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Jugendlohn statt Sackgeld hat viele Vorteile

Kinder sollen früh lernen mit Geld umzugehen. Viele Eltern zahlen ihren Kindern deshalb ein monatliches Sackgeld. Das Modell Jugendlohn geht noch weiter. Statt Taschengeld erhalten Jugendliche ein eigenes Einkommen, von dem sie auch das ÖV-Billett und die Kleidung finanzieren.

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Der Jugendlohn soll die finanziellen Kompetenzen früh fördern. Bild: Bianca Lucas - Unsplash

Das neue iPhone, die Markenjeans oder ein neues BMX-Rad sollen es sein: Kinder und Jugendliche in der Schweiz wachsen in einer Konsumwelt auf. Ihre Wünsche sind für die Eltern oftmals sehr kostspielig. Das von Elternbildungs- und Schuldenpräventionsstellen empfohlene Modell Jugendlohn soll dem entgegenwirken. Es verschafft Eltern einen Überblick über die Ausgaben für ihre Kinder, aber vor allem erzieht es Jugendliche früh zu einem haushälterischen Umgang mit Geld.

Das Modell Jugendlohn

Das Prinzip des Jugendlohns sieht vor, Kindern ab 12 Jahren einen fixen monatlichen Betrag zu geben, mit dem sie grosse Teile ihrer Lebenskosten selber finanzieren. Diese Lebenskosten beinhalten beispielsweise Coiffeur, Kleider, Velo, Handy, ÖV-Abonnements und Freizeit. Der Jugendlohn kann alle Bereiche betreffen, in denen Eltern ihren Kindern Kompetenzen zusprechen, ausser Wohnen, Essen, Versicherungen, Krankheitskosten und Schulgeld. Wichtig ist, dass genau besprochen wird, was der Jugendliche zu finanzieren hat. Dies wird vertraglich festgehalten. Eltern stehen dem Kind beratend zur Seite: Falls der Jugendliche in einen Engpass gerät, helfen sie mit Tipps weiter, nicht aber mit Geld. Es sei denn, die Forderung nach Erhöhung des Jugendlohns kann mit ausgewiesenen Ausgaben belegt werden, beispielsweise ein Mehrbedarf bei extremen Wachstumsschüben. Es kann also hilfreich sein, wenn das Kind eine einfache Buchhaltung führt.

Entstehungsgeschichte

Das Erziehungsmodell wurde in den 1970er Jahren vom Psychologen und Familientherapeut Urs Abt entwickelt. Jugendlohn ist heute eine im Schweizerischen Markenregister eingetragene, geschützte Marke. Sie hat sich bei massgeblichen Elternbildungs- und Schuldenpräventionsstellen im Bereich der Gelderziehung von Jugendlichen etabliert. Um das Modell weiter in der Schweiz bekannt zu machen, gründeten sein Entwickler Urs Abt, die Müller-Möhl Foundation, die Schuldenberatung Aargau- Solothurn, die Elternbildung CH, die Stiftung Pro Juventute und die Schuldenprävention Zürich den Verein Jugendlohn. Er bildet Fachleute weiter, baut ein Referentenpool auf und bietet Elternveranstaltungen an. Wie wirksam der Jugendlohn ist, bestätigte eine Elternbefragung der Hochschule Luzern. Im November 2014 wurde die Homepagewww.jugendlohn.ch lanciert.

Statt Sackgeld: Was der Jugendlohn bewirkt

«Das Sackgeld dient dazu, dass Kinder erste Erfahrungen mit dem Geld machen. Zum Beispiel zu lernen, was Dinge kosten», erklärt Andrea Fuchs, Präventionsfachfrau der Schuldenberatung Aargau-Solothurn und Präsidentin des Vereins Jugendlohn. Der Jugendlohn kann wesentlich mehr: Kinder lernen einen verantwortungsbewussten, selbstständigen Umgang mit Geld. Sie müssen mit einem begrenzten Budget auskommen, um nicht nur ihre Freizeit, sondern auch ihren Grundbedarf zu finanzieren. Vor allem lernen die Jugendlichen zwischen notwendigen Anschaffungen und Konsumwünschen zu unterscheiden und Käufe abzuwägen. «Durch den Jugendlohn gewinnen sie einen realistischeren Bezug zu Geld und gehen mit  eigenen Sachen sorgsamer um», so Fuchs. Viele Eltern empfinden das als grosse Entlastung: «Ich finde es eine ganz brillante Idee, dass die Kinder relativ früh lernen, mit Geld umzugehen. Ich denke, sie sind so weitaus weniger gefährdet in eine Verschuldung hineinzukommen, weil sie einfach gelernt haben, was ich habe, das kann ich ausgeben und was ich nicht habe, das habe ich nicht», reflektiert eine Mutter bei der 2014 durchgeführten Elternbefragung der Hochschule Luzern.

Jugendlohn verändert Beziehung zum Kind positiv

Mit der Einführung des Jugendlohns übertragen Eltern ihrem Kind grosse Verantwortung und trauen ihm Selbstständigkeit zu. Die Jugendlichen gewinnen Selbstvertrauen und Sicherheit in Finanzentscheidungen, aber auch in weiteren Lebensbereichen. Dies zeigen Antworten aus der Evaluation: «Ich weiss zwar nicht, ob das direkt mit dem Jugendlohn zu tun hat, aber mein Sohn ist jetzt in diesem Jahr sehr selbständig geworden. Beispielsweise bei der Bewerbung für Lehrstellen, da hat er alles selber gemacht», reflektiert ein Elternpaar, das den Jugendlohn bei ihrem Sohn eingeführt hat. Viele Eltern stellten ausserdem fest, dass sich die Beziehungen in der Familie positiv verändert haben: «Man ist wirklich mehr in einer Berater- als in einer Erzieherrolle. Die Beziehung zum Kind hat sich insofern geändert, dass man es auch ganz anders respektiert, dass man ihm zumutet, dass es das kann, dass es auch gewisse Entscheidungen fällen kann», so ein Elternpaar. Weil die Rollen und Pflichten im Vorfeld definiert und schriftlich festgehalten werden, gibt es weniger Streit um Geld. Dafür sprechen sie sachlich über den Umgang mit Geld.

Wie hoch ist der Jugendlohn?

Der Jugendlohn soll sich an den bisherigen Ausgaben für das Kind sowie dem Familienbudget orientieren. Es handelt sich um den Geldbetrag, den die Familie für die Jugendlichen ohnehin ausgibt. Jede Familie entscheidet selbst, wie viel Geld sie dem Kind zur Verfügung stellt. Somit ist das Modell für Familien aller Einkommensklassen geeignet. «Wir empfehlen den Eltern, drei Monate lang aufzuschreiben, was sie für ihr Kind ausgeben und wohin das Geld fliesst», erklärt Andrea Fuchs, Präsidentin des Vereins Jugendlohn. Um die Höhe des Jugendlohns zu bestimmen, werden die Jahreskosten für die vereinbarten Bereiche, in denen Eltern ihrem Kind Finanzkompetenzen erteilen wollen, erfasst. Zu diesem Betrag wird das bisherige Taschengeld addiert und die Summe durch 13 geteilt. So können die Eltern im November einen 13. Monatslohn  auszahlen, der z.B. für Winterjacke und Weihnachtsgeschenke nützlich sein kann.

Bedeutung des Jugendlohns für die Eltern

Die Einführung des Jugendlohns hat Konsequenzen für die Eltern. «Der härteste Prozess für Eltern ist das Loslassen. Sie müssen dem Kind zutrauen, dass es schafft, mit dem Geld verantwortlich umzugehen», betont der Familientherapeut Urs Abt. «Im Vorfeld haben Eltern die Möglichkeit zu vereinbaren, was sie gut finden. Sie können zum Beispiel sagen, dass gewaltsame Videospiele  in der Familie weiterhin unerwünscht sind.» Das Kind hat sich an die getroffenen Rahmenbedingungen zu halten. Es muss aber nicht über jeden Rappen Rechenschaft ablegen. Wenn Eltern mit den Kaufentscheidungen unzufrieden sind, können sie sich mit dem Kind zusammensetzen. Urs Abt rät: «Machen Sie es wie im Beruf. Wenn ein Chef mit den Leistungen der Angestellten nicht zufrieden ist, kann er nicht einfach den Lohn aussetzen, aber zu einem zwingenden Mitarbeitergespräch einladen.» Eltern müssen ausserdem lernen, konsequent zu sein: «Wir haben vor allem auch betont, dass wir konsequent sind und es kein zusätzliches Geld gibt, wenn er kein Geld mehr auf dem Konto hat, und der Monat noch nicht zu Ende ist. Das war eine der wichtigsten Abmachungen. Das haben wir dann auch einmal durchziehen müssen und dann hat er es gewusst», berichtet ein Elternpaar.

Weiterlesen

Wissenswertes, Berechnungstabelle und Vertrag zum Jugendlohn auf jugendlohn.ch

Evaluationsergebnisse des Jugendlohns: Das sagen Eltern

Expertenmeinung: Dürfen Eltern bestimmen, was Kinder kaufen? auf www.sueddeutsche.de

 

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