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Mental Load: Auch Alltagsheldinnen sind mal überlastet

Wäsche gewaschen, Boden gewischt, Einkaufszettel geschrieben? Die Alltagsplanung kann zur mentalen Belastung werden. Dieser Mental Load wird derzeit in vielen Ländern diskutiert. Denn betroffen sind fast immer nur Frauen.

Mental Load: Viele Frauen planen den gesamten Familienalltag.
Meistens sind es die Frauen, die den Famillienalltag planen. Und damit ist jede Menge Denkarbeit verbunden. Foto: Beornbjorn, iStock, Getty Images Plus

Es ist Samstag. Wir wollen einen Familienausflug zu den Grosseltern machen. Um zehn soll es losgehen. Aber für mich beginnt der Stress bereits um sieben: Der Hund muss raus. Unser Sohn braucht Frühstück. Der Blumenstrauss für Schwiegermama fehlt noch. Idealerweise stelle ich noch eine Maschine Wäsche an, damit ich sie später aufhängen kann. Und eigentlich ich will noch meine Nägel lackieren. Ich brauche jetzt wirklich die Hilfe meines Manns.

Wenn Hilfe keine Hilfe ist

«Schatz, kannst du Spielsachen, Wickelzeug und Snacks für Ben einpacken?» – «Na klar», antwortet er und bringt mich dann doch noch zur Weissglut: «Welche Spielsachen soll ich denn einpacken? Wo liegen die Windeln nochmal? Und hast Du mal eine Tasche, in die ich alles einpacken kann?»

Wenn ich Zeit hätte, ihm diese Details zu erklären, könnte ich auch alles selbst erledigen. So, wie ich es ohnehin schon mache, wenn ich Einkaufslisten schreibe, Kindergeburtstage organisiere, Urlaube plane, Familientermine verwalte, überlege, was es zu essen gibt, mir den Impftermin für den Hund merke und all die anderen, vermeintlich kleinen, aber zahlreichen Aufgaben des Familienalltags organisiere.

So wie mir geht es vielen Frauen. Laut Statistischem Bundesamt haben Schweizer Frauen im Jahr 2016 durchschnittlich 28,1 Stunden pro Woche für die Haus- und Familienarbeit aufgewendet, Männer hingegen 17,9 Stunden. Und das sind nur die Durchschnittswerte, die Männer und Frauen ab dem 16. Lebensjahr in allen erdenklichen Lebenssituationen berücksichtigen.

Frauen arbeiten ihr Leben lang mehr im Haushalt als Männer. Besonders gravierend ist der Unterschied bei Paaren, deren jüngstes Kind höchstens 6 Jahre alt ist. Hier leisten Frauen pro Woche 57,8 Stunden Haus- und Familienarbeit – und Männer 32,8 Stunden.

Invisible Work: Wenn alles zu viel wird

Wie sich das anfühlt? Als wäre ich der gestresste CEO einer Firma. Denn am Ende des Tages ist es nicht das Rausbringen des Mülls oder das Schmieren der Schulbrote, das die Arbeitsbelastung ausmacht, sondern das, was als Mental Load oder Invisible Work bezeichnet wird: Das ständige Denken und Planen, also die Organisation hinter dem Familienalltag.

Seit die französische Comiczeichnerin Emma im Mai 2017 ihr feministisches Comic «Mental Load» veröffentlicht hat, ist eine Debatte um die permanente Denkarbeit der Frauen entstanden. Die Diskussion reicht längst weit über den Kreis von Feministinnen hinaus und wird in verschiedenen Ländern geführt.

Der Comic-Heldin geht es wie mir: Sie denkt an die Wäsche, ans Essen, an Arzttermine und Einkaufslisten. Ihr Mann versteht sich als ausführendes Organ, das auf Befehl tätig wird.

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Die Mädchen von heute werden als Erwachsene womöglich mit einem ähnlichen Mental Load leben wie ihre Mütter. Foto: chameleonseye, iStock, Getty Images Plus

Mental Load = Frauensache?

Aber warum bleibt all diese Invisible Work eigentlich an mir als Frau hängen? Das ist doch ungerecht. Jedenfalls fühlt es sich hin und wieder so an. Und zwar immer dann, wenn mir die mentale Belastung zu viel wird. So wie jetzt. Auch ich will Wochenende haben – und verdammt nochmal meine Nägel lackieren.

Dass Frauen – und nicht Männer – ständig daran denken, was im Haushalt noch zu tun ist, liegt laut Emma an den gesellschaftlichen Strukturen, in die wir alle hineingeboren wurden. Mädchen bekommen seit Generationen Puppen und Spielzeug-Staubsauger, während Buben immer noch spöttische Kommentare ernten, wenn sie mit einem Tee-Service spielen. Die Kinder beobachten zudem, dass ihr Mami den Grossteil der Hausarbeit macht, während Papi viel Zeit bei der Erwerbsarbeit verbringt.

Und was tue ich, wenn mir der Mental Load zu viel wird? Ich schnauze meinen Mann an. Zum Glück reagiert er auf die denkbar beste Art und Weise. Nämlich mit einfühlsamen Worten. «Schatz», sagt er, «Ich will dir doch helfen.» Er will, dass wir als Team arbeiten. Und dazu soll ich ihn einfach mehr einspannen.

Familie bedeutet Teamwork

Leichter gesagt, als getan, denke ich. Aber wie soll das gehen, wenn er noch nicht mal weiss, wo die Windeln liegen? Doch unterm Strich hat mein Liebster recht. Familie funktioniert nur als Team.

Es gibt allerdings ein Problem bei der familiären Teamarbeit, an dem wir Frauen nicht ganz unschuldig sind. «Die Frauen müssen die Männer auch lassen», sagt Volker Baisch in einem Interview mit der «Zeit». Er ist Gründer der «Väter gGmbh» in Deutschland sowie Initiator der Trendstudie «Moderne Väter» aus dem Jahr 2012. Darin heisst es über uns Frauen: «Oft scheuen sie sich noch Verantwortung abzugeben und trauen dem Mann im Umgang mit Kindern weniger zu.»

Klammern wir uns also geradezu an die mentale Belastung? Vielleicht. Ich denke wirklich: Delegieren heisst das Zauberwort. Doch das ist in der Hektik des Alltags nicht immer einfach. Invisible Work ist schliesslich schon Belastung genug. Nur wer lernt, alle Familienmitglieder gerecht und umfänglich in die Ausführung und Verantwortung der alltäglichen Aufgaben zu integrieren, schützt sich davor, dass die mentale Belastung nicht zur Überlastung wird.

Die mentale Belastung der Väter

Auch die Soziologieprofessorin Lisa Wade aus Los Angeles glaubt, dass wir Frauen unsere Denkarbeit rund um die vielen alltäglichen Probleme unbedingt mit den Männern teilen müssen – und hat deshalb einen Essay darüber veröffentlicht. Doch kaum war ihr Text erschienen, schob Josh Levs, Journalist und Buchautor, der sich mit Väterrollen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschäftigt, einen Text nach, in dem er eine Lanze für die Väter brach.

Der «MenCare Fussabdruck»

Auf der Plattform Männer.ch, Schweizer Dachverband der Männer- und Väterorganisationen, können Männer ihren «MenCare Fussabdruck» bestimmen. Nach Beantwortung von 10 Fragen sehen sie, ob noch ein wenig mehr Engagement im Haushalt erforderlich wäre: www.maenner.ch  

Die haben seiner Ansicht nach nämlich auch mit einem Mental Load zu kämpfen. Der Unterschied: Väter zerbrechen sich die Köpfe darüber, ob sie ihre Familie wirklich gut versorgen können, welche Probleme es bei der Arbeit gibt und ob sie die Erwartungen im Job erfüllen können. Es ist eine andere mentale Belastung, aber sicherlich keine angenehmere.

Ist die Welt wieder gerecht, weil nicht nur Frauen, sondern auch Männer zu viel grübeln? Nein. Denn es gibt zumindest Anzeichen dafür, dass wir uns kaum aussuchen können, welchen Mental Load wir haben wollen.

Die Comiczeichnerin Emma hat es gezeigt: Unsere Gesellschaft zwingt schon Mädchen in die Rolle von Frauen, die ständig über Aufgaben im Haushalt nachdenken – und Buben in die Rolle von Männern, die zu viel Zeit damit verbringen, an Arbeit und Geldbeschaffung zu denken.

Im Gespräch bleiben

Hier hilft nur, regelmässig das Gespräch mit dem Partner zu suchen und die Verteilung der Aufgaben immer mal wieder zu überdenken und neu auszuhandeln.

Und wie geht es Ihnen? Sind Sie die Ausnahme, die die Regel bestätigt? Gelingt Ihnen die Balance vielleicht besser als mir? Oder ist Ihnen die Invisible Workload vielleicht auch zu viel? Dann erzählen Sie uns davon in einem Kommentar.

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