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«Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe»: Pro und Contra Stimmen

Am 28. Februar entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die Initiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe». Anfang Januar hätte sich eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für die Abschaffung der Heiratsstrafe ausgesprochen, dies ergab eine Umfrage von 20 Minuten. Wir haben Politiker befragt, die sagen was dafür und was dagegen spricht und was sich bei einer Annahme ändern würde.

Eidgenössische Abstimmungen: Pro und Contras Stimmen zur Heiratsstrafe
Die Heiratsstrafe spielt am Hochzeitstag in der Regel keine grosse Rolle. Foto: teksomolika, iStock, Thinkstock

Die Heiratsstrafe gehört end­lich ab­ge­schafft. Dieser Ansicht ist die CVP und hat die Initiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» eingereicht. Die Heiratsstrafe gibt schon seit Jahren zu reden, da verheiratete Doppelverdiener vereinzelt mehr Steuern zahlen müssen als unverheiratete Konkubinatspaare, zumindest wenn noch keine Kinder da sind. Was man unter Heiratsstrafe versteht und was sich nach der Annahme ändern würde, wollten wir von Xenia Athanassoglou, diplomierte Steuerexpertin aus Zürich, wissen. 

Xenia Athanassoglou: «Heiratsstrafe» ist ein politisches Schlagwort, welches für das steuertechnische Phänomen steht, dass in einigen Fällen verheiratete Paare steuerlich schlechter gestellt sind als unverheiratete Paare. Dies hängt mit der Steuerprogression zusammen. Je höher das Einkommen, desto höher der Steuersatz. Die Benachteiligung bezieht sich hauptsächlich auf die direkte Bundessteuer.

Wer ist davon am meisten betroffen?

Dies hängt von der Einkommens- und Vermögenskonstellation des Paares ab, sowie ob Kinder vorhanden sind. Die beiden klassischen Fälle sind jedoch Zweiverdiener-Ehepaare ohne Kinder bei einem Einkommen von total rund CHF 100‘000 sowie Zweiverdiener-Ehepaare mit Kindern bei einem Einkommen von CHF 120‘000. In der Regel sind Einverdiener-Ehepaare nicht von einer Mehrbelastung betroffen, sondern zahlen weniger Steuern, als wenn sie unverheiratet wären. Gemäss Bund sind aktuell rund 80‘000 Zweiverdiener-Ehepaare betroffen.

Es wird schon seit vielen Jahren über die Heiratsstrafe diskutiert - warum ist es so schwer einen Entscheid zu fällen?

Bereits 1984 hat das Bundesgericht entschieden, dass die kantonalen Steuergesetzgebungen Ehepaare im Verhältnis zu Konkubinatspaaren nicht stärker belasten dürfen. In der Umsetzung gestaltet sich das jedoch schwierig. Politisch bestehen erhebliche Differenzen, wie die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren korrigiert werden soll.

Damit sieht man, dass es bei dem Thema der «Heiratsstrafe» weniger um eine steuertechnische Thematik geht, als vielmehr um eine (gesellschafts-)politische. Hinzu kommt, dass eine Aufhebung von steuerlichen Benachteiligungen immer mit finanziellen Mindereinnahmen verbunden ist.

Was würde sich bei einer Annahme steuerlich ändern?

Gegenüber dem aktuell geltenden System der Ehegattenbesteuerung (Addition von Einkommen und Vermögen des Paares und gemeinsame Besteuerung) gibt es alternative Ansätze:

  • Individualbesteuerung: Beide Partner werden auch nach der Hochzeit individuell besteuert.
  • Splitting: Das gemeinsame Einkommen des Ehepaares wird zu einem tieferen Steuersatz besteuert als das gleich hohe Einkommen einer unverheirateten Person. Beim Vollsplitting wird das gemeinsame Einkommen zum halben Steuersatz besteuert.
  • Alternative Steuerberechnung: Zusätzlich zur normalen Steuerberechnung wird eine alternative Steuerberechnung erstellt, welche sich an die von unverheirateten Paaren anlehnt. Der tiefere dieser beiden berechneten Steuerbeträge wird dann in Rechnung gestellt.
  • Der Initiativtext schreibt keine bestimmte Methode der Besteuerung vor, schliesst jedoch eine getrennte Besteuerung der Ehepartner (Individualbesteuerung) aus. Das genaue «wie» wäre dann wiederum Gegenstand von Diskussionen im Parlament.

Heiratsstrafe: Befürworter und Gegner

In einer nicht-repräsentativen Umfrage von 20 Minuten haben Anfang Januar 63 Prozent JA und 24 Prozent NEIN gesagt zur Abschaffung der Heiratsstrafe. Obwohl im Prinzip alle Parteien endlich die Ungerechtigkeit der Heiratsstrafe beseitigen möchten, stellen sich alle grossen Parteien ausser CVP und SVP gegen die Initiative. Sowohl SP und Grüne als auch FDP und GLP haben die Nein-Parolen beschlossen. Kritisiert wird insbesondere die enge Ehedefinition und dass ein Wechsel zur Individualbesteuerung ausgeschlossen wird. Wir haben Stimmen von Befürwortern und Gegnern.

PRO - Befürworter der Initiative

Warum soll die Heiratsstrafe abgeschafft werden?

Gerhard Pfister, CVP Nationalrat
Weil das Bundesgericht schon vor mehr als 30 Jahren festgestellt hat, dass die Verheirateten benachteiligt sind und dass man diese Ungerechtigkeit aufheben soll.

Verena Herzog, Nationalrätin SVP
Verheiratete Paare und Leute in eingetragener Partnerschaft sind heute bei den Steuern und der Rente gegenüber Konkubinatspaaren benachteiligt. Aber nicht genug. Auch in der AHV sind Verheiratete finanziell benachteiligt. 86 Prozent der verheirateten und eingetragenen Paare müssen statt mit einer doppelten nur mit einer auf 150 Prozent plafonierten Rente auskommen. - Es kann ja nicht sein, dass sich Ehepaare zuerst scheiden lassen müssen, falls sie auf die doppelte Rente angewiesen sind. 

Marianne Streiff, Nationalrätin und Parteipräsidentin der EVP Schweiz
Die Ehe ist die auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau. Sie bildet in steuerlicher Hinsicht eine Wirtschaftsgemeinschaft. Sie darf gegenüber anderen Lebensformen nicht benachteiligt werden, namentlich nicht bei den Steuern und den Sozialversicherungen.

Der Widerstand ist gross. Wie gehen Sie damit um?

Verena Herzog, Nationalrätin SVP
Widerstand gibt es vor allem von Unverheirateten. Doch da dürfen Familien gewisse Solidarität erwarten. Trotz Bundesgerichtentscheid wurden weiterhin vom Staat während rund 30 Jahren ungerechtfertigte Steuern kassiert. – Zu jedem Thema gibt es unterschiedliche Ansichten. Diese zu diskutieren und abzuwägen bringt gute, demokratische Lösungen. Mit unseren stichhaltigen Argumenten sind wir bestrebt eine Mehrheit des Souveräns zu Gunsten der Familien zu überzeugen.

Für die Gegner ist es ein Trick, um Homosexuellen den Zugang zur Ehe zu verunmöglichen sowie die Individualbesteuerung zu verhindern. Wie sehen Sie das?

Gerhard Pfister, CVP Nationalrat
Das ist falsch. Auch eingetragene Partnerschaften sind jetzt benachteiligt, und bei einem JA zur Initiative wird diese Benachteiligung aufgehoben. Der Zugang zur Ehe ist ein anderes Thema, das in einer andern Abstimmung entschieden werden wird. Die jetzige Initiative übernimmt nur den jetzt gültigen Ehebegriff. Wer daran etwas ändern will, ist gehalten, eine Initiative zu lancieren. Und nur unsere Initiative stellt sicher, dass auch die Ehe für alle nicht diskriminiert wird. Klar ist auch, dass die Initiative die Individualbesteuerung verhindert, weil der administrative Aufwand gemäss Bundesrat bis zu 50% steigen würde.

CONTRA – Gegner der Initiative

Warum legen Sie am 28. Februar eine NEIN-Stimme in die Urne?

Hans-Peter Portmann, Nationalrat FDP
Die vorliegende Initiative ist in ihrer Gesamtheit ein Angriff auf das Individuum. Die Befürworter suggerieren eine Steuerungleichheit beseitigen zu wollen, schaffen aber in Wirklichkeit neue Steuerungerechtigkeiten und greifen gleichzeitig in die gesellschaftsliberale Ordnung ein.

Beat Jans, Vizepräsident der SP Schweiz, Nationalrat BS
Die steuerliche Benachteiligung einiger Ehepaare ist stossend und gehört beseitigt. Nur ist die CVP-Initiative der falsche Weg. Die auf den ersten Blick attraktiv aussehende Initiative hat mehrere gewichtige Mängel:

  1. Sie ist mit über zwei Milliarden Franken extrem teuer und kommt nur wenigen gut verdienenden Ehepaaren zugute. Heute sind noch rund 80‘000 Ehepaare steuerlich benachteiligt – und zwar ausschliesslich gut verdienende Paare. Diese Ehepaare, die es finanziell nicht nötig haben, mit über zwei Milliarden Franken zu beschenken, ist angesichts der leeren Kassen bei Bund und Kantonen ein Luxus, den wir uns nicht leisten können.
     
  2. Die Initiative definiert die Ehe ausschliesslich als Gemeinschaft von Mann und Frau. Das wird der heutigen Realität nicht gerecht. Damit diskriminiert die CVP hunderttausende von gleichgeschlechtlichen Paaren und blockiert die Einführung einer «Ehe für alle».
     
  3. Die Initiative schliesst den Übergang zur Individualbesteuerung aus. Dabei wäre die getrennte Veranlagung der Ehepartner der einfachste und gerechteste Weg zur Beseitigung der Heiratsstrafe.

Einig sind sich alle Parteien, die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren abschaffen zu wollen – aber nicht mit den Rezepten der CVP. Was wäre das richtige Rezept?

Hans-Peter Portmann, Nationalrat FDP
Die FDP spricht sich im Allgemeinen für eine Vereinfachung des Steuersystems für natürliche Personen aus. Wir haben daher auch eine entsprechende Fraktions-Motion eingereicht.

Weitere Informationen sowie Fragen und Antworten zur Volksinitiative vom Eidgenössischen Finanzdepartement finden Sie hier.  

Am 28. Februar stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Initiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» ab. Was ist Ihre Meinung? Schreiben Sie einen Kommentar.

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