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Aus Fehlern lernen: Misserfolge als Chance für Kinder

Wenn ein Kind Frust schiebt, leiden Eltern mit. Natürlich möchten sie ihr Kind vor Enttäuschungen bewahren. Doch Kinder können viel aus Misserfolgen und Fehlern lernen.

Kinder können viel aus Fehlern lernen
Misserfolge gehören zum Leben - doch Kinder können viel aus Fehlern lernen. Foto: Yalana, iStock, Thinkstock

Es kann so schwierig sein, aus Fehlern zu lernen: Melina schaut enttäuscht in ihren Kinderbackofen. Der Kuchen, der seit einer Stunde vor sich hin blubbert, ist immer noch eine flüssige Masse. Dabei hatte sie sich so darauf gefreut, mit Oma einen selbst gebackenen Kinderkuchen zu teilen! Was für eine Enttäuschung! Bei Aaron fliessen sogar Tränen. Das Haus, das er aus Pappe zusammen kleben wollte, fällt immer wieder in sich zusammen. Auch Annika erreicht nicht, was sie will. Eigentlich hatte sie vor, sich nach einem Streit mit ihrer Freundin wieder zu vertragen. Dafür hat sie allen Mut zusammen genommen, ist auf sie zugegangen und hat gesagt: «Ich finde es doof, dass du immer anfängst zu zanken. Kannst du nicht damit aufhören?» Daraufhin ist der Streit erst recht eskaliert.

Kinder für Misserfolge nicht tadeln

Mit dem Frust des Kindes umzugehen, ist nicht immer leicht. Schliesslich ärgern sich Eltern schon genug über die eigenen Misserfolge. «Was war das für ein mieser Tag!», so oder ähnlich lautet oft der Satz, wenn Erwachsene sich abends erschöpft aufs Sofa fallen lassen und resümieren, was in den letzten Stunden alles schief gelaufen ist. Ist im Stress des Tages manches misslungen, bleibt für die Misserfolge des Kindes nicht immer Geduld. «Warum hast Du das denn auch gemacht?», dieser Satz ist immer mal wieder zu hören, wenn ein Kind einen falschen Weg zum Ziel eingeschlagen hat. «Das hättest du doch wissen müssen!», auch diese Worte helfen nicht weiter.

Verständnis tut gut!

Zu stolpern und zu fallen, gehört zwar zum Leben, schmerzt deshalb aber nicht weniger. Gut tut es, wenn Eltern Hände reichen und beim Aufrappeln helfen. «Du wolltest ein Haus aus Pappe bauen. Und du hast mit grosser Ausdauer aufgemalt, wie es aussehen soll», sagt die Mutter tröstend zu Aaron. «Doch es hat es nicht geklappt, wie du es dir vorgestellt hast. Ich verstehe, dass du enttäuscht bist!» So kann sich Aaron angenommen fühlen. «Kinder können nur lernen, wenn sie immer wieder auf die Nase fallen dürfen und dafür keine Geringschätzung befürchten müssen», wird Autor und Familienberater Jan-Uwe Rogge nicht müde, Eltern zu erklären.

Wie Kinder aus Fehlern lernen

«Versuch macht klug» – daran glaubte schon die Italienerin Maria Montessori, Begründerin der Montessori-Pädagogik. Nicht nur aus Erfolgen, auch aus Fehlschlägen lässt sich lernen – wenn gemeinsam reflektiert wird, warum ein Versuch schief gelaufen ist. «Wollen wir uns heute Abend einmal anschauen, woran es gelegen hat?» So lernt Melina, dass Mehl, das sie beim Backen vergessen hat, ein wichtiger Bestandteil von Kuchen ist. Aaron stellt fest, dass die dünne Pappe sein Haus einfach instabil gemacht hat. «Vielleicht kann ich zwei dünne Pappen aneinander kleben?», überlegt er. Annika versteht, warum ihr Freundschaftsangebot ihre Freundin verletzt hat. «Hast du eine Idee, wie du dich mit deiner Freundin wieder vertragen kannst?», fragt der Vater. Annika hat viele Ideen, die sie nun mit Papa bespricht. «Oft sind es gerade unser Misserfolge und Fehlschläge, an denen wir wachsen und die uns zu offenherzigen, mitfühlenden, liebevollen, lebensklugen Menschen machen», schreibt die buddhistische Lehrerin Pema Chödrön in ihrem Buch «Vom Glück des Scheiterns».

Stark in der Schule

In der Schule lässt sich nicht nur an eigenen Zielen scheitern, sondern auch an den Erwartungen der Lehrpersonen. Kinder, die bis dahin gelernt haben, dass Fehler menschlich sind, können sich ohne Angst vor dem Scheitern an kleine und grosse Ziele wagen. Sie schaffen es in der Regel auch, locker mit einer schlechteren Beurteilung umgehen. Eine «Drei» in Mathematik bedeutet eben nicht, kein Talent für das Fach zu haben. Die Note zeigt nur an, dass ein Rechenweg nicht richtig verstanden oder angewandt wurde. Das lässt sich doch ändern! «Studien haben längst gezeigt, dass Erfolg eben auch eine Funktion der Frustrationstoleranz, des Durchhaltevermögens und der Selbstmotivation ist. Wer früh lernt, sich von Fehlschlägen nicht entmutigen zu lassen, wird nachher erfolgreicher sein», schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Es ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen! Oder mit den Worten des irischen Schriftstellers James Joyce (1882-1941): «Fehler sind das Tor zu neuen Entdeckungen.»

Umgang mit Fehlern: Vorbild sein!

Eltern können Kindern solchen positiven Umgang mit Fehlern und Niederlagen vor allem dadurch vermitteln, dass sie ihnen ein gutes Vorbild sind. Denn Kinder wollen gross werden, sie wollen gross sein wie die Eltern. Sie beobachten genau, wie die Eltern sich verhalten – und ahmen genau dieses Verhalten nach. So ist Erziehung vor allem Selbsterziehung. «Kinder schauen sich nicht nur von uns ab, wie wir sprechen oder uns in der Gesellschaft verhalten, sondern auch wie wir mit uns selbst umgehen, wenn wir einen Fehler gemacht haben. Verurteilen wir uns? Versuchen wir so schnell wie möglich das Thema zu wechseln? Oder andere dafür verantwortlich zu machen?», erklärt Nora Völker, Psychologin (MSc.) bei der Akademie für Lerncoaching in Zürich «Wenn wir nun versuchen, auch mit uns selbst ein wenig nachsichtiger zu werden, dem Fehler aber dennoch auf den Zahn zu fühlen, anstatt ihm aus dem Weg zu gehen und ihn nicht vor anderen zu verbergen, dann werden sich unsere Kinder wahrscheinlich ein Vorbild an uns nehmen.»

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