Die Krise stresst, nicht die Kinder: So bleiben Sie gelassen
Stark steigende Infektionszahlen, ständig neue Massnahmen, finanzielle und berufliche Veränderungen: Die Coronakrise bringt emotionale Belastungen und Konflikte mit sich. Eltern brauchen Werkzeuge zur Stressregulierung. Eines davon ist die Selbstfürsorge. Unsere Expertin und Familienberaterin Maya Risch zeigt Ihnen, wie Sie in diesen Tagen die Balance finden und halten.

Harmonie pur? Ob die Eltern im Homeoffice sind oder nicht – die aktuelle Coronakrise ist für viele Familien eine Herausforderung oder gar Stress. Bild: ArtMarie, Getty Images
Wir alle sind von der Coronakrise betroffen und es ist vermutlich für uns alle eine grosse Herausforderung oder gar ein enormer Stress, uns mit der aktuellen Situation abzufinden und uns darin neu zu organisieren. Jeden Tag liest man von stark steigenden Zahlen, Freunde, Bekannte und Verwandte stecken sich an, müssen in Quarantäne, zusätzlich kommen bei vielen berufliche wie auch finanzielle Unsicherheiten dazu. Wie geht das weiter? Die Unsicherheit oder gar Angst vor den kommenden Wochen fordert uns auf verschiedenen Ebenen stark.
Online-Workshop: „Tut Wut gut?“
Kurs zum Umgang mit Wut und Aggression in der Familie
Wann: Mittwoch, 18. November und 9. Dezember 2020, 20.15 bis 22.15 Uhr
Wie: via Zoom
Als Eltern sind wir zudem weiterhin für die Atmosphäre in unserer Familie verantwortlich. Die Kinder sind wie immer – laut, lustig, fordernd, sie streiten sich und wollen unsere Aufmerksamkeit haben. Genau darum ist in diesen Tagen Selbstfürsorge ungemein wichtig.
Mit Selbstfürsorge ist gemeint, dass wir in dieser Krise so handeln müssen wie im Flugzeug, wenn ein Notszenario eintritt. Dort werden wir dazu aufgefordert, zuerst uns selbst die Sauerstoffmaske anzulegen, damit wir handlungsfähig bleiben, und erst dann unsere Kinder mit einer eben solchen zu versehen.
Warum es so wichtig ist, dass wir Eltern gut für uns sorgen
Wenn wir jetzt nicht gut auf unsere eigenen Bedürfnisse achten und uns nicht kleine Inseln der Ruhe oder Bewegung schaffen, passiert es sehr schnell – meistens am Abend, wenn alle müde sind –, dass wir, weil wir Stress haben, die Kinder anschreien, sie abwerten oder grob werden. Das ist ihnen gegenüber nicht fair, das wissen wir. Denn auch sie erbringen zur Zeit grosse Anpassungsleistungen und verstehen vieles nicht so ganz. Nur nützt uns dieses Wissen nicht viel, wenn unser Energietank leer ist und das Verhalten der Kinder an unseren Nerven zerrt, wie das eben vorkommt – besonders jetzt.
Um am Abend noch über Energiereserven zu verfügen, müssen wir tagsüber gut auf unser Wohlbefinden achten. Einerseits können wir unsere Erwartungen herunterschrauben und uns überlegen, was wir weglassen können. Dabei überlege ich mir jeweils, was passieren würde, wenn diese Erwartung gerade nicht erfüllt würde. Meistens ist die Antwort – eigentlich nichts. Und andererseits können wir uns selber immer mal wieder etwas Raum geben, indem wir für uns zumindest Minipausen schaffen und – wenn möglich – auch eine längere Pause einbauen.
Uns selbst immer wieder etwas Gutes zu tun, hilft dabei, unseren Energietank immer wieder nachzufüllen, sodass wir weniger schnell «ausrasten». So sorgen wir dafür, dass unsere Beziehungen gesund bleiben und wir unseren Krisenstress nicht an den Kindern auslassen.
Wie geht Selbstfürsorge?
Folgende und ähnliche Fragen sollten wir uns regelmässig stellen und nach Antworten darauf suchen. Wie tanke ich auf? Was tut mir gut? Was tut mir nicht gut? Was kann ich Gutes für mich tun, hier in der Wohnung oder rund um den Wohnblock? Wohin kann ich mich zurückziehen? Wie kann ich etwas Raum für mich schaffen? Ich habe z.B. einen bequemen Stuhl in unser Schlafzimmer gestellt, damit ich dort zwischendurch in Ruhe etwas lesen oder telefonieren kann. Als Nächstes will ich mir eine Online-Yogastunde gönnen. Wobei ich das Glück habe, dass meine Kinder schon etwas älter sind und ich sie problemlos für eine Weile alleine lassen kann.
Ideen für die Selbstfürsorge und für achtsame Minipausen im Familienalltag
- kurz auf den Balkon gehen, den Fokus auf unseren Atem richten und den Frühling einatmen.
- jeden Morgen den Baum vor dem Fenster betrachten, mit den Augen auf etwas Schönem verweilen – die Veränderung in der Natur wahrnehmen.
- etwas kochen, das MIR gut schmeckt
- beobachten, wie viele Nachrichten betreffend Corona ich ertrage, und diese entsprechend dosieren
- wenn die Kinder spielen, Pause machen, statt alles zu erledigen, was noch zu tun ist
- den Partner, die Partnerin umarmen
- den Partner, die Partnerin bei Bedarf um Hilfe bitten (kurze Pause, Unterstützung im Haushalt, Kind im Wutanfall begleiten)
- Bewegung mit oder ohne Kind einbauen (kurze Atemübung, 10-Liegestützen, 1min Planking, tanzen zu Musik)
- sich zum Kind auf den Boden legen und strecken
- ins Auto sitzen und in Ruhe 10 Minuten lesen
- zwei Minuten länger als nötig auf dem WC sitzen bleiben, ganz allein
- 30 Minuten lang einen Gehörschutz (Oropax) anziehen
- 50 Meter in Zeitlupe gehen und dabei jede kleine Bewegung wahrnehmen (achtsames Gehen)
- Dem Kaffee zuschauen, wie er aus der Maschine fliesst
- Die Hand aufs Herz legen und die Hand wahrnehmen
- 5 Minuten aufs Bett legen, durchatmen und nichts tun
- Den eigenen Körper abklopfen von oben bis unten – so die Körpergrenzen wahrnehmen
Was hindert uns daran, gut für uns selbst zu sorgen?
- Das Gefühl, keine Zeit dafür zu haben.
- «Ich muss noch…»
- Handy und Computer
- Wir vergessen, dass wir eine Pause machen können und dürfen.
- Vielleicht erleben wir Pausen als unangenehm, weil dann Unruhe aufkommt, und wir werden von vielen Gedanken überfallen
- Möglicherweise kommen Fragen auf, was wir wert sind, wenn wir gerade nichts leisten.
- Manchmal mischen sich vielleicht Stimmen ein, die sagen: “Du bist faul, egoistisch etc.“
Vielleicht sagen Sie jetzt «Mein Kind lässt mich nicht». Dann möchte ich Ihnen Mut machen, sich dafür stark zu machen – für Ihre Pausen. Kinder können lernen, kurz zu warten, einige Minuten liegen auf jeden Fall drin. Vielleicht brauchen sie etwas Übung darin und klare Signale, dass uns die Pause wichtig ist.
Beratung für Sie
- Einzel- oder Paarberatung über Zoom oder Telefon kostet noch bis zum Ende der Coronakrise 60min/Fr. 100.- (statt Fr. 120.-), Beratung in der Praxis 120.- mit 90min Erstgespräch.

Praxis für Beziehungskompetenz
Die Familienberaterin, Familylab Seminarleiterin und Waldkindergärtnerin Maya Risch lebt mit ihren zwei Söhnen und ihrem Mann in Zürich-Oerlikon. In einer individuellen Eltern- bzw. Familienberatung oder in Gruppentreffen bietet sie Eltern die Möglichkeit, zu erfahren, wie sie mit Unsicherheiten, Wut und Konflikten umgehen können und zeigt neue Perspektiven im Umgang mit Stolpersteinen im Familienalltag auf.