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Leben > Finanzen

Reportage: Eine Familie atmet finanziell auf

Elf Jahre lang musste Rebecca S. jeden Rappen zweimal umdrehen – das Geld reichte hinten und vorne nicht. Nur dank der Unterstützung ihrer Eltern kam sie über die Runden. Seit die gelernte Pflegefachfrau Ende letzten Jahres eine Kaderstelle beim Kanton Zürich angetreten hat, ist die finanzielle Situation wesentlich entspannter geworden. Gegenüber ihren zwei Söhnen, aber auch gegenüber sich selbst, kann die alleinerziehende Mutter mittlerweile etwas grosszügiger sein – auch wenn ihr der Hang zur Sparsamkeit in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Mutter und Söhne spielen gemeinsam Karten
Rebecca Steinegger lebt mit ihren Söhnen Noah und Nico im Kanton Zürich. © Fabio Baranzini

«Verschwendung ist mir nach wie vor zuwider.» Rebecca S. lacht. Noch immer kaufe sie am liebsten Occasionen und achte beim Einkaufen auf Aktionen. «Das gebe ich auch meinen Kindern weiter.» Es liege ihr am Herzen, dass Noah und Nico auch jetzt, wo sie in einer privilegierteren Lage sind, bewusst leben und das Geld zu schätzen wissen. Aber die Familie muss nicht mehr ganz so präzis planen. «Ich kann den beiden auch mal einen Extrabatzen geben. Einfach so.» Das wissen die beiden Jungs sehr zu schätzen. «Ich freue mich aber auch darüber, dass meine Mutter sich ab und zu mal was leistet», so Nico. Sei es ein neuer Pullover, eine Massage oder eine Maniküre: «Früher hat sie das nie gemacht.» Er lacht. «Neulich hat sie sich tatsächlich einen Hamster gekauft. Als sie mir am Telefon davon erzählt hat, dachte ich, sie meine ein Stofftier. Aber dann hat sie wirklich einen Hamster  heimgebracht!»

Ich freue mich darüber, dass meine Mutter sich ab und zu mal was leistet. Früher hat sie das nie gemacht.

Frau sitzt lächelnd am Laptop

Seit einem Jahr verdient Rebecca S. gut – sie arbeitet fast Vollzeit. © Fabio Baranzini

Bei Bildung wird nicht gespart

Nico besucht die zweite Oberstufe einer öffentlichen Sekundarschule, sein älterer Bruder Noah die dritte Oberstufe einer Privatschule. Die Wahl von Noahs Schule war nicht ganz freiwillig: «Von mehreren Seiten her ist mir für Noah eine Schule mit Kleinklassen ans Herz gelegt worden», erzählt Rebecca. Damit war für sie die Sache klar: «Ich habe immer Wert darauf gelegt, den Kindern die bestmögliche Bildung zukommen zu lassen. Diesbezüglich habe ich nie gespart.» Dass Nico auf eine «normale» Schule geht, zieht keine finanziell unterschiedliche Behandlung der Brüder nach sich. «Noah kann ja nichts dafür, dass die öffentliche Schule seinen Bedürfnissen nicht optimal entspricht.» Doch die monatlich 1500 Franken Schulgeld schmerzen – auch jetzt noch.

Ich habe immer Wert darauf gelegt, den Kindern die bestmögliche Bildung zukommen zu lassen. Diesbezüglich habe ich nie gespart.

Hallo, wir sind die Familie Steinegger!*

Rebecca Steinegger (40) lebt mit ihren Söhnen Noah (15) und Nico (13) im Kanton Zürich. Die gelernte Pflegefachfrau HF arbeitet seit einem Jahr als Führungskraft im Gesundheitswesen im Kanton Zürich. Ihre Söhne besuchen die 2. und 3. Oberstufe. Nach vielen finanziell herausfordernden Jahren hat sich die Situation dank des neuen Jobs entspannt – auch gegenüber sich selbst darf Rebecca nun etwas grosszügiger sein.

* Der Nachname wurde geändert und ist frei erfunden, um die Persönlichkeitsrechte der Familie zu schützen. Alles andere ist wahr.

Fairness wird grossgeschrieben

Rebecca S. ist äusserst bedacht auf Gerechtigkeit: Beide Kinder bekommen monatlich 240 Franken Jugendlohn. «Davon müssen wir unsere Kleidung, das Schulmaterial, drei auswärtige Mittagessen, sämtliche Pflegeprodukte und den Coiffeur bezahlen», erzählt Noah. Versicherungen, das Schulgeld, aber auch die Kosten fürs Handy, Winterkleidung und -schuhe, Sportutensilien und ÖV übernimmt ihre Mutter. Unterschiede gleicht sie aus. Noah muss zum Beispiel zweimal wöchentlich auswärts essen, während Nico mittags heimkommen kann. Rebecca ist der Ansicht, dass auch Nico das Anrecht hat, mit Freunden essen zu gehen. Deshalb zahlt sie auch ihm Essensgeld. Das entlaste auch sie selbst. «Ich bin froh, wenn ich nicht jeden Abend vorkochen muss», erklärt die 40-Jährige, die mittags nicht heimkommen kann – im Gegensatz zu Nico, der das Essensgeld oft spart und trotzdem zu Hause isst: «Ich mache mir dann meist einfach ein Sandwich», so der 13-Jährige.

Junge präsentiert seine neuen Sneakers

Nico gibt sein Geld vorzugsweise für Sneakers aus © Fabio Baranzini

Mein Bruder und ich bekommen pro Monat 240 Franken Jugendlohn. Davon müssen wir unsere Kleidung, das Schulmaterial, drei auswärtige Mittagessen, sämtliche Pflegeprodukte und den Coiffeur bezahlen.

Junge repariert einen Computer

Noah investiert Geld und Zeit in seinen Computer.  © Fabio Baranzini

Überhaupt ist Nico der Sparsamere der beiden Brüder. «Meist bleiben mir am Monatsende 30 bis 40 Franken übrig», erzählt er. Momentan spart er auf ein neues Handy – «am liebsten ein iPhone 16, aber das muss nicht unbedingt sein». Sein altes Mobiltelefon hat er versehentlich fallen gelassen – «das passiert mir nicht noch einmal!» Ansonsten gibt er am meisten Geld für Markenkleidung und trendige Sneakers aus. «Das ist mir einfach wichtig.» Noah kann weniger gut mit Geld umgehen, wie er selbstkritisch einräumt. «Es gelingt mir einfach nicht zu sparen», sagt er zerknirscht und verrät: «Mein erster Jugendlohn war bereits nach drei Tagen weg. Da wollte ich das Sackgeld zurück!» Die grösste Herausforderung für ihn: Online-Shopping. «Die Jungs können ihre Bankkarten zwar nicht überziehen, aber sie können natürlich auf Rechnung bestellen.» Noch immer ist der Umgang mit Geld schwierig für Noah: «Aber ich gebe mir Mühe.» Zum Glück könne er auf die Unterstützung seiner Mutter zählen.

Mein erster Jugendlohn war bereits nach drei Tagen weg. Da wollte ich das Sackgeld zurück!

Sparen ist schwer

Nicht einfacher macht es, dass die meisten seiner Freunde bereits in der Lehre sind und mehr Geld als er zur Verfügung haben. Manchmal bittet er seine Mutter um einen Zustupf. «Dann twinte ich ihm halt was», gesteht Rebecca. Oder sie drücke ihm für einen Chilbi- oder Konzertbesuch ungefragt eine Geldnote in die Hand. «Durch meinen neuen Lohn bin ich weniger streng als früher.» Noah selbst sucht derzeit eine Lehrstelle für nächsten August – am liebsten als Motorradmechaniker. Sein grösster Wunsch: ein eigener Töff. Er hofft, dass sich der Lehrbetrieb an den Kosten für den Führerausweis beteiligt. «Und vielleicht unterstützt mich mein Opa, er ist selbst ein grosser Motorradfan. Aber einen Teil werde ich natürlich selbst berappen müssen.» Gelegentlich verdient sich der 15-Jährige etwas Geld dazu. «Im Moment hüte ich zum Beispiel die Katze meiner Grossmutter», erzählt er. Auch seinem Grossvater hat er schon geholfen, «bei der Jungbaumpflege. Und ab und zu verkaufe ich Sachen von mir, die ich nicht mehr brauche.» 

Anfang eines Bewerbungstextes

Noah bewirbt sich zurzeit für eine Lehrstelle als Motorradmechaniker © Fabio Baranzini

Weltkarte mit Fokus auf Europa

Kommenden Frühling absolviert der 15-jährige Noah einen Intensivsprachkurs im Ausland © Fabio Baranzini

Bewegung und soziale Kontakte als Ausgleich

Nächsten Frühling absolviert Noah einen sechswöchigen Intensivsprachkurs in San Diego. Kostenpunkt: rund 10’000 Franken. «Alleine das Visum kostet 500 Franken», seufzt Rebecca. Aber für sie steht ausser Frage, dass sie den Wunsch ihres Sohnes unterstützt und vollumfänglich finanziert. «Man kann nicht genug in eine gute Ausbildung investieren», ist die überzeugt. Neben der Bildung sind ihr auch sportliche Aktivitäten wichtig. Beide Söhne gehen viermal wöchentlich zum Unihockey. «Bewegung und soziale Kontakte sind in meinen Augen unverzichtbar – gerade als Ausgleich zum vielen Rumsitzen und Gamen.» Noah gamt nicht nur gern, sondern investiert auch Geld und Zeit in seinen Computer. «Ich hatte ursprünglich sogar überlegt, eine Ausbildung zum Informatiker zu machen», erzählt er. Doch seine Liebe zu Motorrädern hat schlussendlich gesiegt.

Zwei Jungs mit ihrer Ausrüstung für Unihockey

Die beiden Brüder gehen viermal wöchentlich zum Unihockey. © Fabio Baranzini

Bewegung und soziale Kontakte sind in meinen Augen unverzichtbar – gerade als Ausgleich zum vielen Rumsitzen und Gamen.

Familie kocht gemeinsam

Gemeinsame Zeit ist der Familie heilig  © Fabio Baranzini

Etwas anderes hingegen möchten die zweifache Mutter nicht missen: das Reisen. «Reisen bildet mehr als Schule», ist Rebecca überzeugt. Schon immer hat sie Wert darauf gelegt, ihren beiden Söhnen fremde Kulturen näherzubringen. So waren sie als Familie schon in Thailand, Malaysia und Jordanien. «Ich habe ein Talent dafür, günstige Flüge zu finden», sagt Rebecca und lacht. Nicos grosser Traum ist eine Reise nach Japan. «Aber das liegt auch jetzt noch nicht drin», erklärt Rebecca. Und ergänzt nach kurzem Überlegen: «2025 fällt das Schulgeld weg. Dann nehmen wir das Projekt Japan in Angriff.»

Finanzen verstehen – Finanzen erklären

Die Rubrik «Finanzen» wird präsentiert von jugendbudget.ch. Der Elternratgeber bietet hilfreiche Tipps rund ums Thema Kinder und Geld.

jugendbudget.ch

 

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