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Hotel Mama, Papa Bank? Tipps für Eltern

Warum spielen so viele Eltern Hotel Mama und Papa Bank? Kurt Kneringer deckt die häufigsten Erziehungsfallen auf und sagt, wie Eltern diese umschiffen und worum es bei der Erziehung wirklich geht.

Kinder zu erziehen, ist für Eltern nicht immer einfach.
Kinder sollten so früh wie möglich Selbständigkeit lernen, in Sicherheit bei den Eltern. Foto: iStock, FotoimperiyA, Thinkstock

Kurt Kneringer, Sie sind seit 30 Jahren in der Elternbildung tätig und weisen in Ihren Veranstaltungen Eltern auf häufige Erziehungsfehler hin. Hotel Mama – Papa Bank ist eines dieser schädlichen Muster. Warum?

Die „Verwöhnungsfalle“ ist tatsächlich ein weit verbreitetes Problem. Vor allem Mütter glauben, ihren Kindern 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr einen Top-Service bieten zu müssen. Später wundern sich die Eltern, warum die Kinder nicht ausziehen wollten und Mühe haben, Selbständigkeit zu bekunden. Aus der Sozialberatung weiss man, dass es heute eher Schwierigkeiten bereitet, die Kinder aus dem Haus zu bekommen. Früher waren Probleme häufiger, weil Kinder möglichst früh ausziehen wollten.

Es geht hier ums Loslassen können. Der Verselbständigungsprozess der Kinder sollte nämlich bereits im Kleinkindalter beginnen. Dann, wenn das Kind anfängt, sich das Essen selbst zu schöpfen. Die Eltern sollten das Kind in kleinen Schritten zur Eigenverantwortung führen. Denn wie soll es sonst mit 18 plötzlich erfolgreich selbständig sein, wenn es dies vorher nie gelernt hat?

Eltern handeln aber nicht nur zuviel, sondern sie fühlen und denken auch zuviel für ihre Kinder.

Zuviel für ihre Kinder fühlen, das kann ja kaum ein Fehler sein?

Wenn eine Mutter sagt: „Ich weiss genau, wie es meinem Sohn geht, ich muss ihn nur anschauen“, und sie fragt ihn nicht, wie es ihm geht, dann nimmt sie ihn nicht ernst. Wenn sie dann noch gleich alles für ihn macht, dann ist das Fürsorge mit negativen Folgen. Deshalb muss gelten: Anteilnahme und Interesse ist gut, aber gleich alle Entscheidungen für das Kind treffen und für es handeln ist kontraproduktiv. Schon Fünf- und Sechsjährige wissen nämlich ganz gut, was sie wollen und nicht wollen.

Wie können Eltern diese Erziehungsfalle vermeiden?

Indem sie davon ausgehen, dass ihre Kinder gleichwertig sind. Sie sind zwar kleiner als Erwachsene, aber genau gleichviel Wert wie Erwachsene. Das ist die Grundlage, die den Kindern einen guten Start in den Prozess der Selbständigkeit ermöglicht. Und ab Schulalter müssen die Kinder dann in kleinen Schritten lernen, mit Geld umzugehen.

Fünf Thesen für die Eltern

  1. Je besser es den Eltern geht, desto besser geht es auch den Kindern. Das sollten sich vor allem die Mütter zu Herzen nehmen.
  2. Eltern sollen den Beruf wechseln. Eltern sind nämlich keine Bildhauer, sondern sie sollen Gärtner werden. Denn Gärtner wissen: Aus einem Apfelbaum wird kein Birnenbaum.
  3. Sich und den Kindern die Lebensfreude so gut wie möglich erhalten. Zeit zum Spielen muss einfach sein.
  4. Verantwortung soll stufenweise abgegeben werden.
  5. Seien Sie kreativ statt repressiv!

Damit sind wir bei „Papa Bank“. Welche sind die häufigsten Fehler, die im Umgang mit Geld gemacht werden?

Geld ist das grösste Tabu in unserer Gesellschaft. Am Familientisch und auch sonst redet man nicht über Geld. Die Kinder erhalten einen falschen Eindruck von dem Beschaffungsprozess der Dinge für ihren Alltag. Es ist immer alles da, aber sie haben keine Ahnung, wie und woher diese Dinge kommen. Kinder sollten in die Zusammenhänge zwischen Geldverdienen und Ausgeben eingeweiht werden. Der grösste Fehler, den Eltern hier machen ist, dass sie Angst davor haben, Transparenz herzustellen.

Ist es wirklich eine Angst der Eltern oder nicht eher ein Zeit- und Aufmerksamkeitsmangel?

Das spielt sicher auch eine Rolle. Hingegen wollen viele Eltern wirklich nicht zugeben, dass ihre Mittel knapp sind. Es gibt Eltern, die sich verschulden, nur um die kostspieleigen Markenkleider für die Kinder zu bezahlen. Aber auch Eltern, die nicht in finanziellen Zwängen stecken, sollten den Umgang mit Geld transparenter gestalten. Das Geld soll relativiert werden und klar als Mittel zum Zweck erkannt werden können.

Wie man lernt, über eine Strasse zu gehen oder wie man mit Werkzeug umgehen lernt, muss man den Umgang mit Geld auch lernen. Das Kind sollte deshalb von klein auf mit einem kleinen Betrag den eigenverantwortlichen Umgang lernen.

Was für Regeln gelten beim Taschengeld?

Auf Taschengeld gibt es keinen Vorschuss und es gibt auch keinen Kredit. Bezüglich Höhe und Häufigkeit des Taschengelds möchte ich auf die Ratgeber und Hinweise der Budgetberatungsstellen verweisen, die sehr gute Informationen für Eltern zusammengestellt haben.

Taschengeld muss unabhängig von Verhalten und unabhängig von Leistung ein fixer Betrag sein. Denn Sozialverhalten soll nicht über Geld geübt werden.

Surftipp:
Budgetberatung Schweiz für Kinder und Jugendliche
Mit Richtlinien ins Tipps zum Taschengeld und mehr.

Ist es denn korrekt, Leistung mit Geld zu belohnen?

Es ist ein schwerer Fehler. Man fördert bei den Kindern das Denken, dass man für eine Leistung immer Geld bekommen sollte. Das geht so weit, dass Kinder nach Bezahlung fragen, wenn sie um einen Gefallen gebeten werden.

Kinder sollten lernen, dass alle ohne Bezahlung ihren Teil zur Gemeinschaft beitragen. Ausnahmen können Sonderleistungen bilden. Diese könne mit einem kleinen Geschenk belohnt werden oder mit einem Beitrag auf ein Sparziel. Aber dies wohlgemerkt nur für Sonderleistungen und nicht für normale Alltagsarbeit.

Auch Schulleistungen sollten nicht bezahlt werden. In Basel wurde ein Experiment gemacht, bei dem gute Leistungen in der Schule bezahlt wurden. Das Experiment wurde abgebrochen als sich zeigte, dass sich der anfängliche Anreiz sich mit der Zeit total verlor.

Was lernt ein Kind idealerweise im Umgang mit Geld?

Zum einen die Relativität des Geldes. Wieviel beispielsweise ein Franken wert ist – nämlich so viel auch wieder nicht. Und sie lernen zu sparen. Denn wenn sie alles ausgegeben haben, ist das Geld weg. Am Anfang wird das Geld oft wild ausgegeben, und das ist auch gut so. So lernen sie den Unterschied zwischen Haben und nicht Haben.

Ein Junge wünschte sich beispielsweise bestimmte Turnschuhe. Die Eltern gaben ihm den Betrag, den sie üblicherweise für seine Schuhe aufwendeten und sagten ihm, er solle die Differenz vom eigenen Geld bezahlen. Der Junge entschied sich für die billigeren Turnschuhe, weil es ihm reute, sein Erspartes dranzugeben.

Gibt es auch Negativbeispiele?

Der Konsumismus führt heute zu Extrembeispielen wie etwa zu Jugendlichen, die mit 90'000 Franken verschuldet sind. In der Schweiz sind 300'000 Kaufsüchtige bei den Sozialämtern gemeldet, die Dunkelziffer ist riesig und das Problem wächst.

Bei einer Umfrage unter Gewerbsschülern haben wir vor einige Jahren festgestellt, dass das Bewusstsein, was das Leben kostet, gleich Null ist. Um dem vorzubeugen sollten Eltern zusammen mit ihren Kindern über das Budget sprechen. Eine Möglichkeit ist das Budgetspiel. Zusammen wird auf einem Budgetbogen zusammengetragen, was man für Essen, die Miete, die Versicherungen, das Auto braucht.

Ab wann kann man denn das Kind ins Budget einweihen?

Sicher von der Mittelstufe an sollte mit dem Kind zusammen aufgelistet werden, was das Leben so kostet. Das kann einmalig sein, sollte aber stattfinden. Denn nur so kann das Bewusstsein der Jugendlichen geweckt werden, dass das Leben seinen Preis hat.

Können Eltern so ihre Kinder vor Schulden bewahren?

Leider nein. Aber das Risiko ist viel kleiner, da das Bewusstsein für den Umgang mit Geld entwickelt wurde, und die Jugendlichen gelernt haben, Preise zu vergleichen.

Wie sollte der Abnabelungsprozess von Zuhause denn im Idealfall verlaufen?

Eltern sollten die Verantwortung schrittweise abgeben und da wo es möglich ist, Freiräume geben. Das bedingt, dass sich Väter und Mütter täglich oder wöchentlich fragen: „Wo bin ich verantwortlich - und wo fühle ich mich verantwortlich?“ Und wenn nötig ihr Verhalten anpassen und ändern, auch wenn es schwer fällt.

Zum Beispiel beklagte sich eine Mutter eines Zwölfjährigen, dass sie ihn jeden Morgen fünf Mal wecken müsse. Sie bekam den Rat, das System zu wechseln und den Jungen eigenverantwortlich aufstehen zu lassen. Diese Verantwortung wurde ganz bewusst übergeben, sie sagte ihm, er solle sich ab nächster Woche von seinem eigenen Wecker wecken lassen. Sie informierte den Lehrer, weil der Junge sicher zwei oder drei Mal zu spät kommen würde. Morgens ging sie zur Weckzeit mit dem Hund spazieren. Der Junge liess es natürlich drauf ankommen. Drei Mal hat er verschlafen, vom vierten Tag an klappte es. Es ist wichtig, bei solchen Veränderungen hart zu bleiben und nicht nach einem Mal schon einzulenken. Denn die Kinder sind schlau.

Das Ziel von der Erziehung ist Selbstverantwortung. Diese setzt sich zusammen aus Selbstvertrauen und Selbstdisziplin. Selbstvertrauen kann ein Kind nur aufbauen, wenn Vertrauen auch geschenkt wird. Und Verantwortung kann ein Kind nur dann übernehmen, wenn dies auch zugelassen und gefördert wird.

Herr Kneringer, herzlichen Dank für das Gespräch.

 

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Kurt Kneringer ist Heilpädagoge und Lehrer und seit 30 Jahren in der Erwachsenenbildung tätig.

Veranstaltungen mit Kurt Kneringer zu Hotel Mama - Papa Bank, den vergessenen Humor in der Erziehung und anderen zentralen  Themen finden Eltern per Ankündigung ihrer Gemeinde.

 

Interview: Kathrin Fischer

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