur, dass du zu viel Zeit mit deinen Kindern verbringst. Schau dich mal an, du siehst aus als hättest du dich heute nicht mal gebürstet und früher warst du immer perfekt gestylt.»

Mutter: «Hmm, du trauerst unseren alten Zeiten hinterher.»

Freundin: «Ja, weisst du, wie gerne ich wieder mit dir in Ruhe etwas Essen gehen würde…»
 

Geschickt mit den Grosseltern des Babys umgehen

Grosseltern sind Eltern – und Eltern geben ihren Kindern nun einmal Tipps. Das war schon immer so. Ausgerechnet dann aus dieser «Leitungsrolle» herauszutreten, wenn ein so faszinierender Mensch wie das eigene Enkelkind ins Leben tritt, fällt ihnen besonders schwer.

«Meistens meinen sie es ja nur gut und wollen helfen», sagt Nicole Bauhofer-Sennrich. Grosseltern wissen, wie schwer es ist, ein Kind zu begleiten. Sie haben selbst als Mutter oder Vater Lösungswege für bestimmte Probleme gefunden, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben. Klar, dass sie diese gerne und offenen Herzens weitergeben möchten!

Dennoch können ständige Ratschläge der eigenen Eltern oder Schwiegereltern ganz schön an die Nieren gehen. «Es liegt an demjenigen, der ein Problem hat, das Problem zu lösen», erklärt Nicole Bauhofer-Sennrich. Und das ist in diesem Fall die genervte Mutter oder der genervte Vater.

Doch wie lässt sich das Problem lösen? Nicole Bauhofer-Sennrich: «In diesem Fall gilt es, die Grosseltern mit einer «Ich-Botschaft» zu konfrontieren.» Eine Ich-Botschaft ist eine Äusserung, die die eigene Meinung oder die eigenen Gefühle mitteilt. Das kann zum Beispiel so klingen: «Ich fühle mich bevormundet, wenn du meine erzieherischen Fähigkeiten in Frage stellst.» Die Kommunikationstrainerin weiss: «Natürlich ist niemand erfreut, so etwas zu hören. Nun aber liegt das Problem beim Gegenüber. Die Mutter – oder der Vater – müssen nun wieder auf das «Aktive Zuhören» umschalten.»

Keine Erziehung ohne Einmischung

Auch wenn wir es uns oft anders wünschen: Erziehung ohne Einmischung gibt es nicht. Nicht nur Grosseltern mischen sich ein, auch Kindergarten und Schule mischen bei der Erziehung kräftig mit. Oft erweitern andere Blickwinkel den eigenen Horizont. Kinder sind kein Besitz der Eltern, wenn sie auch die Hauptverantwortung tragen. Dieser Gedanke kann auch entlastend sein. «Manchmal sehen wir das Wesentliche nicht mehr und sind froh über einen Input von aussen. Durch die Erfahrung von anderen Menschen/Familien können wir auch vieles lernen», so Nicole Bauhofer-Sennrich.

Weiterführende Links:

  • Website der Kommunikationstrainerin Nicole Bauhofer-Sennrich

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