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Die richtige Erziehung für Teenager

Warum verhalten sich Jugendliche heute auffälliger als früher? Welche Schuld tragen Eltern und wie können sie Erziehungsfehler vermeiden? Antworten von der Erziehungsberaterin Sarah Renold.

Die richtige Erziehung für Teenager
Alles über die richtige Erziehung von Jugendlichen verrät die Pädagogin Sarah Renold im Interview. Foto: iStock, Catherine Yeulet, Thinkstock

Sarah Renold, Sie sind Pädagogin und arbeiten als Erziehungs- und Jugendcoach. Jüngst ist Ihr Buch «Achtung Teenager – Jugendliche verstehen, fördern und fordern» erschienen. Sind Teenager heute eine grössere Herausforderung für Eltern als früher?

Jede Generation ist mit der Erziehung von Kindern und Teenagern immer aufs Neue herausgefordert. Heute sind wir allerdings mit Veränderungen konfrontiert, die für Eltern bisher unbekannte Herausforderungen schaffen. Beispielsweise sind uns die Kinder und Jugendlichen im Umgang mit dem Computer oft meilenweit voraus. Hinzu kommen gesellschaftliche Veränderungen, die einen grossen Einfluss auf die Jugend haben. So etwa nimmt das Freizeitverhalten für jung und alt einen immer höheren Stellenwert ein.

Brauchen Eltern mehr Hilfe im Umgang mit Jugendlichen?

Familien, die einen guten Alltag leben möchten und ihre Ziele in der Erziehung umsetzen wollen, sind in der Pubertätsphase ihrer Kinder speziell gefordert. An sie, aber auch alle anderen, die mit Teenagern zu tun haben, richten sich meine Tipps. Eltern können nämlich erstaunlich viel verändern, wenn sie selber bereit sind sich zu reflektieren und an sich selbst zu arbeiten. Wichtig ist wahrzunehmen, was für Signale man gegenüber seinen jugendlichen Kindern aussendet.

Sie werfen die Frage auf, welcher Erziehungsstil der richtige ist. Ist diese Frage bei Teenagern nicht zu spät gestellt?

Es ist wichtig, sich diese Frage immer wieder zu stellen. Häufig kommt die Familie mit ihren Kindern gut klar, aber mit der Pubertät fängt ein neues Kapitel an. Eltern werden plötzlich mit Dingen konfrontiert, bei denen sie ihr Kind kaum wieder erkennen. Das kann innerhalb eines halbes Jahres passieren. Normen und Regeln gelten nicht mehr, der Teenager geht anders auf seine Eltern zu. Und er geht auch anders mit allen anderen Dingen in seinem Leben um. An dieser Stelle ist das Hinterfragen des Erziehungsstils und die Frage, wie weiter als Familie? zentral.

Besteht nicht die Gefahr, dass Jugendliche genau dann Erziehungsversuche ihrer Eltern ablehnen?

Sarah Renold ist Erziehungs- und Jugendcoach, Familienberaterin und Autorin und Mutter von zwei Kindern.

Sarah Renold ist Erziehungs- und Jugendcoach, Familienberaterin und Autorin und Mutter von zwei Kindern.

Rebellierendes und ablehnendes Verhalten ist häufig bei Teenagern – was auch völlig normal ist, denn sie machen einen Ablösungsprozess durch. Für Eltern heisst das, dass man sich nicht alles bieten lassen muss. Trotzdem: ein allzu strenger Erziehungsstil mit sehr vielen Regeln, wenig Flexibilität und wenig Mitspracherecht ist problematisch. Ebenso der Stil des Laisser-Faire. Beide Extreme haben einen erwiesenermassen schlechten Einfluss auf die Entwicklung der Teenager und auch auf die Eltern-Teenager-Beziehung.

Es geht darum, einen Weg zu finden, um gezielt mit den veränderten Ansprüchen und Verhaltensweisen der Jugendlichen umzugehen. Einen gesunden Mittelweg, bei dem der Teenager ernst genommen wird in seinem reifer werdenden Denken und Handeln. Zugleich darf und soll man den wachsenden Freiheitsforderungen der Teenanger auch mehr konkrete Anforderungen und zu erfüllende Aufgaben gegenüberstellen.

Müssen Eltern mit Teenagern anders kommunizieren, damit sie verstanden werden?

Ja, die Kommunikation geht mehr in die Richtung einer Erwachsenenkommunikation. Von grösster Wichtigkeit ist das echte Interesse am Jugendlichen und an seiner Welt; dazu gehört, mit ihm zu reden und ihm zuzuhören. Das klingt banal, aber die Erfahrung zeigt, dass dies im Alltag immer weniger gelebt wird. Zum Teil liegt es an Berührungsängsten, weil die Kinder auch sehr ruppig tun können und die Eltern abweisen. Ich empfehle dringend, dass man dann dran bleibt, den Kontakt aufrechterhält. Das bedingt von den Eltern, dass sie ihr eigenes Verhalten hinterfragen: Wie oft, worüber und wie rede ich eigentlich mit meinem Partner? Wie gehe ich mit meinen Kindern um? Wann habe ich mein Kind zum letzten Mal gelobt?

Haben Teenager heute zu viele Freiheiten, die sie überfordern?

Teenanger wollen grundsätzlich gefordert werden. Zentral dabei sind richtige Aufgaben, die im realen Leben einen Effekt haben – also wirklich Babysitten, wirklich die Verantwortung für ein Haustier tragen, wirklich ein Velo reparieren. Unsere Teenager sind heute mit sehr vielen Denkaufgaben konfrontiert, gestellten Aufgaben aus der Schule, die zu wenig Praxisbezug zum realen Leben aufweisen. Teenager möchten zeigen was in ihnen steckt,. Das Problem liegt darin, das sie genau dazu nur wenig Möglichkeiten haben. Viele wären motivierter zu lernen und sich zu engagieren, wenn sie in echt gefordert würden. Dann würden sie auch in der Freizeit ihre Kräfte weniger aggressiv messen müssen.

Um auf Ihre Frage zurück zu kommen: Teenager sind heute nicht überfordert sondern das Gegenteil ist der Fall. Sie sind unterfordert.

Reden wir noch über Jugendgewalt. Wie verantwortlich ist das elterliche Verhalten daran und was können Eltern dagegen tun?

Aggressives Verhalten ist ein Problemverhalten. Für Problemverhalten sind immer verschiedene Ursachen verantwortlich. Zum Beispiel das vererbte Temperament, das schon bei Kleinkindern sichtbar ist. Ein temperamentvolles Kind geht mit seinen Sandkastengspänli anders um, als ein ruhiges, zurückhaltendes Kind. Dann kommt der Einfluss der Gesellschaft dazu. Der dritte Punkt sind die Signale aus dem familiären Umfeld. Gilt aggressives Verhalten in dieser Familie als normal? Wurde das Kind geschlagen? Wurde es vernachlässigt? Oder wurde es überbehütet oder unter Druck gesetzt, den elterlichen Erwartungen zu genügen? Konkreter nachgefragt: Gibt es in dieser Familie klare Regeln? Werden sie eingehalten? Hat das Nichtbefolgen Konsequenzen? Sind diese angebracht oder übertrieben? Gibt es Rituale? All dies ist prägend. Im Jugendalter sieht man dann das Resultat einer langjährigen Entwicklung. Jetzt zeigt sich, ob sich der Teenager normal verhalten kann, Sozialkompetenz erlernt hat: Kann er zum Beispiel seine Bedürfnisse wahrnehmen und adäquat äussern, kann er auf andere Rücksicht nehmen, sich für eine Sache engagieren?

Die Eltern haben also wirklich einen grossen Einfluss darauf, wie ein Kind sich entwickelt, Aber das ist auch die Chance. Ebenso wie sie etwas verkorksen können, können sie es auch verbessern. Dabei gilt die Regel: Je länger etwas andauert, desto länger dauert es und desto schwerer ist es, aus dem Muster wieder herauszufinden. Auch wenn nichts sofort den hundertprozentigen Erfolg garantiert: Es bieten sich in der Erziehung und im Umgang mit Kindern und Teenagern immer wieder Möglichkeiten, einen glücklicheren Weg einzuschlagen und es gibt immer die Chance, dass sich der Familienalltag zum Guten hin verändern lässt.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Interview: Kathrin Fischer

 

Achtung Teenager

«Achtung, Teenager! Jugendliche verstehen, fördern und fordern»

Eltern-Ratgeber zur Lösung typischer Teenager-Probleme.
124 Seiten, broschiert
1. Auflage, August 2009
Beobachter-Verlag ISBN: 978-3-85569-418-1
24.00 CHF

Homepage von Sarah Renold: www.jugendcoaching.ch

 

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