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«Die Liebe kann unter Alltagsmüll verschüttet werden»

Für eine glückliche Partnerschaft muss man sich ganz schön anstrengen. Denn nur, wer in die Beziehung investiert, wird die Liebe zueinander erhalten können. Die Psychologin Birgit Kollmeyer erklärt, wie diese Anstrengung im Alltag einfach gemeistert werden kann und warum ein Stressbewältigungstraining dabei helfen kann.

Damit die Liebe nicht einrostet: Stressbewältigung kann helfen.
Der Alltagsstress kann eine Liebe zerstören. Deshalb ist Stressbewältigung für Paare so wichtig. Foto: Wavebreak Media, Thinkstock

Ihr Kollege, Professor Bodenmann vergleicht die Partnerschaft mit einer Bergwanderung. Muss ich mich in einer Partnerschaft wirklich so anstrengen wie bei der Gipfelbesteigung?

Birgit Kollmeyer: Ich finde den Vergleich sehr passend: Es gibt ein Auf und Ab. Die meisten Paare machen die Erfahrung, dass sie nicht immer gleichmässig glücklich sind. Wie bei einer Bergwanderung müssen sich Paare immer wieder anstrengen, um etwas für die Partnerschaft zu tun. Manchmal ist eine Gipfelbesteigung dabei, wenn Paare in einer schweren Krise sind.

Wo bleibt da die Liebe?

Paare investieren in ihre Partnerschaft, damit die Liebe bleibt. Die Paarforschung zeigt, dass sich Belastungen im Alltag negativ auf die Liebe auswirken. Die Liebe kann unter Alltagsmüll verschüttet werden, wenn Paare nicht gegensteuern.

Wie können sie gegensteuern?

Sie sollten miteinander reden und sich emotional öffnen. Ich sollte nicht nur erzählen, was am Tag passiert ist, sondern auch wie es mir dabei ging. Welche Gedanken, Gefühle, Sorgen und Wünsche habe ich? Die emotionale Selbstöffnung bewirkt, dass ein Wir-Gefühl entsteht. Das macht eine persönliche Beziehung aus.

Viele Paare wissen, dass sie so offen über Probleme reden sollten, machen es aber trotzdem nicht.

Das liegt daran, dass es viele nicht in ihrer Ursprungsfamilie gelernt haben. Emotionaler Austausch ist aber wichtig. Deshalb sollte jeder überlegen, ob er Nachholbedarf hat. Viele Paare entwickeln sich durch verschiedene Lebenswelten unterschiedlich. Dann ist es wichtig, vom anderen zu erfahren, was er denkt und fühlt, wo er steht, um ihm nahe zu bleiben. Man nennt das emotionales Updating.

Das hört sich schon wieder sehr anstrengend an. Ist das emotionale Updating jeden Tag nötig?

Wenn es zur Gewohnheit wird, über seine Gefühle zu reden, kann die Entlastung überwiegen. Viele fühlen sich besser, wenn sie etwas loswerden können. Täglich ist das aber nicht nötig. Paare dürfen sich auch oberflächlicher unterhalten. Emotional tiefergehende Gespräche sind immer dann wichtig, wenn einen etwas berührt und belastet. Es ist wichtig, dass der Partner versteht, worum es geht. Nur dann kann er passend unterstützen.

Wenn Probleme angesprochen werden, endet das aber häufig in gegenseitigen Vorwürfen.

Vorwürfe lassen sich vermeiden, indem man das Problem sachlich beschreibt, zum Beispiel sagt, welches Verhalten einen stört. Und dann sagt, was das bei einem auslöst. Es ist auch hilfreich, sich das eigene Gesprächsverhalten bewusst zu machen und sich vorzunehmen, dem anderen zuzuhören. Gut zuhören bedeutet, sich auf den anderen zu konzentrieren, die Zeitung wegzulegen, und durch Mimik und Gestik zu zeigen, dass man zuhört. Oftmals geht es nicht darum, eine Lösung zu finden, sondern den anderen zu verstehen.

Wer Stressbewältigung lernt, kann auch die Partnerschaft mehr geniessen.
Paare, die gelernt haben, mit Stress umzugehen, können ihre Partnerschaft viel besser geniessen. Foto: Ingram Publishing, Thinkstock

Sie haben Stress als einen der bedeutendsten Beziehungskiller enttarnt. Warum ist er so schlecht für uns?

Unter Stress brechen unsere Kommunikationsfähigkeiten zusammen. Sie sind um 40 Prozent reduziert. Ausserdem kommen unter Stress Persönlichkeitsmerkmale stärker hervor. Wer von Natur aus ein ungeduldiger Mensch ist, kann unter Stress noch ungeduldiger sein, was aggressiv wirken kann.

Woher kommt der Stress?

Der kommt oftmals nicht aus der Partnerschaft, sondern aus dem Beruf, aus der Erziehung der Kinder oder aus der Nachbarschaft. Erkennen Paare diesen Stress nicht, kann er auf die Beziehung überschwappen. Wenn beispielsweise ein Partner einen stressigen Tag hatte und es aber nicht sagt, könnte der andere Partner die schlechte Stimmung auf sich selbst beziehen. Es entstehen Missverständnisse.

Wie kann ein Stressbewältigungstraining wie paarlife, das die Universität Zürich schweizweit anbietet und das sie seit 2010 leiten, dabei helfen?

Bei paarlife werden Kompetenzen trainiert: Es geht um Stressbewältigung, um Kommunikation und um Lösungsfindung. Allen Paaren wird Handwerkszeug vermittelt. Die Probleme der Paare werden aber nicht in der Gruppe diskutiert, sondern zu zweit in Begleitung eines Trainers.

Sollten alle Paare dieses Training machen, um einer Trennung vorzubeugen?

Viele Paare könnten das gebrauchen. Aber ich will nicht sagen, dass alle ein Training machen müssen. Jeder muss sich selbst fragen: Klappt die Kommunikation bei uns? Kann ich, was mich bedrückt, loswerden? Werde ich verstanden?

Warum kann der Hälfte der Paare, die sich zur Paartherapie entscheiden nicht geholfen werden?

Leider entscheiden sich viele Paare erst sehr spät zu einer Therapie. Aus diesem Grund ist es wichtig, vorher anzusetzen. Unser Stressbewältigungstraining ist aber nicht nur für Paare, die glücklich sind. Es ist auch für Paare, die Krisen erlebt haben. Wer aber in einer heftigen Krise ist, sollte in eine Paartherapie gehen, weil hier individueller auf die Probleme eingegangen werden kann.

Was sind Warnsignale, um sich professionelle Hilfe zu holen?

Wenn man sich vom Partner nicht verstanden und unterstützt fühlt und sich häufig streitet, ist ein Präventionstraining ratsam. Wenn Paare merken, dass die Krisen immer häufiger und schmerzhafter werden, sie sich hilflos fühlen und nicht mehr wissen, wie sie aus der Krise herauskommen, sind die Chancen in einer Paarberatung oder -therapie grösser, die Krise zu überwinden.

Was mache ich, wenn mein Partner sagt, wir bräuchten keine Hilfe von aussen?

Das ist schwierig. Es müssen beide wollen, sonst funktioniert es nicht. Sie können nur versuchen, den Partner zu überzeugen. Bei paarlife ist die Schwelle niedriger, weil es um Stressbewältigung geht. Denn gegen Stress etwas zu tun, ist allgemein anerkannt.

Stressbewältigung ist eine Möglichkeit, eine glückliche Beziehung zu fördern. Was sind weitere Garanten für eine glückliche Partnerschaft?

Es braucht Engagement und Verbindlichkeit. Es ist wichtig, sich für die Beziehung zu entscheiden und sie zu pflegen. Sich bewusst machen, dass es wichtig ist, schöne Momente miteinander zu verbringen, Paarinseln einzurichten.

Wie kann ich denn für meinen Partner spannend bleiben?

Spannend ist jemand, von dem ich mitbekomme, was in ihm vorgeht, was er denkt und fühlt. Da sind wir wieder beim emotionalen Updating. Paare sollten zudem Abwechslung in ihr Paar- und auch Sexualleben bringen. Wichtig ist etwas zu unternehmen, Anregungen von aussen zu bekommen und etwas für den Erhalt der Leidenschaft zu tun. Paare sollten versuchen, das Leben zu zweit interessant zu gestalten.

Paarlife – Präventionstraining für Paare

Paarlife bietet Informationsmaterial, Stressbewältigungstrainings für Paare sowie Paartherapie in der Schweiz und in Deutschland an. Das Angebot der Universität Zürich wurde 1994 vom Paarforscher Professor Guy Bodenmann entwickelt. Paare können beispielsweise zwischen Abendkursen, in denen es um Liebe, Nähe und Leidenschaft geht und Wochenendkursen zur Stressbewältigung wählen. Wer möchte, kann sich Paarbriefe mit Tipps zur Pflege der Partnerschaft zuschicken lassen. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.paarlife.ch

Birgit Kollmeyer bietet Stressbewältigung für Paare an.Birgit Kollmeyer

Birgit Kollmeyer ist Psychologin und Paarberaterin. Seit 2010 ist sie Leiterin von paarlife. Sie bildet paarlife-Trainer aus und führt Weiterbildungen und Seminare an verschiedenen Universitäten und Hochschulen durch.
Ausserdem ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Familienforschung und -beratung (IFF) der Universität Fribourg.
Foto: privat

 

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