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Behindertengerechtes Bauen: ohne Hürden alt werden

Hindernisfreies Bauen kommt älteren Menschen, Behinderten und Eltern mit Kinderwagen zugute. Fachberater Eric Bertels sagt, worauf es beim hindernisfreien Bauen ankommt und wie die Sicherheit im Haus erhöht werden kann.

Behindertengerechtes Bauen ist sehr wichtig.
Hindernisfrei unterwegs: Behindertengerechtes Bauen ist sehr wichtig. Foto: istock, thinkstock

Es ist Ihnen sicher schon aufgefallen: Auf der Strasse bewegen sich immer mehr ältere Leute mit einem Rollator. Damit kann eine gehbehinderte Person ohne Mühe den Einkauf transportieren. Gleichzeitig dient das Gerät auch als Sitzgelegenheit, wenn die Puste ausgeht. Das häufige Auftreten von Personen mit Rollatoren belegt zwei Tatsachen. Zum einen leben in Industrieländern zunehmend Betagte zum anderen verzeichnen die medizinischen Versorgungen und die Möglichkeiten der Rehabilitation grössere Erfolge. Viele technische Hilfsmittel stehen Behinderten und Betagten zur Verfügung. Dadurch können viele trotz körperlichen Einschränkungen am normalen Leben teilnehmen. Hohes Alter ist also kein Grund mehr, sich in ein Altersheim zurückzuziehen. Hilfsmittel ermöglichen eine lange Selbständigkeit. Das einzige Problem besteht darin, dass die architektonische Umwelt oft nicht für solche Geräte geeignet ist. Überall trifft man auf Stufen oder hohe Absätze, welche die Benutzung von Gebäuden und Anlagen behindern. An vielen Orten sind die Liftaufzüge zu klein.

Trend hindernisfrei bauen

Seit einigen Jahren ist diesbezüglich aber eine Veränderung im Gang, denn es werden immer mehr Gebäude und Anlagen hindernisfrei gebaut. Bei diesen Projekten werden die Erschliessung und die Inneneinrichtung so gestaltet, dass sie auch von behinderten und betagten Menschen gut genutzt werden können.

Logo von Pro Infirmis

Im Zentrum stehen dabei Publikumsbauten wie etwa Läden, Restaurants, Kirchen usw. Aber auch neue oder umfassend sanierte Wohnhäuser kommen zunehmend in den Genuss dieser Bauweise. So hat man beispielsweise in Basel bei allen Wohnüberbauungen, welche in den letzten fünf Jahren realisiert wurden, auf bauliche Hindernisse verzichtet. Keine Stufen beim Eingang oder beim Zugang zur Autoeinstellhalle sowie ein genügend grosser Lift und Wohnungen, die mit Rollator oder Rollstuhl befahren werden können. Die Balkontürschwelle, früher eines der Haupthindernisse, ist in den meisten Fällen niedrig und stellt daher keine Barriere mehr dar. Auch in vielen anderen Kantonen stehen Mietern eine grössere Auswahl hindernisfreier Wohnungen zur Verfügung. Auch die Stockwerkeigentumswohnungen entsprechen in der Regel diesen Anforderungen.

Anders sieht es bei den Einfamilienhäusern aus. Dort trifft man kaum auf diese Bauweise, denn hier greifen die bestehenden Baugesetzgebungen nicht. Das Eigentumsrecht verhindert eine derartige Einflussnahme. Das bedeutet, dass sich Gebäudebesitzer selbst mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Allein stehen sie aber nicht da, denn in allen Kantonen gibt es kompetente Beratungsstellen für hinderniafreies Bauen. Sie geben unentgeltlich Auskunft, wie man dabei am besten vorgeht.

Dabei stellt sich oft die Frage, was man verbessern sollte. Ältere Menschen neigen dazu, nicht mehr viel in ihr Zuhause zu investieren, da sie meinen, dies würde sich nicht mehr lohnen. Das ist jedoch falsch, denn hindernisfrei bauen, bedeutet zugleich auch Sturzprävention. Ein Drittel aller Menschen im Alter über 65 Jahren stürzen laut Statistik mindestens einmal pro Jahr. Fünf Prozent der Stürze führen zu Knochenbrüchen. Die Folgen davon sind Spitalaufenthalt, Pflegebedürftigkeit, verminderte Mobilität und Verlust der Selbständigkeit. Ein Leben in der angestammten Umgebung ist meist nicht mehr möglich. Daher lohnt es sich, bestimmte Anpassungen vorzunehmen.

Massnahmen

  • Auf glatten Treppenstufen Gleitschutzstreifen aufkleben
  • Griffige Handläufe an sämtlichen Treppen anbringen
  • Hindernisse wie aufstehende Teppichränder herumliegende Gegenstände und Verlängerungskabel beseitigen
  • Alle Treppen gut und gleichmässig beleuchten, denn Licht erhöht die Sicherheit
  • Die Treppen in Keller und Estrich sind oftmals unterbeleuchtet
  • Alle Lichtschalter sollten gut sichtbar und erreichbar sein
  • Antirutschmatten für Bad und Dusche verwenden, denn nasse Böden erhöhen das Sturzrisiko
  • Solide Haltegriffe im Bad/WC festschrauben, sie vermindern das Sturzrisiko und erleichtem das Hinsetzen und Aufstehen

Text: Eric Bertels, Pro Infirmis

Eric Bertels leitet seit 1991 die Pro Infirmis-Beratungsstelle für hindernisfreies Bauen im Kanton Basel-Stadt

Zum Autor

Eric Bertels leitet seit 1991 die Pro Infirmis-Beratungsstelle für hindernisfreies Bauen im Kanton Basel-Stadt.

Der Innenarchitekt setzt sich seit 20 Jahren für das hindernisfreie Bauen ein. Im Jahr 2001 erschien sein Buch „Weichklopfen- 11 Aktionen zur Förderung des hindernisfreien Bauens“.

Weitere Artikel zu diesem Thema:
«Selbstbestimmung von Behinderten?»
«Das Wichtigste ist die Familie»

 

Mehr Informationen zum hindernisfreien Bauen:

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