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Erschöpft und depressiv: Burnout bei Jugendlichen

Wenn von einem Burnout die Rede ist, denkt man meist an Erwachsene, die sich ob den hohen Anforderungen im Beruf zerrieben. Doch es kann auch Kinder und Jugendliche treffen. Dabei können Leistungsdruck wie auch eine Trennungen der Eltern Ursache sein.

Ein Jugendlicher bei der Erledigung der Hausaufgaben.
Wenn der Leistungsdruck zu hoch wird, erleiden manche ein Burnout: Ein Jugendlicher bei der Erledigung der Hausaufgaben. (Bild: Monkey Business Images/iStock, Thinkstock)

Leistungsdruck in der Schule und im Sport, eine belastende Situation zu Hause oder auch Probleme mit den Freunden: Heute sind zunehmend auch Kinder und Jugendliche mit den Anforderungen an sie überfordert und fühlen sich erschöpft und ausgebrannt. Sie sind wie Erwachsene von einem Burnout-Syndrom betroffen. «Wir verstehen darunter einen Zustand der Erschöpfung und Niedergeschlagenheit», erklärt die Chefärztin und Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Baselland, Brigitte Contin-Waldvogel.

Einer Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums zufolge sind zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen von einer leichten bis moderaten depressiven Verstimmung betroffen. Bei zwei bis sechs Prozent von ihnen entwickelt sich bis zum Alter von etwa 25 Lebensjahren eine echte Depression.

Burnout bei Jugendlichen: Gesellschaft sensibilisiert

«Tu nicht blöd und mach vorwärts», hiess es früher oft, wenn ein Jugendlicher melancholisch und bedrückt war. «Heute ist ein Grossteil der Eltern und Pädagogen sensibilisierter», sagt Contin-Waldvogel. «Weil Eltern sich vielfach bewusst sind, dass Burnout schon im Kinderalter und im Jugendalter auftreten kann, suchen sie Spezialisten niedrigschwelliger auf.» Möglicherweise sei entsprechend die Zahl der Behandlungen gestiegen, nicht aber der Erkrankungen.

Leistungsdruck verursacht Burnout bei Jugendlichen

Die Ursachen für Erschöpfung und Depression sind vielfältig. Zu den wesentlichen Faktoren gehören laut Contin-Waldvogel Leistungsdruck, den Kinder und Jugendliche in der Schule oder im Elternhaus erleben. Manchmal sei es schwer, herauszufinden, woher der Druck genau komme, sagt die Ärztin: «Oft spielt auch die Peergroup eine Rolle. Denn vor allem während der Pubertät eifern sich Jugendliche gegenseitig nach, sie wollen so viel leisten, so beliebt sein und so viel Erfolg haben wie die anderen.» Druck kann auch durch den Anspruch, perfekt sein zu wollen, entstehen – zum Beispiel durch Schönheitsideale, die durch die Medien an Kinder und Jugendliche vermittelt werden.

Stressige Trennungen belasten enorm

«Auch komplizierte Trennungsgeschichten sind ein grosses Problem für Kinder und Jugendliche», sagt Contin-Waldvogel. «Streit und Missgunst zwischen den Eltern belasten sie extrem und werden so zu einem grossen Risikofaktor für Depressionen und andere psychische Störungen.» So seien 70 bis 80 Prozent der jungen Patienten und Patientinnen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Baselland Trennungskinder.

Vor allem der Versuch, den anderen Elternteil aus dem Leben des Kindes auszuschalten, wirke sich negativ auf das Kind aus. Kinder und Jugendliche wollten nicht auf die Mutter oder den Vater verzichten, nur weil die Eltern sich nicht mehr verstehen. Contin-Waldvogel erklärt: «Wer schlecht über den früheren Partner redet, beleidigt auch das Kind, denn Kinder identifizieren sich mit ihren Eltern. Eltern können ihrem Kind viel Leid ersparen, indem sie versuchen, sich fair zu trennen und dem Kind so viel Stress wie möglich zu ersparen.»

Burnout bei Jugendlichen: Weitere Faktoren

Laut der Expertin sind es sind immer mehrere Faktoren, aus denen sich Depression und Erschöpfung entwickeln. Neben Leistungsdruck, Perfektionismus-Denken und schwierigen Trennungen können auch Mobbing, Traumatisierungen und Misshandlungen zu Burnout bei Jugendlichen und Kindern führen. Alle diese Vorkommnisse wirken auf das Selbstwertgefühl der Jugendlichen. Dabei spielen auch genetisch vererbte Veranlagungen eine Rolle. «Manche Kinder strotzen nur so vor Selbstwertgefühl, andere brauchen von Anfang an mehr Stärkung», sagt Contin-Waldvogel.

Burnout: Was Eltern tun können

Nicht immer ist es leicht zu entscheiden, wann das Kind oder der Jugendliche fachkundige Hilfe benötigt. Denn manche Verstimmung hängt mit einem konkreten Problem zusammen, das sich nach einer Zeit von selbst wieder legt. Auch die Pubertät, in der sich ein Jugendlicher vom Elternhaus abnabelt, kann vorübergehend zu Ängsten und Niedergeschlagenheit führen, die nicht behandlungsbedürftig sind.

«Ein Kind oder ein Jugendlicher braucht dann Unterstützung, wenn die gängigen Aufmunterungs- und Aktivierungsversuche über wenige Wochen nichts mehr bringen», sagt Contin-Waldvogel. Kopfweh, Bauchweh und Schlafstörungen könnten Anzeichen dafür sein, dass sich die Verstimmung bereits körperlich niedergeschlagen habe. Plötzlich auftretende Schulprobleme seien manchmal ebenfalls Warnsignale. Denn sie könnten zeigen, dass ein Kind oder ein Jugendlicher stark an Energie verloren habe. «Dann ist es sinnvoll, sich mit dem Kind Hilfe beim Kinderarzt oder bei einem Therapeuten zu holen.»

Vertrauen zwischen Therapeut und Jugendlichem wichtig

Der Grundpfeiler einer erfolgreichen Behandlung ist Vertrauen zwischen Therapeut und Patient. «Dazu gehört es, offen für das Kind oder den Jugendlichen zu sein, zuzuhören, Verständnis zu zeigen und zu signalisieren: ‹Hier darfst du sein wie du bist›», sagt Contin-Waldvogel. Auch Zuverlässigkeit sei wichtig, um das Vertrauen des jungen Patienten zu gewinnen. «Letztendlich aber muss auch die Chemie stimmen.»

Behandlung von «Burnout» bei Jugendlichen

Zu Beginn der Behandlung versucht der Arzt, das Problem einzugrenzen. Das Kind oder der Jugendliche, auch die Eltern, beantworten entsprechende Fragen zur Familiengeschichte und zur aktuellen Situation. Kinder werden aufgefordert, ihre Sorgen aufzumalen. «Wir versuchen, uns von unterschiedlichen Seiten her ein Bild zu machen», erklärt Brigitte Contin-Waldvogel. «Nach der Diagnose schauen wir, ob wir mit dem Betroffenen in ein therapeutisches Bündnis kommen.» Psychotherapie, vor allem Verhaltenstherapie und Familientherapie seien die gängigen Behandlungsmethoden. «Wir versuchen, eine kognitive Umstrukturierung zu erreichen», erklärt die Ärztin. Jugendliche würden zum Beispiel aufgefordert, ein positives Tagebuch zu führen, also jeden Tag aufzuschreiben, was sich Schönes im Leben ereignet hat. Darüber hinaus, so Brigitte Contin-Waldvogel, trainierten die Jugendlichen unter anderem soziale Fähigkeiten und die Wahrnehmung und die Bewertung sozialer Situationen. So finden sie – Schritt für Schritt – aus ihrem Burnout heraus.

 

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