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Die neuen Grosseltern

Noch nie haben Grosseltern so verständnisvoll wie heute die Entwicklung ihrer Enkel verfolgt. Sie lieben ihre Enkel und freuen sich mehr denn je, mit ihnen viel Zeit verbringen zu dürfen. Generationenkonflikte haben abgenommen. Kinder profitieren von dieser Entwicklung.

Grosseltern sind immer häufiger da
Grosseltern verbringen gerne Zeit mit ihren Enkeln. Foto: AlexRaths, iStock, Thinkstock

Wenn sie auf ihre Enkel angesprochen wird, strahlt sie. Mit grossem Interesse verfolgt die dreifache Grossmutter die Entwicklung ihrer Enkelkinder und verbringt viel Zeit mit ihnen. Unermüdlich stapelt sie mit der Kleinen Bauklötze, geht mit den Grossen ins Schwimmbad und spielt mit allen Fussball. Mit ihrem Engagement ist sie kein Einzelfall. Grosseltern und Enkel haben heute eine engere Beziehung als früher.

Grosseltern sind fitter denn je

Noch vor 40 Jahren waren fussballspielende Grossmütter kaum vorstellbar. «Die ältere Generation ist gesünder und fitter. Die Grosseltern können deshalb viel mehr mit ihren Enkeln unternehmen», erklärt die Berner Generationenforscherin Pasqualina Perrig. «Sie sind auch besser ausgebildet und haben finanziell mehr Möglichkeiten», sagte sie dem Berner Tagblatt. Das präge die Beziehungen.

100 Millionen Stunden Kinderbetreuung

Vor allem bei der Kinderbetreuung spielen Grosseltern eine grosse Rolle. Rund 100 Millionen Stunden im Jahr betreuen Grosis und Grosspapis in der Schweiz ihre Enkel, wie aus dem Generationenbericht Schweiz des Nationalen Forschungsprogramms «Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen Wandel» hervor geht. Meist sind es die Grossmütter, die diese Arbeit leisten. Doch auch viele Opas sind begeisterte Grossväter.

Generationenkonflikte nehmen ab

Enkel lassen Eltern und Grosseltern näher zusammen rücken. Wer teilt schon so sehr das Interesse am Kind wie die eigenen Eltern? Wenn es um die Erlebnisse, Entwicklungsschübe und Probleme der Kleinen geht, hören Grosseltern oft immer noch begeistert zu, während die Freundin längst genervt die Augen rollen würde. Eltern und Grosseltern gehen entspannter denn je miteinander um. «Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die grossen ideologischen Grabenkämpfe wie vor dreissig, vierzig Jahren heute kaum noch vorkommen. Die Generationenkonflikte in den Familien nehmen eher ab, weil die Weltanschauungen zusammenrücken», erklärte Pasqualina Perrig.

Das bestätigt auch François Höpflinger, Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich mit den Forschungsschwerpunkten Alters- und Generationenfragen, Bevölkerungs- und Familiensoziologie. «An die Stelle autoritärer Erziehungsprinzipien treten nicht autoritäre Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, zwischen Enkeln und Grosseltern auf. Damit hat sich die Qualität der Beziehung zwischen den Generationen deutlich verbessert», erklärte er dem Magazin von pro senectute Kanton Zürich «Visit».

Enkel profitieren von den Grosseltern

Wenn Grosseltern und Eltern weniger Konflikte miteinander haben, ist der Weg zu den Enkeln frei. Den Kindern tut das Engagement und Interesse ihrer Grosseltern gut. Sie schätzen an ihren Omas und Opas vor allem, dass sie Zeit haben – zum Zuhören zum Beispiel. «Sie sind einfach da, wenn man sie braucht», sagen viele Kinder. Gleichzeitig schlagen Grosseltern eine Brücke zur Vergangenheit. Kinder spüren beim Grosi und dem Grosspapi ihre Wurzeln. Sie können aus einer Zeit berichten, die Kinder sonst nur in Büchern nacherleben können und in denen die eigenen Eltern Hauptfiguren sind. Aus dem Leben der Grosseltern lässt sich viel lernen – zum Beispiel, dass auch grosse Hindernisse im Leben zu packen sind.

Gleichzeitig profitieren die Grossseltern von den Enkeln. «Sie haben wieder Kontakt mit Kleinkindern, erleben Säuglings-, Kleinkind- und Schulphase der Enkelkinder mit. Dadurch bleiben sie auch informiert über neue Entwicklungen von Kindheit, Schule und Erziehung», so François Höpflinger. In einem gewissen Sinne wirke aktive Grosselternschaft als «sozialer Jungbrunnen», weil ältere Personen damit wieder in neue soziale Entwicklungen integriert werden.

Besuchsrecht für Grosseltern

Grosseltern und Kinder leiden, wenn der Kontakt abreisst, weil Eltern nach der Trennung mit ihren Schwiegereltern nichts mehr zu tun haben wollen. Doch ein gegenseitiges Besuchsrecht fehlt in der Schweiz. «Liegen ausserordentliche Umstände vor, so kann der Anspruch auf persönlichen Verkehr auch andern Personen, insbesondere Verwandten, eingeräumt werden, sofern dies dem Wohle des Kindes dient», sagt das Gesetz (Artikel 274A, ZGB). Nur wenn die Umstände «ausserordentlich» sind, wird Grosseltern ein Besuchsrecht gewährt.

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