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Übergewicht bei Kindern: «Eine Diät ist keine Option»

17 Prozent aller Schweizer Kinder sind zu dick. Viele Eltern fragen sich, was sie gegen das Übergewicht tun können. «Eine Diät ist kein geeignetes Mittel», warnt Beatrice Conrad Frey. Was stattdessen hilft, verrät die diplomierte Ernährungsberaterin im Interview.

Übergewicht bei Kinder: «Eine Diät ist keine Option»
Es scheint, als hätten Kinder beim Gemüse Tomaten auf den Augen. Foto: iStock, Thinkstock

Wie viele Schweizer Kinder sind zu dick?

Beatrice Conrad Frey: Rund 17 Prozent der Schweizer Schulkinder gelten als übergewichtig, vier Prozent davon sind stark adipös, also krankhaft übergewichtig. Diese Zahlen, die sich auf die Jahre 2011 bis 2013 beziehen, hat die Gesundheitsförderung Schweiz im Rahmen ihres letzten BMI-Monitorings ermittelt. Im Vergleich zur vorhergehenden Studie zeigen sie eine Stagnation auf hohem Niveau.

Welchen Gefahren sind dicke Kinder ausgesetzt?

Schon bei vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen treten chronische Krankheiten wie Diabetes Typ II auf. Auch Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck können Folgen von Übergewicht sein. Darüber hinaus begünstigt Übergewicht einige Krebsarten. Die meisten dicken Kinder leiden ausserdem psychisch stark unter ihrem Aussehen.

Eltern fragen sich, was sie tun können, wenn ihr Kind zu dick ist. Hilft eine Diät?

Nein, eine Diät ist keine Option. Es kann nicht sein, dass von einem Kind verlangt wird, auf etwas zu verzichten, was andere haben dürfen. Diäten wirken sich auf Kinder grundsätzlich nicht günstig aus. Stellen Sie sich vor, jemand verbietet Ihnen, Schokolade zu essen…

Ich würde ständig an Schokolade denken.

Genau! Darüber hinaus macht die Zurückhaltung, die eine Diät fordert, einfach nicht satt. Heisshungerattacken sind die Folge. Eine Diät kann sogar die Gesundheit des Kindes beeinträchtigen: Es besteht die Gefahr, dass sie das Wachstum behindert und die Muskelmasse schwinden lässt.

Was können Eltern ihrem Kind anstelle einer Diät raten?

Nicht nur das Kind, sondern alle Familienmitglieder sind gefordert! Die Essgewohnheiten der Familie gehören auf den Prüfstand. Was das Kind braucht, sind Verhaltensregeln, die für alle gelten.

Welche Regeln sind sinnvoll?

Wir essen grundsätzlich am Tisch, nicht stehend, nicht vor dem Fernseher. Wir essen regelmässig und lassen das Frühstück nicht ausfallen, denn ein ausgewogenes Frühstück ist der beste Start in einen fitten Tag. Wir trinken in der Regel keine Süssgetränke, sondern Wasser oder ungesüssten Tee.

Sicher müssen Eltern auch ihr Kochverhalten umstellen?

Ja, grundsätzlich gehören täglich Früchte, Gemüse, Vollkornprodukte, Milchprodukte und regelmässig Fisch, Eier und Fleisch auf den Tisch. Sinnvoll ist es, den Tipps der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung zu folgen. Eine Übersicht findet sich in diesem Merkblatt.

Ernährungsgewohnheiten umzustellen, ist schwer. Wo können Eltern sich Hilfe holen?

Professionelle Ernährungsberater können bei der Umstellung der Ernährung helfen. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten einer vom Arzt verordneten Therapie. Über den Schweizerischen Verband diplomierter Ernährungsberater/innen HF/FH SVDE lassen sich professionelle Ernährungsberater vor Ort finden.

Kinder können leicht Regeln umgehen. Am Kiosk kosten Süssigkeiten nur wenig Geld. Das macht es leicht, heimlich zu essen.

Ab einem gewissen Alter haben Eltern nur wenig Einfluss darauf, was das Kind isst, wenn es unterwegs ist. Doch effektiver als Verbote erscheinen mir Angebote, zum Beispiel im Bereich Bewegung. Leider wird der Bewegungsdrang von Kindern oft unterbunden. Sie werden aus Angst vor Gefahren auf dem Schulweg beispielsweise mit dem Auto zur Schule gebracht. Gut, wenn Eltern sich zusammen mit ihren Kindern bewegen, statt den Fernseher die Kinder hüten zu lassen! Geregelte Fernsehzeiten sind wichtig, damit Kinder nicht zu lange bewegungslos sitzen. Auch die Politik ist gefordert.

Welchen Angeboten könnte die Politik den Weg ebnen?

Was wir brauchen, sind Kantinen, in denen gehaltvolles und frisches Essen Kindern schmeckt. Und den Kindern muss es leicht gemacht werden, Obst zu essen und Wasser zu trinken, indem ihnen Obst und Wasser zum Beispiel in den Pausen in der Klasse oder auf dem Hof angeboten werden.

Weiterführende Links:

Ist Ihr Kind zu dick?

Schweizerischer Fachverband Adipositas im Kinder- und Jugendalter

«Gorilla»-Projekt der Schtift-Foundation, das Kinder und Jugendliche zu mehr Bewegung und bewusster Ernährung animieren will
 


Beatrice Conrad Frey liebt es, zu kochen, zu backen und zu essen. Als diplomierte Ernährungsberaterin FH in Huttwil und Roggwil weiss sie, wie all das auf gesunde und sinnvolle Weise geschieht. Und dass Bewegung nicht nur wichtig ist, sondern auch Spass macht. In ihrer Freizeit betreibt sie verschiedene Ausdauersportarten.

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