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Kinder willkommen?

Kommentar - Was als Brandschutzmassnahme gedacht war, entpuppte sich schnell als Zündstoff für eine heisse Debatte um Kinderfreundlichkeit: Ein Berliner Café stellte einen Poller auf, um Kinderwagen fern zu halten. Bei der aufgeheizten Diskussion im Netz stellt sich die Frage: Warum sind Kinder nicht willkommen?

Sind Kinder in der Schweiz willkommen?
In vielen Restaurants und Cafés sind Kinder willkommen. Es gibt aber auch Orte, wo Kinder nicht gern gesehen werden. © iStockphoto, Thinkstock

Er sieht ein bisschen aus wie eine Spielfigur aus «Mensch ärgere dich nicht», der Poller im Berliner Café «The Barn Roastery». Geärgert haben sich trotzdem viele über dieses Verbotssymbol. Eigentlich sollte der grosse graue Betonpoller, den das Café im September aufstellte und zugleich als neues Teammitglied «Pollino» auf Twitter vorstellte, nur eine Sicherheitsmassnahme sein. In dem Laden stehe eine Röstmaschine, die bis zu 220 Grad heiss werde, erklärte der Chef Ralf Rüller dem Magazin Spiegel-Online. «Wenn es brennen sollte, bekommen wir die Kinderwagen nicht schnell genug hinaus», sagte er. «Ich liebe Kinder, ich bin selber in einer grossen Familie aufgewachsen. Aber wir mussten uns damals benehmen, wenn wir ausgegangen sind», erklärte er Welt-Online. Kinder dürfe man zwar mitbringen, aber herumrennen sollten sie besser nicht.

Aber viele User im Internet empfanden das Kinderwagenverbot, über das Onlinemagazine und Blogs berichteten, gleich als ein generelles Kinderverbot. «Kinderfeindlich» twitterten und posteten einige, «Es gehört verboten, denn niemand – keine Kinder, keine Männer, keine Frauen, keine Behinderten, keine Politiker – niemand darf an öffentlichen oder halböffentlichen Orten ausgeschlossen werden!» oder «Wie erbärmlich und perfide zugleich ist es, mit solch einem künstlichen Hindernis die Gäste eines Cafés auszufiltern», schrieben manche als Antwort auf einen Blogbeitrag.

«Kleine Kinder haben in Cafés nichts zu suchen»

Dagegen feuerten die anderen: «Ich muss gestehen, dass für mich auch kleine Kinder in Cafés und Kneipen nichts zu suchen haben...die Eltern sollten mit denen lieber spazieren gehen» oder «Na endlich mal ein Café, das auch Erwachsene besuchen dürfen, bis jetzt hatte ich das Gefühl, dass Spielplätze nach innen verlegt wurden, Mütter, die dachten, dass Kellner eine Kindergärtnerausbildung besitzen müssen und bei ihren Plauderstunden vergessen hatten, dass die Kinder die gerade Tische umkippen, ihre eigenen sind, ich hatte eher das Gefühl, dass ich nichts mehr in einem Café zu suchen hatte,weil ich über dem Krabbelalter bin und das fand ich als Diskriminierung».

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Warum sind Kinder nicht willkommen?

Warum sind Kinder eigentlich nicht willkommen? Weil sie urplötzlich Wutanfälle haben? Weil sie alles anfassen und austesten müssen? Weil sie nerven? Das mag sein. Aber es gibt noch andere, viel entscheidendere Gründe.

Kinder sind heute nicht selbstverständlich.  Die meisten Kinder sind geplant. Jedes Paar kann entscheiden, ob es Kinder haben möchte oder nicht. Kinder kommen nicht einfach so in das Leben hinein. Viele junge Erwachsene setzen sich hohe Hürden, um Kinder zu haben. Die Soziologin  Karin Schwiter hat in ihren Befragungen herausgefunden, dass zukünftige Eltern erst «eine abgeschlossene Ausbildung, eine geeignete Position im Beruf, genügend Geld und eine stabile Partnerschaft» brauchen, bevor sie Kinder bekommen. Wären Kinder eine Selbstverständlichkeit, würde sich die Frage «sind Kinder willkommen?» gar nicht stellen.

Familienfreundlichkeit wird nicht gross geschrieben. Das lässt sich beispielsweise anhand der Familienpolitik erkennen. Für Väter gibt es keinen gesetzlich geregelten Vaterschaftsurlaub. Subventionierte Krippenplätze für Familien mit finanziellen Schwierigkeiten sind rar. In der Schweiz gibt es nicht mal ein Familienministerium. Würde Kinderfreundlichkeit gross geschrieben, müssten sich Familien mit Kindern vielleicht nicht mehr rechtfertigen.

Kinder sind ein Teil unserer Gesellschaft. Wir sollten sie am öffentlichen Leben teilhaben und Orte schaffen, an denen sie herzlich willkommen sind. Ein Tipp für den Berliner Café-Chef: Vielleicht probiert er es das nächste Mal besser mit einer Kinderecke statt mit einem Poller!

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