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Oft die letzte Hoffnung: das Mutter-Kind-Haus

Sie werden von ihrem Partner bedroht, sind obdachlos, haben finanzielle Schwierigkeiten oder leiden unter einer psychischen Krankheit. In einem Haus für Mutter und Kind  können Mütter mit ihren Kindern auftanken und ihr Leben neu ordnen. Familienleben sprach mit Yvonne Stadler, Leiterin des KiEL Bethanien in Zürich.

Das Mutter Kind Haus ist oft die letzte Hoffnung für Mütter.
Das Birke-Huus soll dem Alltag von Müttern und Kindern in ausweglosen Situationen wieder Struktur verleihen. Foto: iStock, Thinkstock

Gibt es etwas, was alle Mütter, die bei Ihnen im Birke-Huus Bethanien in Zürich leben, gemeinsam haben?

Yvonne Stadler: Alle kommen in einer schwierigen Lebenssituation zu uns, in der sie nicht mehr weiter wissen. Einige haben psychische Probleme, andere sind bereits als Teenager Mutter geworden und mit ihrer Mutter-Rolle überfordert, manche leiden unter Gewalt in der Beziehung. Ein Platz ist bei uns immer für eine Mutter mit Suchtvergangenheit reserviert.

Wie kann der Aufenthalt im Mutter Kind Haus diesen Frauen helfen?

Für die Mütter, die neu eintreffen, geht es beim Aufwachen zunächst nur um die Frage: «Wie kann ich diesen Tag überstehen?» Wir helfen ihnen dabei, dem Tag Struktur zu geben: Aufstehen, einkaufen, die Kinder durch den Tag begleiten, kochen, putzen. Mit den Müttern wird nach und nach ihre Lebenssituationen besprochen. Eine Psychotherapie ist bei uns obligatorisch. Sie unterstützt die Mütter, sich zu stabilisieren und ihre Geschichte aufzuarbeiten. Das Ziel unserer Arbeit besteht darin, dass Mutter und Kinder möglichst zusammenleben können, damit Kinder nicht fremdplatziert werden müssen.

Wie können Sie die Erziehungskompetenzen der Mütter stärken?

Die Mütter lernen in der Elternbildung viel über Ernährung, Gesundheit und die Entwicklung ihrer Kinder. Sie werden durch Erziehungsberatung unterstützt und bei Überforderung durch das Team entlastet. Darüber hinaus beobachten wir das Zusammenleben von Mutter und Kindern. Schaffen es die Mütter, ausreichend Verantwortung zu übernehmen? Mit den Müttern zusammen klären wir, wie viel Unterstützung nötig ist, damit es den Kindern gut geht. In Geborgenheit und Ruhe finden die Mütter zu ihren Kindern und die Kinder können neues Vertrauen zu ihren Müttern fassen und die Bindung verstärken. «Gemeinsam stark werden» - das ist das Motto im Birke-Huus.

Welche Angebote gibt es für die Kinder?

Wir legen grossen Wert auf einen kindgerechten Alltag. Durch den Besuch der Kita Bethanien werden einerseits die Mütter entlastet, andererseits erhalten die Kinder die Möglichkeit, Beziehungen zu Spielkameraden aufzubauen und «Normalität» des Kind-Seins zu leben.

Die Trennung von anderen Familienmitgliedern kann für die Kinder schmerzlich sein.

Wenn keine starke Bedrohung von den Vätern ausgeht wie häusliche Gewalt und Entführungsdrohungen, versuchen wir, sie einzubeziehen. Väter können zu Besuch kommen und während des stationären Aufenthaltes der Mutter mit ihren Kindern ein Mal pro Woche bei ihnen übernachten. Wir haben auch eine Familienwohnung, in der alle Familienmitglieder zusammen wohnen können. Deshalb sprechen wir nicht mehr von Mutter-Kind-Heimen, sondern von Eltern-Kind-Institutionen. Im neuen Umfeld können wir viele schöne Begegnungen in den Familien miterleben. Erziehungsgespräche finden wenn möglich mit Müttern und Vätern statt. Auch gemeinsame Gespräche mit Grosseltern gibt es, in denen Ereignisse aus der Vergangenheit aufgearbeitet werden.

Wie lange bleiben Mütter und Kinder bei Ihnen?

Teilweise bis zu drei Jahre. Erst werden sie im stationären Bereich bis zu einem Jahr eng von Sozialpädagoginnen und Sozialarbeiterinnen betreut. Danach ziehen sie in eine unserer Aussen-Wohnung in der Nähe, wo wir sie weiter begleiten. Die Mütter ziehen erst dann aus, wenn sie psychisch stabil sind, ihre Bindung zum Kind gestärkt ist und sie eine eigene Wohnung gefunden haben.

Welche Chancen haben die Frauen, wieder selbstständig in der Gesellschaft klar zu kommen?

Unser Ziel ist, die Frauen ins Arbeitsleben zu integrieren, aber die meisten bringen dafür nur wenig Ressourcen mit. Die Schulabschlüsse sind ungenügend. Schulabschlüsse können während des Aufenthaltes bei uns nachgeholt werden. Wir bieten im Diakoniewerk Bethanien Praktika in Kindertagesstätten, Pflege und der Hotellerie an. Wünschenswert wären Lehrstellen, die Teilzeitarbeit ermöglichen. Leider verlangt die Arbeitswelt von Lehrlingen immer 100 Prozent – ein Anspruch, den unsere Frauen meist nicht erfüllen können.

Was passiert mit den Frauen, die keine Arbeit und keine Lehrstelle finden können?

Es ist ein Anliegen, aber nicht das Hauptziel des Aufenthaltes im Birke-Huus, die Frauen in eine Arbeit zu integrieren. Für uns und unsere Zuweiser ist das Hauptziel erreicht, wenn die Frauen in der Lage sind, einen kindgerechten Alltag zu meistern. Häufig schaffen die Frauen den Anschluss an die Arbeitswelt erst einige Jahre nach dem Austritt aus dem Birke-Huus, oder dann wenn ihre Kinder schulpflichtig sind.

Findet jede Mutter in einer verzweifelten Notsituation einen Platz in einem Mutter Kind Haus?

In der Schweiz gibt es etwa 25 Eltern-Kind-Institutionen, alle in privater Trägerschaft. Das sind zu wenig. In vielen Gebieten der Schweiz, zum Beispiel der französisch- und italienisch-sprachigen Schweiz, gibt es gar keine Mütter-Kind-Institutionen. Dann werden Familien ambulant sozialpädagogisch begleitet. Oft kommen die betroffenen Kinder ins Heim. Eine Trennung zwischen Mutter und Kind hinterlässt immer Spuren. Das müsste nicht immer sein.

Birke-Huus Bethanien

Birke-HuusDas Birke-Huus Bethanien ist ein stationäres Angebot für Mütter mit ihren Kindern in schwierigen psychosozialen Situationen. Das gemeinsame Ziel ist die Stabilisierung der Lebensumstände und das Wiedererlangen oder der Aufbau einer möglichst selbstständigen und kindgerechten Lebensgestaltung.
Foto: Birke-Huus Bethanien

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