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«Höflich zu sein, lernen Kinder vor allem am Vorbild der Eltern»

«Wie sagt man?» Kinder zum Danke sagen zu nötigen, bringt häufig nichts - ausser Fremdschämen. Kinder lernen ohnehin am besten an guten Beispielen, sagt Celia Zappa von der Jugend- und Familienberatung CONTACT der Stadt Luzern.

Ist Zunge rausstrecken erlaubt. Wie höflich müssen Kinder sein und wie erzieht man sie dazu?
«Wie sagt man?» Kinder zum Danke sagen zu zwingen bringt oft nichts. Bild: E+

Frau Zappa, Eltern wünschen sich, dass Kinder höflich sind. Was ist eigentlich Höflichkeit?

Höflichkeit ist eine Unterform von Umgangsformen. Sie ist eine Haltung der Anerkennung und Bestätigung, ein rücksichtsvolles Verhalten, das Respekt zum Ausdruck bringt. Das Wort «höflich» wird heute allerdings nur noch wenig benutzt. Es wirkt ein wenig antiquiert. Heute spricht man mehr über Soziales Verhalten und Respekt, gemeint sind immer noch Anstand, Manieren und Benimmregeln.

Was gilt als höflich? Wie muss man sich verhalten – und wie darf man sich nicht verhalten?

Früher gab es verbreitete gesellschaftliche Vorstellungen darüber, was höflich und was unhöflich ist. Heute sind die Antworten etwas verwässert. Das liegt zum einen daran, dass wir mehr Gleichwertigkeit in der Gesellschaft anstreben und es weniger klare Hierarchien gibt. Ältere Menschen gelten zum Beispiel heute nicht mehr per se als Autoritäten, denen man besonders respektvoll begegnen muss. Auch lassen sich Unterschiede in Kulturen und Traditionen feststellen.

Grüssen, danke sagen oder sich entschuldigen gelten dagegen sicher überall als höflich …

Ja. Doch es existieren unterschiedliche Vorstellungen darüber, wann ein «Danke» oder eine Entschuldigung fällig ist. Sofort, zwei Tage später? Und es gibt heute verschiedene Weisen, wie man sich bedankt, wie man sich entschuldigt oder grüsst – und sie können als mehr oder weniger höflich empfunden werden.

Ist Höflichkeit trotzdem wichtig?

Wer versucht, höflich zu sein, trägt dazu bei, gut miteinander auszukommen. Wir sind freundlich zueinander, weil wir auf eine Wechselwirkung hoffen. Wir wollen selbst freundlich behandelt werden! Manieren und Umgangsformen lassen sich schon früh in der Kindererziehung vermitteln.

Wie bringt man es denn Kindern bei?

Kinder lernen am besten am Modell und an Vorbildern. Sie orientieren sich an der Art und Weise, wie sich Eltern und Erzieher verhalten, üben dieses Verhalten im Spiel und ahmen es nach. So lernen sie nicht nur Höflichkeit oder Anstand, sondern auch, echt und liebevoll zu sein. Sie lernen Worte wie «danke» und «bitte, gern geschehen» schon ganz früh, wenn sich zum Beispiel ein Elternteil beim anderen Elternteil für das feine Essen bedankt.

Oft hört man Eltern zu ihren Kindern sagen: «Wie sagt man?» oder «Du sollst dich entschuldigen!». Ist es sinnvoll, sie zu gewissen Umgangsformen zu zwingen?

Nein, Zwingen bringt nichts. Dann geht es auch nicht um Höflichkeit, sondern um den Erziehungsstil. Man sollte sich selbst fragen, ob man sein Kind autoritär zum Gehorsam erziehen, respektive einenBefehl durchsetzen will. Oder wähle ich einen Erziehungsstil auf Augenhöhe? Statt ihr Kind zur Höflichkeit zu zwingen, könnten die Eltern wieder mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass sie auch betroffen sind, oder ihnen etwas Leid tut, was das Kind angestellt hat.

Ab welchem Alter sollten Kinder bestimmte Höflichkeitsformen beherrschen?

Das lässt sich nicht so kategorisch sagen. Manche Kinder übernehmen Höflichkeitsformen früher, andere später. Eltern können ihre Kinder aber ruhig ermuntern, zu grüssen, sich zu bedanken oder sich zu entschuldigen, auch dann, wenn sie den Sinn noch nicht begreifen. Nach und nach lassen sich diese Umgangsformen kurz erklären und auch mit Leben füllen. Es ist schön, wenn die Schwester die Legoburg wieder aufbaut, die sie kaputt gemacht hat. Wahre Höflichkeit braucht allerdings Einfühlungsvermögen, eine Empathie, die das Kind erst nach und nach entwickelt. Zwar beginnt es schon mit etwa 18 Monaten, den Kummer anderer zu spüren. Doch es braucht noch viele Jahre, bis es lernt, dass es in Bezug auf die Höflichkeit nicht nur «richtig» und «falsch» gibt, sondern dass viele Interaktionen möglich sind, die sich individuell auf den Einzelfall zuschneiden lassen. Höflichkeit kann ja auch aus einer Geste oder einem Entgegenkommen bestehen. Entschuldigen kann man sich mit Wiedergutmachung, Einsicht oder Reue.

Wo hat Höflichkeit ihre Grenzen?

Ihre Grenze findet Höflichkeit bei der Integrität, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. «Mein Körper gehört mir», sollten Kinder wissen. Ein Kind darf sich demnach abwenden, die eigene Grenze ziehen und nein sagen, wenn es nicht auf den Schoss der Tante will oder keinen Kuss vom Opa haben möchte. Das muss es nicht aus Höflichkeit tolerieren. Die meisten Eltern wissen das heute.

Celia Zappa

Zur Person

Celia Zappa studierte Sozialarbeit und ist Beraterin bei der Jugend- und Familienberatung CONTACT der Stadt Luzern. Die 49-Jährige ist Mutter zweier erwachsener Söhne und arbeitet bereits seit acht Jahren bei CONTACT mit dem Schwerpunkt Jugendberatung.

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