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Kinder leiden, wenn Eltern streiten

Wenn Paare Nachwuchs bekommen, streiten sie sich mehr als vorher. Das ergab eine aktuelle Studie der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg. Eine schwierige Situation, denn: Wenn Eltern streiten, leiden Kinder. Ein Psychologe erklärt, warum das so ist und was Eltern dagegen tun können.

Streit zwischen Eltern belastet Kinder.
Wenn Eltern sich streiten, fühlen sich Kinder häufig schuldig und leiden. Foto: iStock, fasphotographic, Thinkstock

Herr Dr. Schmid, als Abteilungsleiter der Erziehungsberatung bei der Erziehungsdirektion des Kantons Bern und als Fachpsychologe für Kinder- und Jugendpsychologie FSP beschäftigen Sie sich oft mit Streit in Familien. Wie fühlen sich Kinder, wenn Eltern streiten?

Dr. David Schmid: Wenn der elterliche Streit durch Aggressionen oder gar Gewalt gekennzeichnet ist, dann gefährdet er die emotionale Sicherheit der Kinder. Kinder versuchen in diesem Fall oft, den Streit zwischen den Eltern zu beenden, um ihr inneres Gleichgewicht wieder herzustellen.

Oft endet Streit ohne Einigung, ohne Versöhnung. Wie wirkt das auf Kinder?

Was bleibt, ist Angst. Deshalb sollten Eltern mit ihren Kindern über den Streit sprechen.

Viele Eltern tun sich schwer im Gespräch. Was raten Sie: Was können Eltern sagen?

Gut ist, wenn Eltern die Zuversicht äussern können, dass sie sich wegen des Streits nicht gleich trennen werden und sich eine Lösung finden wird – vorausgesetzt, diese Zuversicht ist ehrlich. Kinder beziehen den Streit oft auf sich und fühlen sich verantwortlich. Es ist wichtig für sie zu wissen, dass sie nicht am Streit Schuld haben.

Leider ist in manchen Familien Streit an der Tagesordnung.

Ja, das ist dann eine grosse Belastung. In diesem Fall fürchten Kinder ständig, dass der Streit wieder ausbricht. Ständig beobachten sie ihre Eltern und überprüfen, ob es neue Anzeichen für weitere Auseinandersetzungen gibt. Das löst bei den Kindern Stress aus und kann zu Problemverhalten führen.

Sicher möchten Eltern ihren Kindern solchen Stress ersparen. Doch die Streitpunkte, die Wut erzeugen, sind da und lassen sich nicht unter den Teppich kehren. Was können sie also tun?

Vor allem dann, wenn der Streit die Kinder betrifft, sollten Eltern nicht vor den Kindern streiten. Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich um positive Konfliktlösung zu bemühen.

Positive Konfliktlösung – wie kann sie aussehen?

Eine gute Streitkultur liegt dann vor, wenn man einander offen und fair die Meinung sagen kann, ohne zu verletzen. Ein guter Streit endet mit einer Einigung und nicht mit einem Sieg des einen über den anderen. Dann ist nach dem Streit die Beziehung zwischen den Beteiligten nicht nachhaltig gestört.

Fair streiten – so geht es:

  • Verkneifen Sie sich Verallgemeinerungen. Sagen Sie also nicht: «Immer kommst du zu spät, du bist total unzuverlässig.» Schliesslich geht es nicht darum, die ganze Person schlecht zu machen, sondern darauf hinzuweisen, dass Ihnen eine einzelne Verhaltensweise nicht gefällt. Besser ist es, die Kritik zu spezifizieren wie: «Gestern abend bist Du eine halbe Stunde zu spät gekommen».
  • Ersetzen Sie «Du-Botschaften» durch «Ich-Botschaften». Statt «Du bist total unordentlich», sagen Sie: «Mich stört, dass Deine Klamotten im Wohnzimmer und in der Küche herumliegen.» So berichten Sie über eigene Gedanken und Empfindungen und stellen es dem anderen frei, sich anzuschliessen oder eine andere Meinung zu haben.
  • Seien Sie bereit, Kompromisse einzugehen und sich zu entschuldigen.

 

Manchmal bemüht sich einer der Partner, fair zu streiten, aber der andere zieht nicht mit.

Konstruktive Konfliktlösungen gelingen nur, wenn beide Partner grundsätzlich zur Kooperation bereit sind. Wenn einer der Partner sich bemüht, fair zu bleiben, zieht der andere aber oft nach.

Manchmal sind die Gräben zwischen Partnern so tief, dass nur noch die Trennung bleibt. Davor scheuen sich Paare, weil sie fürchten, nun leiden die Kinder erst recht. Stimmt das?

Nein. Wenn die elterlichen Konflikte häufig und destruktiv sind, kann die Trennung auch eine Erleichterung für das Kind sein, sofern sie dazu führt, dass der Streit aufhört.

Zur Person

Dr. David Schmid erklärt, warum Kinder leiden, wenn Eltern sich streiten.

Dr. David Schmid ist Abteilungsleiter der Erziehungsberatung bei der Erziehungsdirektion des Kantons Bern und Fachpsychologe für Kinder- und Jugendpsychologie FSP.

Foto: Erziehungsdirektion des Kantons Bern

 

Link-Tipps zum Thema Streit zwischen Eltern

  • «Wenn sich Eltern streiten: Partnerschaftskonflikte und das Wohlergehen der Kinder» - Informationen der Universität Zürich: www.psychologie.uzh.ch
  • «Trennung: Kinder wollen wissen, wie es weitergeht», so heisst der Artikel von Professor Dr. Sabine Walper, die an der Ludwig- Maximilians-Universität München forscht und lehrt: www.familienhandbuch.de

 

 

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