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Slacklinen boomt seit einigen Jahren als Sportart für den Sommer. Dabei ist die Disziplin mehr als ein kurzfristiger Trend. Der mehrfache Weltrekordhalter Samuel Volery sagt, was es braucht, damit es mit dem Balancieren klappt.
Von Chantal Hebeisen, im Juli 2017
Wer genug Geduld aufbringt, kommt mit der Zeit hoch hinaus: Eine Frau balanciert auf einer Slackline. (Bild: Kasto80/iStock, Thinkstock)
Ob als kleines Kind auf einer schmalen Gartenmauer, während der ersten Verliebtheit an der romantischen Seepromenade oder bei einem Waldspaziergang auf einem Baumstamm: Auf Hindernissen balancieren gehört zu den Grundfaszinationen des Menschen. Kein Wunder also, dass Slacklinen – also das Gleichgewicht halten auf einem rund zwei Zentimeter breiten Polyester-Band – sich seit der Jahrtausendwende einer so grossen Beliebtheit erfreut.
In der Schweiz üben Schätzungen zufolge rund 100'000 Leute diesen Sport mehr oder weniger regelmässig aus. Manche probieren an einem Grillfest zum Zeitvertrieb aus, ob sie es schaffen, über das Band zu gehen, einige Hobbysportler spannen ihr Set regelmässig in einem öffentlichen Park auf, aber auch Spitzensportler wie etwa Skirennfahrer trainieren auf der Slackline ihr Gleichgewicht.
Einer, der regelmässig wortwörtlich auf einem schmalen Grat geht, ist Samuel Volery. Der 33-jährige Extremsportler hat international für Aufsehen gesorgt, als er 2016 auf einer sogenannten Highline zwischen den beiden Churfirstengipfeln Schibenstoll und Zuestoll balancierte – mehrere hundert Meter über der Erde, über eine Distanz von 540 Metern. Volery hat bereits mehrere Weltrekorde im Highlinen aufgestellt. Erst im Mai diesen Jahres setzte er mit einer 1210 Meter langen Strecke im ostanatolischen Malatya (Türkei) eine neue Weltbestmarke. Das Beachtliche dabei ist, dass Volery nicht etwa schon seit Kinderbeinen auf einer Highline steht, sondern erst nach einem Kreuzbandriss am Knie 2008 mit dem Slacklinen als Rehabilitationsmassnahme begann.
Samuel Volery studierte an der ETH Zürich Bewegungswissenschaften und gründete 2006 mit einem Studienfreund die Firma Slacktivity. Diese entwickelt und vertreibt Slackline-Material und bietet Kurse an. Der 33-jährige Ustemer ist mehrfacher Weltrekordhalter im Slacklinen und trainiert pro Woche rund 15 Stunden auf dem Band.
Man mag das Highlinen als waghalsig und gefährlich bezeichnen und Volery selbst vielleicht gar für lebensmüde halten. Doch der junge Freestyle-Sportler selbst findet, seine Sportart sei ungefährlich. «Ich zähle es nicht zu den Extremsportarten, weil ich sehr gut gesichert bin», sagt er. «Wenn ich das Gleichgewicht verliere, falle ich sehr weich in mein Sicherungsseil und kann problemlos wieder auf die Slackline aufsteigen.» Sogar wenn das Band reissen würde, ist der Slackliner gesichert und stürzt nicht ab. Volery sagt, ihm sei nur ein Unfall bekannt, der leider tödlich ausging. Der Freestyler verwendete damals falsches Material, das man heute nicht mehr verwende. Trotz der vielen Sicherheitsmassnahmen ist das Highlinen keine Disziplin für jedermann: Es braucht jahrelanges Training, um sich das Können anzueignen und bedarf einer intensiven Vorbereitung eines ganzen Teams, damit ein Highline-Walk erst möglich ist.
Volery ist überzeugt, dass sich das Slacklinen für jedermann eignet und sowohl Kindern als auch Erwachsenen gut tut. «Man weiss heute, dass das Balancieren auf dem Band nicht nur gut für das Gleichgewicht ist, sondern auch die Körperkoordination insgesamt und die Konzentrationsfähigkeit verbessert», so der studierte ETH-Bewegungswissenschaftler. Wenn Kinder die Möglichkeit haben, im heimischen Garten das Balancieren zu üben, sind sie laut Volery ab etwa vier Jahren fähig, auf der Slackline zu balancieren. «Bei jüngeren Kindern würde ich erst versuchen, dass sie im Sitzen das Gleichgewicht halten können.»
Unerwegs zwischen zwei Berggipfeln: Samuel Volery auf seiner Highline zwischen den Churfirsten. (Bilder: zVg/Slacktivity, Tobias Rodenkirch)
Doch die Sportart erfordert in einem ersten Stadium vor allem eins: Geduld. «Viele Leute glauben, es sei das oberste Ziel, möglichst schnell eine weite Strecke auf der Slackline gehen zu können», stellt Volery fest, wenn er in seiner Firma Kurse leitet. Dabei gebe es 50 bis 100 verschiedene Positionen auf dem Band, die teilweise sogar leichter seien als das Gehen. «Das wichtigste ist, dass man nicht nach drei Mal Gleichgewicht verlieren sagt ‹kann ich nicht› und aufgibt.» Stürze seien beim Slacklinen normal und es bestehe auch keine grosse Verletzungsgefahr, wenn man richtig vorgehe. Wichtig sei vor allem, dass man das Band zu Beginn nur etwa auf Kniehöhe straff spanne, damit man problemlos auf- und wieder absteigen kann. Und Volery ermutigt: «Mit dem nötigen Durchhaltewillen schaffen es auch bislang Unsportliche, nach einer Stunde eine fünf Meter lange Strecke auf der Slackline zu gehen.»
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