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Familienfreundliche Unternehmen setzen auf Teilzeit-Karriere, Vaterschaftsurlaub und Home Office

Im Wettbewerb um die besten Fachkräfte könnte Familienfreundlichkeit in Zukunft ein ausschlaggebendes Argument sein. Warum Teilzeit-Karriere, Vaterschaftsurlaub und Home Office für familienfreundliche Unternehmen eine zentrale Rolle spielen sollten, erklärten Experten an der Pro Familia Fachtagung zum Thema «Flexible und familienbewusste Arbeitszeitmodelle».

Das Home Office ist Teil familienfreundlicher Unternehmen.
Arbeiten von zu Hause: Das spart den Arbeitsweg und bringt mehr Zeit für die Familie. Foto: Getty Images, Comstock Images, Thinkstock

Wagen wir einen Blick in die Zukunft der Schweiz: In den Unternehmen herrscht ein gravierender Fachkräftemangel. Gut ausgebildete Familienmütter und –väter sind längst ins Ausland abgewandert. In Länder wie Frankreich oder Schweden, weil dort Familienfreundlichkeit grossgeschrieben wird. Zurück bleiben die Alten, um die sich niemand kümmern kann.

Ein Blick in die Zukunft der Schweiz könnte aber auch ganz anders aussehen: Die Wirtschaft floriert. Unternehmen investieren in Familienfreundlichkeit. Das Home Office ist selbstverständlich. Familien werden bei der Suche nach Betreuungsplätzen unterstützt. Frauen und Männer in Teilzeit klettern die Karriereleiter nach oben. Der Staat fördert eine Eltern- und eine Pflegezeit.

Familienfreundlichkeit lohnt sich für Unternehmen

Bis zu diesem zweiten Blick ist es allerdings noch ein weiter Weg. Das zeigen allein die zahlreich abgelehnten Vorstösse zum Thema Vaterschafturlaub oder Elternzeit auf Bundesebene. Doch es lohnt sich in die Familienfreundlichkeit zu investieren: für die Unternehmen und für den Staat. Das machte die Fachtagung «Flexible und familienbewusste Arbeitszeitmodelle» von Pro Familia Schweiz im November in Solothurn deutlich.

«Die Themen Zeit, Familienzeit und Familienfreundlichkeit bekommen in Zeiten der Bevölkerungsalterung und der zunehmenden Knappheit von qualifizierten Mitarbeitenden einen immer höheren Stellenwert», schreibt die Pro Familia Arbeitsgruppe «Familienzeit» in ihren Empfehlungen. Mittlerweile würden auch Unternehmen erkennen, dass sich familienfreundliche Massnahmen in einer höheren Arbeitszufriedenheit, in einer geringeren Fluktuation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und in tieferen Kosten ausdrücken. Laut einer Prognos-Studie von 2005 würden Unternehmen acht Prozent ihrer Personalkosten sparen.

Familienfreundliche Unternehmen: Swisscom, Microsoft, Procter & Gamble

Familienfreundlichkeit im Unternehmen kann ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Grosse Firmen wie Swisscom, Microsoft oder Procter & Gamble wissen das. So fördert Swisscom beispielsweise die Arbeitsflexibilität, Heimarbeit ist keine Ausnahme. «Wenn ich in mein Grossraumbüro komme, habe ich ein gutes Gefühl, wenn es halb leer ist», sagte Kathrin Amacker-Amann, Mitglieder der Konzernleitung bei Swisscom. Denn dann wisse sie, dass ihre Mitarbeiter fleissig von zu Hause arbeiten oder bei Kunden unterwegs sind.

Simone Ruppertz-Rausch, Leiterin Kunden- und Partnerzufriedenheit bei Microsoft, hob ebenfalls die zentrale Bedeutung des Home Office hervor. Zudem biete ihr familienfreundliches Unternehmen spezielle Family Services. Mitarbeiter können sich dort beispielsweise Hilfe bei der Krippenplatzsuche holen. Bei Procter & Gamble gibt es neben der Möglichkeit auf Home Office oder Teilzeitarbeit einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub.

Pro Familia will sich dafür stark machen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Berufe auch in anderen Unternehmen selbstverständlich wird. «Ein immer bedeutenderer Teil der Mitarbeitenden will selber entscheiden können, wann, wie und wo sie die Arbeit für den Arbeitgeber erledigen werden», sagte Laurent Wehrli, Präsident von Pro Familia. Konkret ging es an der Tagung unter anderem um drei Beispiele für Arbeitsflexibilität: das Home Office, die Teilzeitarbeit und eine vom Staat geförderte Elternzeit.

Eine Elternzeit kann die Vereinbarkeit fördern.
Eine bezahlte Elternzeit ist wichtig für die Work-Family-Balance. Foto: Pixland, Thinkstock

Das Home Office ist Teil eines familienfreundlichen Unternehmens

Die Vorteile des Home Office sind schnell auf den Punkt gebracht: Wer zu Hause arbeitet, wird nicht ständig von Kollegen oder Telefonanrufen unterbrochen. Er kann in der Regel in Ruhe arbeiten. Das steigert oftmals die Qualität der Arbeit. Es fördert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das stressige Pendeln fällt weg, dafür bleibt mehr Zeit mit den Kindern. Home Office ist wegen moderner Kommunikationsmittel in vielen Branchen möglich. Bereits ein Tag im Home Office pro Woche kann Arbeitnehmer entlasten.

Professor Hartmut Schulze von der Hochschule für Angewandte Psychologie machte an der Tagung darauf aufmerksam, dass vor der Einführung des Home Office Regeln zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden sollten. Zudem ist es sinnvoll, wenn das Unternehmen dabei hilft, das Heimbüro einzurichten oder Weiterbildungen zur Förderung der Selbstorganisation anzubieten.

Teilzeitarbeit gehört zum familienfreundlichen Unternehmen

Teilzeit ist in der Schweiz heute in der Mehrheit eine Frauenangelegenheit. 57 Prozent der Mütter mit dem jüngsten Kind unter sieben Jahren arbeiten Teilzeit. Bei den Vätern sind es nur acht Prozent. Da auch immer mehr Männer Teilzeit wünschen, liegt es an den Unternehmen, das Angebot an Teilzeitstellen zu verbessern. Die Experten an der Tagung waren sich einig, dass Teilzeit eine Karriere nicht behindern sollte.

Kathrin Amacker-Amann von Swisscom sagte, es brauche mehr Mut: «Männer müssen mehr Mut haben, Teilzeit einzufordern. Frau müssen Mut haben, ihre Karriere einzufordern und es braucht Mut von Unternehmen Exempel zu statuieren, zum Beispiel eine schwangere Frau in eine höhere Ebene zu befördern.»

Kleine Unternehmen, die sich keine Teilzeitarbeit leisten könnten, sollten ihren Mitarbeitern zumindest kleinere Flexibilisierungen ermöglichen. «Es geht in der Regel mehr als man glaubt», sagte der Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes Thomas Daum.

Elternzeit für Mütter und Väter

Eine weitere Empfehlung von Pro Familia richtet sich an die Politik. Zusätzlich zum bisher geltenden Mutterschaftsurlaub soll es für Männer eine zweiwöchige Vaterschaftszeit geben. Ausserdem sollte es im Anschluss an Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub eine bezahlte Elternzeit geben, die 24 Wochen dauert und zwischen beiden Eltern aufgeteilt werden sollte. «Die Einführung einer Elternzeit ist für die Entwicklung des Kindes und für die innerfamiliäre Balance der Familie von grosser Bedeutung», heisst es bei Pro Familia. Der Verband fordert den Bundesrat auf, zudem eine Betreuungszeit für Berufstätige, die sich um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmern, zu prüfen.

Die Tagung machte deutlich, welches Potential in Unternehmen und in der Politik steckt, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Insbesondere der drohende Arbeitskräftemangel und die modernen Kommunikationstechnologien sollten Motor sein, umzudenken und verstärkt auf familienfreundliche Arbeitsmodelle zu setzen.

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